Mit Merlin inszenierte Hallmark Entertainment einen aufwendigen Event-Zweiteiler mit Starbesetzung über die Legende des berühmten Zauberers. Kann der Fernsehfilm überzeugen? Marius Joa mit einer ausführlichen DVD-Kritik.
Merlin
TV-Fantasyfilm USA/UK 1998. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 2 Teile. Gesamtlaufzeit ca. 175 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Sam Neill, Miranda Richardson, Isabella Rossellini, Martin Short, Helena Bonham Carter, Paul Curran, Jason Done, Rutger Hauer, Lena Headey, Mark Jax, Jeremy Sheffield, Daniel Brocklebank u.v.a. Regie: Steve Barron. Drehbuch: Peter Barnes & David Stevens. Musik: Trevor Jones.
Hallmarks Höhepunkt
Durch das sich schnell ausbreitende Christentum in Britannien verliert der „alte Glaube“ massiv an Bedeutung. Das will Königin Mab (Miranda Richardson), Herrscherin über alle Feen und Fabelwesen, verhindern. So erschafft sie Merlin, der zum perfekten Zauberer ausgebildet werden soll, damit er den „alten Glauben“ wieder unter die Menschen bringt. Zum jungen Mann herangewachsen, entfremdet sich Merlin (Daniel Brocklebank, später Sam Neill) jedoch von den Methoden Mabs und ihres Dieners Frik (Martin Short) und versucht seinen eigenen Weg zu gehen. Als er sich in die liebreizende Nimue (Isabella Rossellini) verliebt, beginnt Merlin einen ewigen Kampf gegen die immer skrupelloser werdende Mab. Mit weisem Rat steht ihm ihre Schwester, die Herrin vom See (ebenfalls Miranda Richardson) zur Seite.
Nachdem Nimue und Merlin in die Hände des tyrannischen Königs Vortigern (Rutger Hauer) geraten, schlägt sich der Zauberer auf die Seite des legitimen Thronfolgers Uther Pendragon (Mark Jax). Dieser zeugt mit Igraine (Rachel Colover), der Frau des Herzogs von Cornwall, den Jungen Artus. Artus (Paul Curran) wird von Merlin unterrichtet, um sein späteres Schicksal zu erfüllen: ganz Britannien als König zu einen. Artus’ Halbschwester Morgan Le Fay (Helena Bonham Carter) sinnt auf Rache für den Mord an ihrem Vater. Dadurch wird sie zum perfekten Werkzeug für Mab. Unter dem neuen König Artus erlebt Britannien eine neue Blütezeit. Bis sich der König und die Ritter der Tafelrunde auf die Suche nach dem Heiligen Gral machen und Mab ihre finsteren Pläne vollzieht.
Herausragend: Miranda Richardson als Mab.
Das Studio Hallmark Entertainment, geführt von Robert Halmi und seinem Sohn gleichen Namens, gehört zu den führenden Produktionsfirmen von Fernsehfilmen. Häufigstes Format ist der 90-Minuten-Zweiteiler. Vor allem Mitte der 1990er Jahre begann Hallmark immer aufwendigere TV-Filme zu drehen. Nach Gullivers Reisen (1996) und Die Abenteuer des Odysseus (1997) folgte 1998 die dritte Adaption eines großen literarischen Stoffes, Merlin. Als Regisseur wurde Steve Barron ausgewählt, der u.a. das visuell beeindruckende Musikvideo zur A-ha-Single Take On Me gedreht hatte. Barron brachte als ehemaliges Mitglied die Puppen-Animateure von Jim Henson’s Creature Shop mit an Bord, die sich an der Erstellung der visuellen Effekte beteiligten.
Die ganze Produktion stand unter enormen Zeitdruck, nicht ungewöhnlich für einen Fernsehfilm. Nur sechs Monate vor dem geplanten TV-Ausstrahlungstermin im April 1998 begannen die Dreharbeiten in Wales und den berühmten Pinewood Studios in England. Trotz fehlender Zeit verlief die Produktion des Zweiteilers ohne Probleme und so feierte Merlin in den USA am 26. April 1998 TV-Premiere. Deutscher Erstausstrahlungstermin war der 18. Oktober 1998.
Das mit 30 Millionen Dollar üppig ausgefallene Budget wirkt gut investiert. Für einen Fernsehfilm sind vor allem die visuellen Effekte sehr gelungen, wenn man vom dürftig aussehenden Drachen und den Griffins absieht. Außerdem merkt man den Szenen keinesfalls an, dass der Zweiteiler recht schnell produziert wurde. Lediglich die Rüstungen sehen etwas zu einfach aus. Die übrigen Kostüme wirken sehr ausgearbeitet, vom Federmantel Merlins, den dunklen Gewändern Mabs zu den eher bunten Kleidern von Morgan Le Fay. Die Kameraarbeit von Sergei Kozlov (Die Abenteuer des Odysseus) ist solide und liefert einige einzigartige Einstellungen. Schnitttechnisch beeindruckend sind einige magische Szenen, in denen die Bewegungen der Charaktere auf seltsame Art beschleunigt wurden. Trevor Jones Filmmusik dürfte zum Besten gehören, was in vergleichbaren Produktionen je zu hören war. Der Score setzt auf oft wiederholte und eingängige Themen, darunter die wunderschöne Titelmelodie.
