Die Hit-Serie aus den USA mit den Traumquoten geht auch hier in die nächste Runde. Pro7 zeigt die dritte Staffel direkt im Anschluss an das dramatische Finale der zweiten Staffel. Grund genug, sich die Serie und ihre Erfolgsgeschichte etwas genauer anzuschauen.
Grey’s Anatomy
Krankenhausserie, USA 2005-?. Idee: Shonda Rhimes
Mit: Ellen Pompeo, Sandra Oh, Katherine Heigl, T.R. Knight, Justin Chambers, Chandra Wilson, James Pickens Jr., Isaiah Washington, Patrick Dempsey, Kate Walsh u.a.
Das Erfolgsrezept
„Grey’s Anatomy“ startete im März 2005 in den USA, also mitten in der Saison, und war auch nur als Lückenfüller gedacht. Die Serie wurde jedoch so ein großer Erfolg, dass nach der nur neun Episoden umfassenden ersten Staffel eine komplette zweite Staffel mit 27 Episoden folgte. Mittlerweile läuft in den USA die dritte Staffel mit konstant über 20 Millionen Zuschauern, sodass eine vierte Staffel schon bestellt ist. Außerdem gibt es (fast schon nicht mehr als solche zu bezeichnende) Gerüchte, dass es ein Spin-Off für die Figur der Addison Shepherd geben soll, für das schon Titel, Regisseur und Script-Writer („Grey’s Anatomy“-Schöpferin Shonda Rhimes) feststehen.
Angesichts dieses mustergültigen Serienverlaufs war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die deutschen Sender zugreifen würden. Am 14. März startete auf Pro7 die erste Staffel mit einer ziemlich konstanten Zuschauerzahl von einer Million. Die zweite Staffel, die seit September 2006 ausgestrahlt wurde, begann ebenfalls mit einer Million, steigerte sich jedoch so stark, dass eine Folge sogar die zwei Millionen-Grenze überschritt.
Die Frage ist: warum ist „Grey’s Anatomy“ so erfolgreich? Warum macht es so süchtig?
Zum einen sicher deshalb, weil trotz der weiblichen Hauptfigur sowohl für Männer als auch für Frauen genügend unterschiedliche Identifikationsfiguren vorhanden sind. Das geht sogar soweit, dass man auf der Homepage des Senders ABC einen Test machen kann, welcher der Ärztinnen man am Ähnlichsten ist. Hierbei werden zwar die Männer etwas außer Acht gelassen – aber dafür ist schließlich der Chef der Chirurgie ein Mann.
Das „Personal“ bleibt trotzdem in einem Rahmen, der Suchtpotential in sich trägt: ein, zwei Folgen reichen aus, um das Beziehungsgeflecht einigermaßen zu durchschauen. Allerdings liegt darin vielleicht eine eventuelle zukünftige Schwäche: kein Mensch will wunderbar funktionierende Beziehungen im Fernsehen sehen, denn sie sind langweilig. Es muss also in Beziehungen immer wieder irgendwelche Probleme geben, gleichzeitig darf aber niemand zu lange Single bleiben, ohne irgendeinen „love interest“ zu haben. Die Frage ist nun: wie lange kann die Spannung zwischen Meredith und McDreamy aufrechterhalten werden, ohne dass sie sich kriegen? Und wenn sie sich kriegen: was für Probleme soll man den beiden noch aufhalsen? Die Aufgabe der Drehbuchautoren liegt also darin, genügend Abwechslung in die Beziehungen zu bringen, ohne dabei allzu abwegig zu werden. Der Erfolg weiterer Staffeln wird davon abhängen, inwieweit hierbei ein richtiges Maß, eine Balance gehalten wird.
