Regisseur Wolfgang Petersen steht zwar nicht unbedingt für qualitativ hochwertige und anspruchsvolle Filme, ein wirkliches Desaster hat er sich bisher aber dennoch nicht geleistet. Gibt es immer ein erstes Mal? Sarah Böhlau hat Petersens neuesten Film „Poseidon“ gesehen und beantwortet diese Frage.
Katastrophen-Action, USA 2006. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 98 Minuten.
Schauspieler: Kurt Russell, Josh Lucas, Richard Dreyfuss, Jacinda Barrett, Emmy Rossum, Mike Vogel, Mia Maestro, Jimmy Bennett, Freddy Rodriguez, Kevin Dillon u. a. Regie: Wolfgang Petersen, Drehbuch: Mark Protosevich.
Zum Ertränken
Silvesterabend: Friedlich tuckert der Luxusliner Poseidon auf dem Ozean, als ihn eine plötzlich aus dem Nichts auftauchende Riesenwelle erfasst und er umkippt. Diejenigen Passagiere, die den Zusammenstoß mit der Welle sowie die Explosion der Maschinen und durch die Gänge rasenden Feuerwalzen überlebt haben, sitzen nun im mit dem Kiel nach oben treibenden Schiff in der Falle.
Die meisten (noch) nicht ertrunkenen oder gegrillten Menschen befinden sich im Ballsaal des Schiffs. In der Hoffung auf schnelle Rettung wird vom Verlassen des vermeintlich sicheren Saals abgeraten. Eine Handvoll Menschen beschließt trotzdem, sich durch das sinkende Schiff nach oben zu schlagen, um durch die Öffnung bei den Schiffsschrauben nach draußen zu entkommen.
Die Gruppe wird geführt vom einzelgängerischen Berufsspieler Dylan (Josh Lucas) und dem Ex-New Yorker Bürgermeister Ramsey (Kurt Russel). Beiden wird zur besseren Untermalung ihrer gebrochender-Held-Tragik eine Vergangenheit bei der U.S. Armee bzw. New Yorker Feuerwehr verpasst.
Kein allzu langes neues Jahr für so Manchen.
Die Anhängsel sind dabei zunächst eine Mutter (Jacinda Barrett) mit ihrem Sohn, der ständig aus irgendwelchen abstrusen Situationen gerettet werden muss, der Architekt Nelson (Richard Dreyfuss) und ein Schiffskoch.
Nachdem die Gruppe dann noch Ramseys tief ausgeschnittene Teenie-Tochter (Emiliy Rossum) samt Verlobten, eine blinde Passagierin und den selbstherrlichen Aufreißer Lucky Larry aus der benachbarten Disco gerettet hat, ist die Runde komplett und der Spaß kann losgehen. Die Protagonisten müssen dabei unter anderem über wacklige Metallträger balancieren, unter brennendem Öl durchtauchen, durch enge Lüftungsschächte krabbeln und viel, viel schwimmen.
Und natürlich schaffen es nicht alle. Poseidon geht dabei nach dem altbewährten Prinzip vor, sich den mutigen Opfertod eines Helden für das Überleben der Gruppe erst für das letzte Drittel des Films aufzuheben und für den Anfang nur die ethnischen Minderheiten und unsympathischen Figuren zu opfern. Nett auch die unauffällig eingebaute Lektion über die Risiken übermäßigen Alkoholkonsums anhand des brutalen Endes von Lucky Larry.
„Poseidon“ ist in fast jeder Hinsicht unterdurchschnittlich: Die Figuren sind durch die Bank Stereotypen, die Handlung absolut vorhersehbar, die Dialoge selbst für dieses Genre zu platt.
Wie verzweifelt muss Kurt Russel gewesen sein, als er sich diese Hauptrolle aufschwatzen ließ? Da zudem ein alternder Actionstar allein keine Erfolgsgarantie mehr ist, wird Russel durch einen jüngeren Partner ergänzt, der besser aussieht und den unglaubwürdigen Stunts wenigstens einen Hauch von Glaubwürdigkeit zurück verleihen soll. Und in der Tat sind die schönen blauen Augen von Josh Lucas einer der wenigen Punkte, die man „Poseidon“ guten Gewissens anrechnen kann.
Und selbst die laue Story ist secound-, sogar third-hand: Der Katastrophenfilm-Dinosaurier „Poseidon Inferno“, die Verfilmung eines Romans von Ronald Neames, war seiner Zeit (1972) ein Kassenschlager und verführte Petersen wohl deshalb, seinen doch eigentlich nicht so schlechten Namen dafür herzugeben.
Das einzig Erstaunliche an Petersens wohl größtem Flop ist, dass er trotz größter Mängel nicht grundsätzlich langweilt. Da sich der Film nicht mit irgendwelchen Charakterhintergründen oder Flutwellenerklärungen aufhält, wird der Überlebenskampf der Protagonisten in einem schnellen Tempo erzählt und die dümmlichen Dialoge sorgen für ein ausreichendes Maß an unfreiwilliger Komik.
Fazit: Ungeschickter Versuch, an den Erfolg des Originals anzuknüpfen. 2 von 10 Punkten.
Der Ex-Soldat rettet alle: Dylan (Josh Lucas).
Dezimiert: die Protagonisten gehen den Bach runter.
Sarah Böhlau, 20. Juli 2006. Bilder: Warner.
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