Doch nun zur wahren Stärke des Event-Zweiteilers: die Schauspieler. Regisseur Steve Barron erklärt im Making Of, dass er großes Glück hatte und bei allen Hauptrollen die Wunsch-Kandidaten zur Verfügung standen. Der Neuseeländer Sam Neill (Jurassic Park) überzeugt als Merlin. Der weltbekannte Zauberer wird hier nicht als bärtiger, alter Mann mit Spitzhut, sondern als sehr menschlicher und charismatischer Mann dargestellt. Neill schafft es vor allem, die innere Ruhe und gleichzeitig die Macht in Merlin darzustellen. Herausragend in einer von Over-Acting nur so strotzenden Rolle ist Miranda Richardson als Mab. Die vielseitige, aber oft als weiblicher Bösewicht besetzte Richardson scheint in der Rolle der um ihre Existenz besorgte „Feenkönigin“ vollkommen aufzugehen. Genial, was die damals 39jährige aus ihrer Stimme machte. Ein Aspekt, den die deutsche Synchronisation hervorragend übernahm. Außerdem spielte Miranda Richardson auch Mabs Schwester, die sanfte Herrin vom See. Köstlich auch Martin Short als vielseitig agierender „Gnom“ Frik. Vor allem die Frik-/Mab-Szenen geben der Geschichte die passende humorvolle Note.
Die übrigen Darsteller des Starensembles: Hallmark-Stammgast Isabella Rosselini als Merlins Geliebte Nimue, Rutger Hauer als Tyrann Vortigern und Helena Bonham Carter als machtgierige Morgan Le Fay. Sir John Gielgud (1904-2000), damals 93jährig, hat einen 20-Sekunden-Auftritt als König Constantin. Außerdem spricht er die drei Zeilen, die Merlins Pferd Sir Rupert von sich gibt. Warum Gielgud dafür im Vorspann den Platz eines Hauptdarstellers erhält, ist wohl nur mit seinem Status als (damals noch lebende) Legende zu erklären. James Earl Jones (Darth Vader) leiht dem „Mountain King“ in zwei kurzen Szenen seine Stimme. Fans von John Boormans düsterer Artusepik-Adaption Excalibur werden mit Freuden feststellen, dass zwei (leider bereits verstorbene) Darsteller (von Lancelot und Mordred) aus dem Fantasyfilm kleine Rollen hatten: Nicholas Clay (1946-2000) spielte Guineveres Vater Lord Leo und Robert Addie (1960-2003) den Ritter Sir Gilbert.
In Filmen tritt Merlin für gewöhnlich als Nebenfigur in einer von der Artus-Sage adaptierten oder inspirierten Story auf. Doch hier ist Merlin die Hauptfigur und seine Geschichte wird von ihm selbst in langen Rückblenden erzählt. Da rücken die Aspekte der Artus-Sage eher in den Hintergrund und erst gegen Ende des ersten Teils wird diese Thematik aufgegriffen. Insgesamt ist die einfache Story auf Familienunterhaltung und eine entsprechendes Publikum zugeschnitten, was man als Hauptkritikpunkt am Zweiteiler sehen kann. Diese Schwäche wird jedoch von den starken Charakteren und den toll aufgelegten Hauptdarstellern Neill, Richardson und Short ausgeglichen.
Merlin zählt zu den besten Filmen aus der TV-Schmiede Hallmark und war auch bei den Awards erfolgreich. 1999 erhielt man vier Golden Globe-Nominierungen (u.a. bester Fernsehfilm) und gewann vier Emmy-Awards (bei 15 Nominierungen!). 2006 veröffentlichte Hallmark mit Merlin 2 – Der letzte Zauberer eine billiger produzierte Fortsetzung, ohne die Magie des Vorgängers und ohne dessen Story zu berücksichtigen. Sam Neill kehrte als Merlin zurück und Miranda Richardson spielte eine böse Version der Herrin vom See. Dieses Sequel gibt es seit 30. Juli auf DVD, die deutsche TV-Erstausstrahlung erfolgte am 4. August 2007.
Fazit: Unterhaltsamer, märchenhafter TV-Zweiteiler mit starken Charakteren und tollen Darstellern, allen voran Miranda Richardson. Sicherlich einer der besten Hallmark-Produktionen. 8 von 10 Punkten.
Weise, mächtig und charismatisch: Merlin.
Sorgt für Humor: Frik (Martin Short).
Nimue, Merlins große Liebe.
DVD-Features:
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0)
Bonusmaterial:
Making Of inkl. kurzer Interviews mit Darstellern und Regisseur (19 Minuten, Engl. ohne Untertitel)
22 Texttafeln zur Geschichte der Produktion
10 Texttafeln über die Legende von Merlin
Infotafeln über die Stars des Films
(Texttafeln in Deutsch, Englisch und Französisch)
Die vorliegende, erste DVD-Fassung von Warner Vision enthält das o.g. Bonusmaterial und keine Untertitel. Mit fast identischem Cover gibt es eine zweite (von Paramount) und eine dritte Version (von Schröder Media). Beide enthalten zusätzlich zu den Extras der ersten Fassung: Info zu Regisseur Steve Barron, deutsche und englische Untertitel bei Film/Making Of sowie eine Fotogalerie. Es fehlt die französische Tonspur. In den USA erschien im Juni 2004 eine Special Edition mit einem weiteren Making Of und einem Audiokommentar von Regisseur Steve Barron.
Marius Joa, 15. August 2007. Bilder: Warner/Hallmark Entertainment.
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