Der zweite Erfolgsgarant ist der Schauplatz: ein Krankenhaus. Das bietet einerseits einen schönen Rahmen für die und auch Abwechslung von den Beziehungsgeschichten, andererseits bringt es den gehörigen Anteil an Dramatik in die Serie, denn ehrlich: an welchem Arbeitsplatz kämpft man sonst ständig um Leben und Tod? Und das so stilvoll und mit so schönen, langen, unverständlichen Worten? Angenehm ist dabei, dass die Ärzte nicht als Götter in weiß dargestellt werden, sondern durchaus auch Patienten sterben und der anstrengende, an die Grenzen des menschlich Möglichen gehende Beruf eines Krankenhausarztes nicht beschönigend als angenehmer Job, sondern als Freizeit fressende, alle Aufmerksamkeit fordernde Berufung. Wie bezeichnend, dass es nur eine funktionierende Beziehung außerhalb des Krankenhauses gibt, und alle anderen entweder zwischen Krankenhauspersonal stattfinden oder aber heftig kriseln.
Trotz dieser Grundbausteine könnte die Serie ein Flop werden, wenn nicht das Drehbuch und der Aufbau der Episoden stimmig wären. Shonda Rhimes und ihre Autorenkollegen haben das richtige Maß gefunden zwischen relativ ruhigen Episoden, die mehr Platz für die Charaktere und Beziehungen lassen und den „Katastrophen“-Episoden, die zwar meistens auch einen Bezug zu den jeweiligen privaten Problemen haben, aber doch den nötigen Anteil an Blut, Reanimation und Spannung bieten, der eine Krankenhausserie ausmacht. Und wenn sie den Zuschauer richtig ärgern wollen, bauen sie die gemeinsten Cliffhanger ein, sodass die Woche zwischen den Episoden kaum auszuhalten ist. Denn was macht schließlich süchtiger als Spannung?
Die Story
„Grey’s Anatomy“ erzählt vom aufregenden und aufreibenden Berufsalltag von fünf Assistenzärzten am Seattle Grace Hospital. Frisch von der Uni sind 30-Stunden-Schichten keine Seltenheit, Freizeit gibt es so gut wie keine. Der Spezialbereich Chirurgie gilt als einer der anspruchsvollsten und schwierigsten, in dem sich nur die besten durchsetzen, weshalb die fünf jungen Ärzte alle Konzentration auf ihre Karrieren richten.
Dennoch kommt es zu Affären, Beziehungen, Freund- und Feindschaften, die immer wieder vor neue Herausforderungen beruflicher oder privater Natur gestellt werden.
Die erste Staffel:
Meredith verbringt vor ihrem ersten Tag einen One-Night-Stand mit einem Fremden, der sich später als ihr Chef Derek Sheperd herausstellt. Die beiden beginnen eine Beziehung, die durch die Ankunft von Dereks Ehefrau Addison in Seattle beendet wird. Meredith, die nichts davon wusste, dass Derek verheiratet ist, ist tief getroffen und hofft trotzdem, dass Derek seine Ehefrau, die ihn mit seinem besten Freund betrogen hat, verlassen wird und nicht sie.
Cristina beginnt eine Affäre mit Preston Burke, die jedoch schnell ernst wird, als sie entdeckt, dass sie schwanger ist und abtreiben möchte.
George, der vom ersten Tag in Meredith verliebt war, findet sich langsam mit der Beziehung zwischen Meredith und Derek ab und beginnt, mit einer der Krankenschwestern auszugehen, während sich auch zwischen Izzie und Alex etwas anbahnt. Doch als George Syphilis bekommt, stellt sich heraus, dass Alex auch eine Affäre mit der Krankenschwester hatte, was Georges Abneigung gegen ihn nur noch steigert.
Die zweite Staffel:
Derek entscheidet sich nach langem Hin- und Her schließlich dafür, seine Ehe zu retten und damit gegen Meredith. Diese ist am Boden zerstört und stürzt sich in eine Reihe von One-Night-Stands und geht schließlich sogar mit George ins Bett, was jedoch so schief geht, dass George zutiefst verletzt ist und wochenlang nicht mit Meredith spricht. Schließlich traut sich Meredith, wieder eine neue Beziehung einzugehen, und zwar mit Finn, dem Tierarzt ihres Hundes.
Die Beziehung von Derek und Addison kriselt auch nach Dereks Entscheidung immer noch, weil er ihr ihren Seitensprung nicht verzeihen kann und sich außerdem wirklich in Meredith verliebt hatte. Addison bemerkt, dass Dereks Gefühle für sie nicht so stark sind wie die Gefühle für Meredith, vor allem, nachdem sie sieht, wie eifersüchtig Derek auf die Beziehung zwischen Meredith und Finn reagiert.
