2005 kam ein Film in die deutschen Kinos, dem leider viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Man kann es dem Kinopublikum nicht verübeln, basiert doch „Serenity“ auf der amerikanischen TV-Serie „Firefly“, die noch nie im deutschen Fernsehen gezeigt wurde. Und überhaupt, lauter unbekannte Schauspieler in einem Genre-Mix aus Western und Science-Fiction, kann das aufgehen? Die wenigen aufgeschlossenen Seelen, die sich ins Kino trauten, erkannten: Es kann.
Firefly
Wildwest/Science-Fiction-Serie USA 2002/03. 14 Folgen (inkl. Pilotfilm)
Idee und Originalkonzept: Joss Whedon. Drehbuch: Joss Whedon, Tim Minear, Ben Edlund & Jose Molina. Regie: Joss Whedon, Vern Gillum & Tom Minear.
Mit Nathan Filion, Gina Torres, Alan Tudyk, Jewel Staite, Adam Baldwin, Morena Baccarin, Summer Glau, Sean Maher, Ron Glass.
Space Cowboys
Die Serie „Firefly“ startete 2002 auf dem amerikanischen Familiensender FOX („The Simpsons“). Sie eroberte sich früh eine treue Anhängerschaft, die aber nicht die hohen Quotenerwartungen des Senders erfüllen konnte. So wurde „Firefly“ nach der elften Folge abgesetzt. Ein zweistündiger Pilotfilm, den der Sender anfangs verworfen und durch die eigentliche erste Folge ersetzt hatte, wurde immerhin im Anschluss noch ausgestrahlt. Unbestätigten Gerüchten zufolge spielte der Protest amerikanischer Moralisten gegen die Tatsache, dass es sich bei einer der Hauptfiguren eine Edelprostituierte handelt, ebenfalls eine Rolle.
Da es in den Zeiten von Youtube, Amazon und DSL kein Problem darstellt, sich die Serie auf legalem oder halblegalem Weg aus Übersee zu besorgen, machte „Firefly“ bald als Geheimtipp die Runde und hat mittlerweile hier in Deutschland eine stattliche Fangemeinde. Das ist nicht nur beachtlich, weil die Serie bei uns noch nie lief, sondern eben auch, weil sie eben nur ganze 13 Folgen umfasst.
Immerhin erwirkten die zahlreichen Proteste der Fans, dass Serienschöpfer Joss Whedon („Buffy“, „Angel“) 2005 den Kinofilm folgen ließ. Über weitere Fortsetzungen wird noch verhandelt. Da der Kinofilm aber auch keinen Erfolg nachweisen konnte, wird es aller Voraussicht nach keine weiteren Staffeln oder Filme geben.
Die Besetzung von „Firefly“.
Das „Firefly“-Universum
Die Menschheit im 26. Jahrhundert: „Die Erde von einst konnte uns nicht länger ernähren. Wir waren zu viele. Wir fanden ein neues Sonnensystem mit dutzenden von Planeten und hunderten von Monden. (…) Die Zentralplaneten bildeten die „Allianz“. Regiert von einem interplanetarischen Parlament, wurde die Allianz zu einem Leuchtfeuer der Zivilisation. Die äußeren Planeten waren nicht so aufgeklärt und widersetzen sich der Kontrolle durch die Allianz … der Krieg war verheerend.“
Joss Whedon baut seine Serie auf der Grundlage fast jeden Science-Fiction-Stoffes auf: Die Menschheit hat die Erde verlassen und ein neues System bewohnbarer Planeten besiedelt. Diese Veränderung schafft eine Gesellschaft mit neuen Führungsschichten, neuen Außenseitern und neuen sozialen Problemen. Und während sich die Menschheit mit ihren internen Streitigkeiten herumschlägt, schleicht am Rand der bewohnten Welt eine neue Gefahr heran.
Die Serienwelt von „Firefly“ ist geprägt vom Gegensatz zwischen der Allianz und den Outback-Planeten. Die reichen Allianzplaneten genießen eine stabile Umwelt und schmücken sich mit moderner Architektur und gepflegten Parks. Bei den übrigen Welten wurde beim Terraforming (= Schaffung einer Atmosphäre, die menschliches Leben ermöglicht) gepfuscht. Das Klima ist heiß und trocken, die Vegetation dürftig und Krankheiten werden über die Luft verbreitet. Armut, Arbeitslosigkeit und organisierte Kriminalität sind an der Tagesordnung, das Gesetz des Stärkeren gilt.
Kurz gesagt: Diese Welten sind dem amerikanischen Wilden Westen nachempfunden. Es wird mit alten Handfeuerwaffen geschossen und Transportmittel wie Pferde, Planwagen und Züge sind fester Bestandteil der Infrastruktur. Die spärliche Bevölkerung lebt in einfachen Holzbauten und trägt ländliche Kleidung.
Die Serienwelt weist darüber hinaus auch starke asiatische Züge auf. Die Charaktere springen gelegentlich vom Englischen ins Chinesische, das als eine Art zweite Amtssprache fungiert. Auch Elemente wie die Geisha-ähnliche Einrichtung „Companion“ ist aus diesem Kulturkreis entnommen.
