The Hobbit (1977)

Film- und Tolkienfans aller Welt befinden sich in freudiger Erwartung des ersten Teils von Peter Jacksons Hobbit-Trilogie. Doch das Kinderbuch von Tolkien wurde schon früher verfilmt. 1977 erschien The Hobbit als knapp abendfüllender Trickfilm.

 

The Hobbit
TV-Zeichentrickfilm USA/Japan 1977. 77 Minuten. Regie: Arthur Rankin Jr. und Jules Bass. Drehbuch: Romeo Muller. Nach dem Roman von J. R. R. Tolkien.

 

 

Singsang statt Spannungsbogen

Im Westen des Kontinents Mittelerde lebt im idyllischen Auenland das Volk der Hobbits. Die kleinen menschenähnlichen Geschöpfe sind gemütlich, friedfertig, sesshaft und schätzen vor allem die Ruhe und Beschaulichkeit des einfachen Lebens. Eines dieser Exemplare ist Bilbo Beutlin, der im Dorf Hobbingen in seiner gemütlichen Hobbithöhle lebt. Bilbo führt ein ruhiges und völlig unspektakuläres Leben, bis eines Tages der Zauberer Gandalf auftaucht und dreizehn Zwerge mitbringt. Deren Anführer, Thorin Eichenschild, möchte Bilbo als „Meisterdieb“ anheuern. Bilbo soll den Zwergen helfen, den vom furchtbaren Drachen Smaug bewachten Schatz im Einsamen Berg zurück zu erlangen. Ehe sich der kleine Hobbit versieht, steckt er mitten in einem turbulenten Abenteuer…

Bevor die beiden Regisseure Arthur Rankin Jr. und Jules Bass mit Das letzte Einhorn 1982 ihren größten Erfolg feierten, versuchten sie sich gemeinsam mit dem japanischen Animationsstudio Topcraft, aus welchem später die Anime-Schmiede Studio Ghibli hervorgehen sollte, an einer Zeichentrickversion von Tolkiens Kinderbuch Der kleine Hobbit. Allerdings nicht für die große Leinwand, sondern fürs amerikanische Fernsehen. Als Vorbild für die Animationen dienten die Illustrationen von Arthur Rackham.

Mit seiner kurzen Laufzeit ist The Hobbit der krasse Gegenentwurf zu Peter Jacksons megalomanischer Adaption als Trilogie. Allein deren erster Teil Der Hobbit: Eine unerwartete Reise (Kinostart: 13. Dezember 2012) ist mehr als doppelt so lang wie der Zeichentrickfilm. Doch die große Schwäche der Rankin/Bass-Verfilmung liegt nicht in der Länge oder besser gesagt Kürze. Wo andere Filme einen Spannungsbogen haben, hüpft The Hobbit von einem Ereignis zum nächsten. Das Problem ist weniger, dass die Geschichte auf wenige wichtige Eckpunkte aus der Vorlage reduziert ist und dadurch z.B. die Charaktere der Zwerge außer Thorin nicht entwickelt werden können. Vielmehr findet das Drehbuch von Romeo Muller (Autor diverser Kommerz geschwängerter Weihnachtsspecials) einfach keine Linie, die Story bleibt Stückwerk. Mitten im Film wird Bilbo plötzlich als Off-Erzähler installiert, was außerdem dazu führt, dass er das Publikum mit seinen dauernden Kommentaren und Monologen nervt.

Nerven tut auch der ständige Gesang. Ständig brummelt ein Männerchor vor sich hin oder jammert der Folksänger Glenn Yarbrough dem Zuschauer die Ohren voll, so dass man sich fragen muss, welche Entzugserscheinungen er hat. Irgendetwas eingeworfen haben wohl auch die Animatoren, denn bis auf wenige stimmungsvolle Bilder fällt der Film auch durch besondere durchgeknallte Figuren auf. Die Orks sehen wie eine Mischung aus degenerierten Katzen und Gremlins aus, bei denen man sich fragt, wie sie mit ihren riesigen Mäulern überhaupt aufrecht gehen können. Die Elben im Düsterwald wirken wie Kobolde, die das Tageslicht scheuen. Und Gollum haben die Zeichner einfach Mal einen Froschkopf verpasst. Man lernt eben nie aus. Diese optischen Irritationen können jedoch, besonders unter Tolkien-Fans, ihr Potenzial an unfreiwilliger Komik durchaus entfalten. Unter den Originalsprechern befinden sich mit John Houston (African Queen, Die Bibel) als Gandalf und Otto Preminger (Fluss ohne Wiederkehr, Bonjour Tristesse) als Waldelbenkönig zwei Regie-Legenden Hollywoods.

Wer nach diesem Trickfilm dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, der musste sich bald eines Besseren belehren lassen. Da Ralph Bakshis animierte Verfilmung des Herr der Ringe 1978 mitten im Geschehen abbricht, entschlossen sich Rankin/Bass eine inoffizielle Fortsetzung fürs Fernsehen zu machen. Daraus entstand Return Of The King (1980), in der gleichen Optik wie The Hobbit, nur noch bunter, musikalisch durchgeknallter und inhaltlich chaotischer. Peter Jackson wird sich jedenfalls mit seiner dreiteiligen Hobbit-Verfilmung mehr Mühe gegeben haben.

Dieses einmalige Werk der Zeichentrickfilmgeschichte gibt es bisher in keiner deutschen Synchronfassung und ist bisher nur als englische DVD-Version erhältlich.

Fazit: In Ansätzen werkgetreue TV-Trickfilm-Adaption, deren Dramaturgie aber eine mittlere Katastrophe ist. Optische Unzulänglichkeiten und nervtötenden Singsang gibt’s gratis dazu. 3 von 10 Punkten.

 

Gandalf und Bilbo

 

Bilbo und die Zwerge

 

Marius Joa, 9. Dezember 2012. Bilder: Warner Home Video.


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