Selten konnte ein Film über ein kontroverses Thema (Homosexualität) soviel Kritikerlob und soviele Preise einheimsen. Was ist denn nun dran an “Brokeback Mountain”? Marius Joa hat den Film gesehen.
Liebesdrama USA 2005. Regie: Ang Lee. Musik: Gustavo Santaolalla. 134 Minuten. FSK ab 12.
Mit Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, Randy Quaid, Michelle Williams, Anne Hathaway, Linda Cardellini, Scott Michael Campbell, Anna Faris u.v.a.
Oscar-prämierte Enttäuschung
Im US-Bundesstaat Wyoming lernen sich 1963 der Rancher Ennis Del Mar und der Rodeoreiter Jack Twist kennen, während sie die Schafe des mürrischen Joe Aguirre auf dem Brokeback Mountain hüten. Dort kommen sich die beiden jungen Männer näher als sie eigentlich wollten. Aus dem Vorfall entwickelt sich eine innige Liebesbeziehung. Nachdem die Saisonarbeit in den Bergen beendet ist, trennen sich die Wege von Ennis und Jack und sie gründen beide Familien. Ennis heiratet die hübsche Alma und hat mit ihr zwei Töchter. Jack heiratet Lureen, die Tochter eines reichen Landmaschinenkaufmanns. Trotz ihres scheinbaren Familienglücks merken die Männer, dass ihnen etwas fehlt und als sie sich nach vier Jahren endlich wieder sehen, entflammt die alte Liebe erneut …
Regisseur Ang Lee (“Tiger & Dragon”) inszenierte das Westernmelodram basierend auf der Kurzgeschichte von Annie Proulux, die 1997 erschien. Die Geschichte der heimlichen Liebe zweier Cowboys umfasst einen Zeitraum von 20 Jahren. In dieser Zeit wird vor allem gezeigt, wie die beiden Hauptfiguren versuchen, ein normales Leben zu führen, was ihnen letztendlich nicht wirklich gelingt.
Auf jeden Fall sind die beiden Hauptrollen mit Heath Ledger (“Ritter aus Leidenschaft”) und Jake Gyllenhaal (“Donnie Darko”) sehr gut besetzt. Beide für einen Oscar nominiert, verstehen es, die Geschichte glaubwürdig und realistisch rüber zu bringen. Mit Homosexualität unter Cowboys hat die Story ein ernstes und für manche provokantes Thema, gilt doch der uramerikanische Cowboy als Symbol für Männlichkeit und Stärke.
Zu Beginn wirkt der Film wie ein langer Marlboro-Werbespot, allerdings mit Schafen anstatt der üblichen Wildpferde. Sicherlich ein mutiges Unterfangen eine Liebesgeschichte zweier Männer in der erzkonservativen US-Provinz fürs Kino zu adaptieren, aber leider macht ein provokantes Thema noch keinen guten Film aus. “Brokeback Mountain” ist jedenfalls keiner. Der innere Kampf der beiden Charaktere Ennis und Jack, die zwischen normalen Familienleben und ihrer Liebe zueinander hin- und hergerissen sind, wird zu wenig zur Geltung gebracht. Anscheinend haben sich die oscarprämierten Drehbuchautoren darauf verlassen, dass schon allein die Tatsache, dass sich zwei Cowboys lieben für eine fesselnde Story reicht, was aber leider nicht der Fall ist. Es wird bei der Geschichte viel zu viel ausgespart und die Sehnsüchte der Protagonisten nicht genug herausgestellt. Der Film bewegt sich auf dem emotionalen Terrain einer minimalistischen, austauschbaren Fernsehproduktion.
Wenig stimmungsvoll ist die Kameraarbeit, die zwar für etwas Western-Atmosphäre sorgt, aber nicht wirklich schöne Bilder liefert. Ein ziemlicher Flop ist auch die Musik, für die Gustavo Santolalla mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Bis auf ein schönes Stück hätte man sie eigentlich komplett weglassen können, da sie die wenig vorhandene Stimmung nicht unterstützt.
Alles in allem ist “Brokeback Mountain” eine Enttäuschung, wenn auch kein schlechter Film. Allerdings darf man von einem Film, der vier Golden Globes, drei Oscars und 47 (!) weitere Filmpreise wie z.B. den Goldenen Löwen in Venedig, gewann wesentlich mehr erwarten. Wirklich bedauernswert, dass ein solch durchschnittlicher Film so mit Preisen überhäuft wurde und bessere Filme leer ausgingen.
Fazit: Enttäuschendes, lahmes und durchschnittliches Drama, dessen provokantes Thema aber anscheinend allein ausreicht, um fast alle wichtigen Filmpreise zu gewinnen. Schade. 5/10.
Marius Joa, 12. März 2006.
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