Mit dem 21. Bond-Film soll mit dem neuen Hauptdarsteller Daniel Craig ein Neubeginn des zuletzt eher einfallslosen 007-Franchises eingeleitet werden. Die Vieraugen-Redaktion war im Kino und liefert eine ausführliche Kritik.
Agententhriller USA/UK/Tschechien 2006. Regie: Martin Campbell. Nach dem Roman von Ian Fleming.
Musik: David Arnold. 145 Minuten. FSK ab 12.
Mit Daniel Craig, Eva Green, Mads Mikkelsen, Judi Dench, Jeffrey Wright, Giancarlo Giannini, Caterina Murino, Simon Abkarian, Isaach de Bankolé, Jesper Christensen, Tobias Menzies, Ludger Pistor, Ivana Milicevic, Claudio Santamaria, Sebastien Foucan u.v.a.
Bond Begins
Kurz nach dem Erwerb des Doppelnull-Status durch zwei mehr oder weniger blitzsaubere Liquidierungen verfolgt James Bond (Daniel Craig) einen Bombenleger in Madagaskar, um mehr über ein weltweit operierendes Terrornetzwerk und dessen Hintermänner zu erfahren. Doch 007 vermasselt seine Mission und wird von seiner Vorgesetzten M (Judi Dench) in den Urlaub geschickt. Die gewonnene Freizeit nutzt Bond, um seinen Fehler wieder gut zu machen. Auf den Bahamas verfolgt er die Spur von Alex Dimitrios (Simon Abkarian) und dessen Frau Solange (Caterina Murino). 007 findet heraus, dass der Finanzier hinter dem Terrornetzwerk der weltweit tätige Bankier Le Chiffre (Mads Mikkelsen) ist. Durch einen gescheiterten Plan hat dieser viel Geld verloren und bekommt nun Probleme mit seinen Kunden. Um diese Probleme zu lösen veranstaltet Le Chiffre ein etwa 150 Millionen Dollar schweres Poker-Game im Casino Royale in Montenegro. Bond soll gegen ihn antreten und mit einem Sieg den Terrorfinanzier kalt stellen. Als „Aufpasserin“ wird ihm die kühle und schlagfertige Vesper Lynd (Eva Green) vom britischen Schatzamt zur Seite gestellt. Kontaktmann vor Ort ist René Mathis (Giancarlo Giannini). Schon bald beginnt für Bond ein Spiel, bei dem es um mehr als um viel Geld geht.
Nachdem der vierte Bond-Film mit Pierce Brosnan an der Kinokasse zwar erfolgreich war, aber die Fan-Reaktionen weniger gut, entschieden sich die Bond-Produzenten für einen Neustart der Filmreihe. 2004 kam Starregisseur Quentin Tarantino („Pulp Fiction“, „Kill Bill„) mit der Idee, eine sehr werkgetreue Adaption von Ian Flemings erstem 007-Roman „Casino Royale“ zu machen, mit Brosnan. Weil man aber einen jüngeren James Bond zeigen wollte, war Brosnan aus dem Rennen und auch Tarantino bekam keine Chance. Nach einigen Screentests mit möglichen Kandidaten wurde schließlich Daniel Craig (38), der für drei Filme unterschrieb, am 14. Oktober 2005 als sechster Darsteller des berühmten Agenten James Bond vorgestellt. Schon kurz darauf ging eine riesige Welle von Negativ-Schlagzeilen durch die Boulevard-Presse. Craig sei zu blond und ein Weichei. Zu Beginn der Dreharbeiten weitete sich der Spott aus, Craig könne nur Autos mit Automatik fahren und nachdem er bei einer Schlägerei für den Film Zähne verlor, hieß es, er würde nichts aushalten. Außerdem sei es unpassend, dass er Waffen und den obligatorischen Martini hasse. Zur Erinnerung: vor gut 30 Jahren debütierte ein gewisser Roger Moore als 007, der ebenfalls blond war und ebenfalls Waffen verabscheut. Jedenfalls löste sich die Welle der Negativ-Schlagzeilen schon bald nach den ersten Eindrücken von Dreharbeiten und Trailern auf. Zurecht, muss man deutlich sagen. Gedreht wurde von Ende Januar bis Mitte Juli in den Pinewood-Studios (England) sowie auf den Bahamas, in Tschechien und in Italien.
James Bond angespannt im Casino.
Ein anderer Bond mit altem Chef
Die bondtypische Vortitelsequenz ist komplett in schwarz-weiß und auch das Gunbarrel-Opening ist verändert. Dies zeigt zusammen mit dem bunten 60er Jahre-artigen Vorspann, dass wir uns in die „Vergangenheit“ von James Bond begeben.
Man muss zugeben, dass Daniel Craig in der Rolle von James Bond brilliert. Sein Bond ist kein leichtfüßiger Superheld, der die Welt im Handumdrehen rettet und nebenbei noch Zeit für das ein oder andere Bond-Girl hat, sondern ein harter und zugleich emotionalerer Mann, der sich nicht zu schade ist, bei seinem Job alles zu geben, natürlich auf Kosten einiger Kratzer und Verletzungen. Außerdem dient ihm die Affäre mit Solange nur dem Zweck, Informationen über ihren Mann zu bekommen. Und im Laufe des Films darf sich Bond sogar verlieben! Die Auswirkungen dieser Beziehung lassen ihn schließlich sich zu dem James Bond entwickeln, den wir kennen.
