Schon der Trailer zu „Flags of our Fathers“ wird jeden Nicht-Amerikaner dazu verführen, mit der Erwartung eines amerikanisch-nationalen Films ins Kino zu gehen. Ob die neueste Regiearbeit von Clint Eastwood mehr ist als ein bloße Nationalhuldigung, beurteilt Lena Stadelmann.
Flags of our Fathers
Kriegsdrama, USA 2006. Regie: Clint Eastwood. 132 Minuten. FSK ab 12.
Mit: Ryan Phillippe, Jesse Bradford, Adam Beach, John Benjamin Hickey, John Slattery, Barry Pepper, Jamie Bell, Paul Walker u.v.a.
Die Schrecken des Krieges
19. Februar 1945: Amerikanische Marines landen auf der japanischen Pazifikinsel Iwo Jima, um dieses Militärziel aus strategischen Gründen einzunehmen. Der Kampf um die Insel dauert 35 Tage, dabei sterben 7.000 US-Marines und beinahe alle der 21.000 japanischen Soldaten. Am fünften Tag der Kampfhandlungen erringen die USA einen vorläufigen Sieg und sechs Männer werden fotografiert, wie sie die amerikanische Flagge auf dem Gipfel des erloschenen Vulkans Suribachi aufstellen.
Drei dieser Männer, John „Doc“ Bradley (Ryan Phillippe), Ira Hayes (Adam Beach) und Rene Gagnon (Jesse Bradford), die die Schlacht überlebten, werden in die Heimat geschickt, wo sie durch das Bild längst als die „Helden von Iwo Jima“ stilisiert werden. Die Regierung braucht Geld, um den Krieg weiterzuführen, doch niemand will mehr Kriegsanleihen kaufen. Deshalb werden die „Helden“ auf Werbetour durch das Land geschickt, um den Siegeswillen der Amerikaner zu schüren und vor allem Geld einzutreiben.
„Doc“ (Ryan Phillippe), Ira (Adam Beach) und Rene (Jesse Bradford) auf ihrer Werbetour durch die USA.
Der für zwei Oscars nominierte Film „Flags of our Fathers“ von Clint Eastwood erzählt die Geschichte dieser drei Männer basierend auf dem Roman von James Bradley, dem Sohn von John „Doc“ Bradley, auf drei Zeitebenen. Er schildert die schockierenden und verstörenden fünf Wochen von Iwo Jima, die folgende Vereinnahmung der drei Helden durch die amerikanische Regierung und die Recherchen von James Bradley kurz vor dem Tod seines Vaters. Diese werden aber nicht chronologisch erzählt, sondern wechseln sich immer wieder ab. Was zu Beginn äußerst verwirrend ist, kristallisiert sich im Laufe des Films als einerseits beruhigend und andererseits schockierend heraus. Beruhigend wirkt es in der Hinsicht, dass die Kriegsszenen auf Iwo Jima nicht an einem Stück gezeigt werden, denn die Bilder sind nichts für schwache Nerven und erinnern mit den verwackelten Handkamerabildern und abgetrennten Gliedmaßen an die Eröffnungsszene aus „Der Soldat James Ryan“ von Steven Spielberg (der „Flags of our Fathers“ mitproduzierte).
Doch diese Bilder, die ohne Zwischensequenzen irgendwann abstumpfend wirken würden, werden durch Jubel-Trubel-Heiterkeits-Possen während der Werbetour noch schockierender und perverser. Es wird klar, dass die drei Überlebenden die Schlacht noch nicht mal ein kleines bisschen verarbeitet haben. Dazu kommt der unsensible Umgang der Regierung mit ihren Helden: eine Art Skulptur des berühmten Fotos aus Vanilleeis wird mit blutroter Erdbeersoße übergossen und beim Höhepunkt der Helden-Inszenierung sollen die drei in einem vollbesetzten Stadion auf einen Pappmaché-Berg klettern und dort erneut das Sternenbanner aufstellen. Jedes Blitzlicht eines Fotoapparats, jedes knallende Feuerwerk löst Erinnerungen an die Schlacht aus, die der Zuschauer als Rückblenden sieht.
Die dritte Zeitebene, die die Recherchen von James Bradley und die drei Männer in hohem Alter zeigt, macht klar, dass keiner von ihnen einen Vorteil aus der Glorifizierung gewinnen konnte. John Bradley schreckt noch immer nachts aus dem Schlaf hoch, nach einem Albtraum, der eigentlich kein Traum sondern schreckliche Erinnerung ist. Ira Hayes, der Indianer, verfällt dem Alkohol und landet im Gefängnis und Rene Gagnon erhält nach dem Krieg keine Arbeit, trotz der vielen Visitenkarten, die ihm während der Werbetour von wohlmeinenden Industriellen zugesteckt wurden.
Der Film ist rundum gut gemacht, die Schauspieler fügen sich in das Gesamtbild ein, ohne dass großartige Leistungen herausstechen und die Musik, für die wie bei „Mystic River“ und „Million Dollar Baby“ wieder Allround-Talent Eastwood verantwortlich zeichnet, lässt dann doch das eine oder andere Auge nicht trocken. „Flags of our Fathers“ ist äußerst sehenswert, aber kein Meisterwerk. Clint Eastwood entwickelte während der Recherchen für „Flags of our Fathers“ die Idee für einen zweiten Film, der die Schlacht aus Sicht der Japaner zeigt („Letters from Iwo Jima„). Vielleicht steckt die wirkliche Genialität erst in diesem „Gesamtwerk“, doch um das zu beurteilen muss bis zum 22. Februar, dem Deutschland-Start von „Letters from Iwo Jima“ (Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester Film“) abgewartet werden.
Fazit: Ambitioniertes Kriegsdrama, das mehr als nur Kampfszenen zeigen will. 7 von 10 Punkten.
Das berühmte Bild entsteht.
Die Marines landen auf Iwo Jima.
Sanitäter John „Doc“ Bradley (Ryan Phillippe) bringt die Verwundeten aus der Schusslinie.
Lena Stadelmann, 27. Januar 2007. Bilder: Warner.
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