Operation Walküre

Wenn ein amerikanischer Film über den 20. Juli 1944 gedreht wird, ist das ein empfindliches Thema. Empfindlich deshalb, weil das Stauffenberg-Attentat zu den wenigen Episoden des Zweiten Weltkriegs gehört, bei dem Deutsche nicht nur die Rolle der gewissenlosen Kriegsverbrecher, sondern auch ihre Gegner einnehmen. Jetzt ist Operation Walküre in den Kinos angelaufen. Bei dem Wirbel über Cruises Scientology-Mitgliedschaft, Originaldrehorte und Komparsenunfälle war es schwer, den neuen Film von Bryan Singer zu ignorieren. Ob der Film die ganze Aufregung wert war, darüber hat sich Sarah Böhlau eine Meinung gebildet.

Eine erste Info zum Film gibt’s in unserer Kurzkritik als Video, mehr erfahren Sie dann in der Kritik weiter unten.

Operation Walküre (Valkyrie).
Thriller/Kriegsdrama, USA 2008. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 121 Minuten. Deutscher Kinostart: 22. Januar 2009.
Mit: Tom Cruise, Kenneth Branagh, Bill Nighy, Tom Wilkinson, Carice van Houten, Thomas Kretschmann, Terence Stamp, David Bamber u.a. Regie: Bryan Singer. Drehbuch: Nathan Alexander und Christopher McQuarrie.

“Many saw evil. They dared to stop it.”

War alles halb so schlimm. Operation Walküre ist auf alle Fälle besser als sein Ruf und wenn man den ganzen historischen Ballast verdrängt, bleibt ein ordentlich gemachter Thriller, an dem kaum etwas auszusetzen ist.

Fangen wir gleich mit der Tatsache an, dass Regisseur Bryan Singer einen sensiblen Teil deutscher Geschichte aufgreift, mit den historischen Fakten teilweise nicht ganz korrekt umgeht und einen der bekanntesten deutschen Widerstandskämpfer (und wir haben ja nicht viele) von dem Aushängeschild einer Sekte spielen lässt. Drehbuch und Regie nehmen sich durchaus Freiheiten heraus, allerdings bleiben diese gerade noch so im erträglichen Rahmen. Am besten ärgert man sich einfach nicht, ignoriert den ganzen Kontext und genießt den Film. Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich ein Pflaster vom Unterarm abreißen: Vorher ist man nervös, aber wenn es vorbei ist und doch nicht so schmerzhaft war, ist man dankbar und sogar fast euphorisch. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass der Film hier bei uns bessere Kritiken bekommen hat als in den Staaten oder Großbritannien. Wir sind einfach alle erleichtert.

Und, Historie und Presserummel beiseite, als Thriller funktioniert Operation Walküre sogar ziemlich gut. Obwohl das unvermeidliche Ende der Operation bestens bekannt ist, krallt man doch vor Spannung die Fingernägel in die Lehnen des Kinosessels. Und handwerklich kann man kaum etwas aussetzen. Bryan Singer versieht arbeitet mit intelligentem Einsatz von Musik, ästhetischen Bildern in dunklen Farben und geschickten Kamerafahrten. Wenn man etwa Major Remer (Thomas Kretschmann) aus der Vogelperspektive durch ein Schwimmbad kraulen sieht, in dessen Boden die Fliesen ein gigantisches Hakenkreuz formen, dann ist das schon beeindruckend. Auch das Pathos hält sich in Grenzen, viel mehr als es bei einem vergleichbaren Film zu einem amerikanischen Thema gewesen wäre.

Der Cast ist beeindruckend und weist neben internationalen Schauspielern wie Kenneth Branagh und Bill Nighy auch den einen oder anderen Deutschen auf. Abstriche gibt es dafür bei der Charakterzeichnung. Die Akteure des 20. Juli werden teilweise in steife Stereotypen gepresst, die in der Handlung untergehen. Tom Cruises Stauffenberg wirkt ziemlich hölzern und dass die Hälfte der Widerstandskämpfer durch die Blume als inkompetente Feiglinge abgestempelt werden, ist auch ziemlich ärgerlich. So kommen die Putschisten erst durch Stauffenberg auf die Idee, sich Gedanken um die Zeit nach dem Mordanschlag zu machen. Hitler muss sterben, „Und was dann?“ provoziert er die Vollversammlung des Widerstands, die ihn angesichts dieser Frage ansehen wie eine Herde Rehe im Licht von Autoscheinwerfern. Völlig unorganisiert, der ganze Haufen. Sind ja auch schließlich Zivilisten.

Wie gut, dass Stauffenberg im Alleingang einen Plan entwickelt, dessen Idee ihm ausgerechnet beim Anblick seiner fröhlich zur Ritt der Walküre von Wagner umherspringenden Kinder kommt.Tja, wie drückt es Singers Film-Hitler (gespielt von David Bamber) so schön aus „Man kann den Nationalsozialismus nicht verstehen, wenn man Wagner nicht versteht.“ Bayreuth ist sicher entzückt.

Fazit: Nicht schlecht. 7 von 10 Punkten.


Stauffenberg (Cruise) verabschiedet sich von seiner Frau Nina (Carice von Houten).

Macht eine Pause von Shakespeare: Kenneth Branagh.
Sarah Böhlau, 26. Januar 2009. Bilder: Fox.


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