Aus der Brosnan-Ära hat von den Schauspielern nur die hier ebenfalls sehr überzeugende Dame Judi Dench als M überlebt. In ihrem Vorzimmer finden wir jetzt nicht mehr Miss Moneypenny, sondern den Schreibtischtäter Villiers, gespielt von Tobias Menzies („Rome“). Leider fällt die Rolle von Jeffrey Wright („Syriana„) als CIA-Agent Felix Leiter sehr klein aus. Dänemarks „Sexiest Man Alive“ Mads Mikkelsen spielt hier einen Bösewicht Le Chiffre, der nicht einfach aus Größenwahn die Welt beherrschen will, sondern selbst um sein Leben spielt bzw. kämpft. Herausragend zeigt sich Eva Green („Königreich der Himmel„) als Vesper Lynd, die nicht nur gut auszusehen weiß, sondern in ihrer Darstellung ein gleichberechtigter Partner des Hauptcharakters ist. Mit einem Cameo von Jürgen Tarrach und Ludger Pistor („Balko“) in der Rolle des schelmischen Bankiers Mendel sind auch deutsche Schauspieler vertreten. Der noch unbekannte Österreicher Daniel Andreas hat sogar eine relativ dialoglastige Rolle als Kartengeber beim Pokern.
Ärgerliche und vermeidbare Fehler liegen leider in der deutschen Synchronisation vor: so spricht Bond seinen Lieblingschampagner falsch aus und der Name Mathis scheint englisch zu sein.
Im Film wurde komplett auf CGI-Effekte verzichtet, stattdessen setzten Regisseur Martin Campbell („GoldenEye„) und sein Team verstärkt auf rasante Action-Szenen mit spektakulären Stunts. Die meisten seiner Stunts machte Daniel Craig übrigens selbst, weil es, seiner Ansicht nach, einfacher realistischer aussehe. Der harte Realismus bringt den Film auch in eine ähnliche Richtung wie die beiden 007-Auftritte von Timothy Dalton, „Der Hauch des Todes“ (1987) und „Lizenz zum Töten“ (1989). Die Liebesgeschichte zwischen Bond und Vesper erinnert hingegen an „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969).
Für Bonds Gegner „Le Chiffre“ steht viel auf dem Spiel.
Köstliche Dialoge
Es gibt jedoch etwas, was „Casino Royale“ von diesen deutlich abhebt und wahrlich einzigartig macht: sein grandioser Humor! Wer denkt, dass mit dem ernsten Ton des Films der Witz verloren geht, der irrt gewaltig. Zum einen liefert der Film absolut köstlich-pointierte Dialoge, meist zwischen Bond und Vesper. Außerdem gibt es auch einige witzige Szenen ohne Worte. Bond-Filme waren schon immer für Wortspiele und coole Sprüche gut, aber „Casino“ Royale setzt dem ganzen die Krone auf.
Daniel Craig spielt den berühmtesten Agenten der Kinogeschichte mit einer Selbstverständlichkeit und sympathischen Dreistigkeit. In emotionaler Hinsicht kann er ebenfalls mehr als überzeugen. Jedenfalls braucht sich der sechste 007-Darsteller vor keinem seiner Vorgänger zu verstecken.
Das eingespielte Drehbuchautoren-Team Neal Purvis und Robert Wade liefert zusammen mit Oscar-Preisträger Paul Haggis („Million Dollar Baby“, „L.A. Crash„) einen, vor allem für einen Bond-Film, sehr gutes und ausgeklügeltes Drehbuch ab, das nur eine wirkliche Schwäche hat: die Story kommt etwas schwer in die Gänge. Die Einleitung, bis es zum eigentlich Haupt-Plot kommt, dauert zu lange. Generell ist „Casino Royale“, mit seinen 145 Minuten Laufzeit längster Bond-Film aller Zeiten, vielleicht an einigen Stellen doch etwas zu sehr in die Länge gezogen.
Das Setting des Romans von Ian Fleming aus dem Jahre 1953 wurde an die heutige Zeit angepasst. Le Chiffre ist hier kein spielsüchtiger russischer Agent, der den KGB im Nacken hat, sondern ein Bankier diverser Terroristen deren Gelder er verspekuliert hat. Die Auswirkungen der Ereignisse vom 11. September 2001 wurden hier ebenfalls mit eingebunden. Trotz der Änderungen ist der Film vor allem in der zweiten Hälfte an manchen Stellen so buchgetreu wie nur möglich. Dialoge wurden hier teilweise wortwörtlich übernommen.
Wie schon seit drei Filmen zeichnete sich auch hier wieder der Brite David Arnold für den Score verantwortlich. Auffällig wie sparsam er das James-Bond-Thema einsetzt. Der Titelsong „You Know My Name“ von Soundgarden-Sänger Chris Cornell ist zwar eine ordentliche Mischung aus Rocksong und klassischem Thema, kommt aber trotz des Potentials nicht so recht in die Gänge und dürfte deshalb zu den schwächeren Bond-Songs zählen.
Fazit: „Casino Royale“ ist anders als jeder bisherige James-Bond-Film. Trotz kleiner Schwächen bei Synchronisation, Drehbuch und Titelsong dennoch der beste Bond seit langem und zweifelsohne der humorvollste der ganzen Filmreihe. Daniel Craig liefert einen grandiosen Einstand! Knapp an der Höchstwertung vorbei. 9/10.
Info: Wie üblich wird am Ende des Abspanns angekündigt, dass James Bond zurückkehren wird. Bond-Film Nr. 22 startet in ziemlich genau zwei Jahren, am 13. November 2008.
In die „Buchhalterin“ Vesper verliebt sich James.
Schon zu Beginn fliegen in Casino Royale ganz schön die Fetzen.
Marius Joa, 25. November 2006. Bilder: MGM/Columbia Pictures/United Artists.
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