Cristina bricht kurz vor ihrer Abtreibung zusammen, sie hatte eine Eileiterschwangerschaft, woraufhin ihr ein Eierstock entfernt werden muss. Burke, der nichts von der Schwangerschaft wusste, bekennt sich danach zu ihrer Beziehung und setzt auch Dr. Webber davon in Kenntnis. Cristina gibt ihre geliebte Eigenständigkeit schließlich soweit auf, dass sie bei Burke einzieht. Die Beziehung wird zum Schluss der Staffel noch mal auf eine harte Probe gestellt, als Burke bei einem Amoklauf schwer verletzt wird.
Izzie, die kurzzeitig eine Affäre mit Alex beginnt, kümmert sich intensiv um den herzkranken Patienten Denny Duquette, was Alex ein Dorn im Auge ist. Seine Befürchtungen bewahrheiten sich jedoch: Izzie verliebt sich in den charmanten Denny, der auf ein Spenderherz wartet. Um ihm das zu besorgen riskiert Izzie ihren Job und Dennys Leben, schafft es aber, dass er das Herz bekommt. Trotz der Transplantation stirbt Denny nach der OP an einem Schlaganfall, was Izzie dazu bringt, ihren Beruf aufzugeben.
George beginnt nach dem Fiasko mit Meredith eine Beziehung mit Callie Torres, die besonders von Izzie argwöhnisch beäugt wird. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten zeigt George, dass er zu Callie steht, doch ihr Liebesgeständnis kann er noch nicht erwidern.
Die Charaktere
Dr. Meredith Grey (Ellen Pompeo) ist die Tochter von Ellis Grey, einer berühmten Chirurgin, die früher selbst am Seattle Grace gearbeitet hat. Mittlerweile ist sie jedoch an Alzheimer erkrankt, womit Meredith nicht sehr gut umgehen kann. Ihre Eltern trennten sich nach einer Affäre ihrer Mutter, zu ihrem Vater, der mittlerweile eine neue Familie hat, hatte sie jahrelang keinen Kontakt mehr. Sie lebt im Haus ihrer Mutter mit ihren Kollegen Izzie und George zusammen. Fachlich ist sie eine der besten Assistenzärzte, mit einer ausgeglichenen Mischung aus Mitgefühl für die Patienten und Ehrgeiz, der sie jedoch nicht daran hindert, für die anderen Assistenzärzte da zu sein und ihnen zu helfen.
Dr. Cristina Yang (Sandra Oh) stammt aus Beverley Hills, wo ihre koreanische Mutter mit ihrem jüdischen Stiefvater, der auch Chirurg ist, lebt. Sie ist wahnsinnig ehrgeizig und kämpft skrupellos um die besten Operationen und Patienten. Dabei schießt sie manchmal über das Ziel hinaus, wird jedoch im Laufe der Staffeln zunehmend gegen ihren Willen weicher, zumindest was ihre Kollegialität angeht. Auch wenn sie nicht alles gutheißt, was die anderen Assistenzärzte beruflich oder privat machen, steht sie ihnen in Notlagen bei. Zu Meredith hat sie ein besonders enges Verhältnis und vertraut ihr auch ihre privatesten Geheimnisse an.
Dr. Izzie Stevens (Katherine Heigl) kommt aus ärmlichen Verhältnissen und musste ihr Studium durch Modeljobs finanzieren. Ihr größtes fachliches Problem ist die fehlende Distanz zu den Patienten, deren Schicksale sie viel zu nahe an sich heran lässt, was schließlich dazu führt, dass sie sich in einen herzkranken Patienten verliebt. Durch diese emotionale Einbindung verhält sie sich öfters unprofessionell und gefährdet sogar ihren Job damit. So nett und freundlich sie auch ist, hat sie doch durch ihre Kindheit in einer Wohnwagensiedlung gelernt, wie sie sich und ihre Kollegen verteidigen kann.