Die Randwelten müssen nicht nur mit ihren eigenen Problemen fertig werden, sondern sind auch noch den Beutezügen einer im Weltraum lebenden, kannibalischen Menschenmutation namens „Reaver“ ausgesetzt, deren Existenz von der Allianz konsequent geleugnet wird.
Die Serenity
Die Idee für „Firefly“ holte sich Whedon nach eigenen Aussagen von dem Roman The Killer Angels des Pulitzer-Preisträgers Michael Shaara.
Er übernahm daraus weite Teile der Thematik des amerikanischen Bürgerkrieges: Der Konflikt zwischen der reichen Allianz und den nach Unabhängigkeit strebenden Randplaneten eskaliert und es kommt zum Krieg. In der Schlacht am Serenity Valley werden die Randwelten vernichtend geschlagen und stehen seither widerstrebend unter der Fuchtel der Allianz. Die Serienhandlung setzt sechs Jahre nach Kriegsende ein.
Exemplarisch für das allgemeine Nachkriegstraumas ist Malcolm „Mal“ Reynolds (Nathan Fillion), Captain des Raumschiffs Serenity. Als Sergeant hat er gegen die Allianz gekämpft und annähernd seine ganze Einheit verloren. Desillusioniert und verbittert zieht er nun ein Leben am Rand des Gesetzes vor. Er kauft ein schrottreifes kleines Transportschiff der Klasse Firefly und nennt es in Erinnerung an die letzte Schlacht des Krieges „Serenity“.
Der Kern der Crew besteht aus Mals Militärkumpel Zoe (Gina Torres) und ihrem Ehemann, dem Piloten Wash (Alan Tudyk), ferner der Mechanikerin Kaylee (Jewel Staite) und dem Waffenfanatiker Jayne (Adam Baldwin). Dann gibt es noch die eingemieteten Dauergäste: Die Companion Inara (Morena Baccarin), die in einem der abtrennbaren Shuttles der Serenity lebt, und der väterliche Prediger Shepherd Book (Ron Glass). Beide haben sich aus ungeklärten Umständen von ihren heimatlichen Allianzwelten abgenabelt und wirken seltsam deplatziert an Bord des Schiffes.
Mit seiner zusammengewürfelten Crew aus Kleinkriminellen und gescheiterten Existenzen schlägt sich Mal mit Transportjobs und Auftragsdiebstählen durch. So wird schon mal auf klassische Wildwest-Manier ein Zug ausgeraubt oder eine Kuhherde transportiert.
Es gelingt der Serenity, immer wieder unter dem Radar der Obrigkeit durchzuschlüpfen. Wird das Geld knapp, muss die Crew Passagiere aufnehmen. In der Pilotfolge erweisen sich zwei dieser Passagiere für Mal zur Charakterprobe: Der junge Arzt Simon Tam (Sean Maher), Sohn aus gutem Allianz-Hause, wird polizeilich gesucht. Er hat seine Schwester River (Summer Glau) bei sich, die er aus einer geheimen Forschungseinrichtung der Allianz befreit hat, wo sie wegen ihrer hohen Intelligenz als Laborratte missbraucht wurde. Nun werden beide von den Sicherheitskräften der Allianz gejagt und müssen auf den schwerer zu überblickenden Outback-Planeten untertauchen.
Sie an Bord der Serenity zu verstecken, setzt die Crew der Gefahr aus, selbst ins Visier der Polizei zu geraten. Zudem verfügt River über beunruhigende mentale Fähigkeiten, die sie aufgrund ihres labilen Zustandes nicht kontrollieren kann. Trotzdem bringt es Mal nicht übers Herz, die beiden verwöhnten Großstadtkinder im rauen Klima der äußeren Welten auszusetzen und stellt Simon kurzerhand als Schiffsarzt ein.
Warum die Serie so gut ist
Anders als viele Science-Fiction-Serien lebt „Firefly“ nicht von äußeren Spannungen (zum Beispiel durch die Erkundung neuer Welten) sondern eher vom Aufeinanderprallen seiner ausgefeilten Charaktere. Die Crew des kleinen Schiffes wächst einem sofort ans Herz. Wundervoll beispielsweise der permanente Konflikt zwischen dem sanften Pazifisten Simon und dem abgebrühten Zyniker Mal – quasi Held und Anti-Held. Dann wären da noch die überdurchschnittlich witzigen Dialoge, die durchdachten Drehbücher und die schön gefilmten Bilder.
Was die Ausstrahlung von „Firefly“ im deutschen Fernsehen angeht, die Rechte liegen momentan bei RTL. Wann die Serie dort laufen wird, ist aber noch völlig unklar.
Wer trotzdem Lust hat, sich dieses kleine TV-Juwel anzusehen, sei zunächst auf die DVD-Box verwiesen, die es mittlerweile auch mit der (vergleichsweise gelungenen) deutschen Synchronisation gibt. Da diese trotzdem der Originalversion nichts anderes als unterlegen sein kann, sollte man sich die Serie lieber gleich auf Englisch ansehen.
Unwirtlich: Prärie so weit das Auge reicht.
Die Serenity.
Kaylee, die gute Seele der Crew und Shepherd Book.
Inara und Mal.
v. l.: Wash, Jayne, Simon, Kaylee und Mal.
Unsere Kinofilmkritik zu Serenity…
Sarah Böhlau, 9. Dezember 2006. Bilder: 20th Century Fox.
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