Dr. George O’Malley (T.R. Knight) ist der vierte Assistenzarzt, der der Ausbilderin Miranda Bailey zugewiesen wird. Vom ersten Tag an ist er in Meredith verliebt, traut sich jedoch nicht, ihr seine Gefühle zu gestehen und wird von ihr deshalb nur als guter Freund gesehen. George ist nett und zu allen freundlich und kümmert sich geradezu aufopferungsvoll um seine Patienten und Kollegen, allerdings sind seine Tollpatschigkeit und Unsicherheit ihm ab und zu im Weg.
Dr. Alex Karev (Justin Chambers) kommt erst verspätet ins Bailey-Team und ist deshalb von Anfang an der Außenseiter, was allerdings durch seine arrogante Haltung den Schwestern und Kollegen gegenüber begünstigt wird. Sein zuweilen zu selbstsicheres Verhalten in Patientensituationen hat schon zu manchem Fehler geführt, der in diesem Beruf weitreichende Konsequenzen hat. Während er sich langsam in die Gruppe integriert und zu Meredith eine Freundschaft aufbaut, fühlt er sich von Izzie auf ganz und gar nicht platonische Art angezogen.
Dr. Miranda Bailey (Chandra Wilson) ist die Ausbilderin der fünf und in dieser Funktion (gemäß ihrem Spitznamen „der Nazi“) äußerst herrisch und streng. Allerdings zeigt sie (zunehmend während ihrer Schwangerschaft und danach als Mutter) immer wieder ihre weiche Seite und viel Verständnis für die jungen Ärzte.
Dr. Derek Shepherd (Patrick Dempsey), auch „McDreamy“ genannt, fängt gleichzeitig mit den Assistenzärzten am Seattle Grace an, allerdings als Chef der Neurochirurgie. Fachlich ist er sowohl in medizinischer Hinsicht eine Koryphäe und auch im Umgang mit den Patienten sehr sensibel. Lediglich seine Beziehung mit Meredith wird im Krankenhaus alles andere als gern gesehen.
Dr. Preston Burke (Isaiah Washington) ist einer der führenden Herz-Thorax-Chirurgen und konkurriert mit Derek um die Stelle des Chefs der Chirurgie. Er ist im Berufsleben zu Kollegen und Patienten eher distanziert, privat ist er ein warmherziger Mensch, was sich vor allem zeigt, als er eine Beziehung mit der unzugänglichen Cristina anfängt.
Dr. Richard Webber (James Pickens Jr.) ist der Chef der gesamten Chirurgie. Er hat Derek an das Seattle Grace geholt, mit der Aussicht, ihn auf dem Chefarztposten zu beerben. Damit gibt er auch Preston den Anstoß, nicht nur genial zu operieren, sondern sich auch außerhalb des OPs zu engagieren und Zeit zu investieren. Richard kennt Meredith seit sie ein kleines Mädchen ist, da er mit ihrer Mutter Ellis gemeinsam Assistenzarzt war und auch später mit ihr zusammen am Seattle Grace gearbeitet hat. Die beiden hatten eine Affäre, doch während Ellis Grey ihren Mann verließ, blieb Richard bei seiner Frau und verfiel dem Alkohol.
Dr. Addison Montgomery-Shepherd (Kate Walsh) ist die Ehefrau von Derek Shepherd. Dieser verließ sie (und New York), nachdem er sie mit seinem besten Freund Mark im Bett erwischte. Dr. Webber holte Addison schließlich ans Seattle Grace in ihrer Eigenschaft als Neonatologie-Spezialistin, was zum vorläufigen Bruch zwischen Derek und Meredith führte. Addison blieb auf Bitten von Dr. Webber und um ihre Ehe zu retten in Seattle und arbeitet als Chirurgin in der Gynäkologie. Zu Anfang von den Assistenzärzten rund um Meredith gehasst, gewinnt sie doch durch ihre nette und intelligente Art zumindest einige Sympathien.
Dr. Callie Torres (Sara Ramirez) arbeitet als Chirurgin in der Orthopädie, wo sie eines Tages die Schulter von George O’Malley wieder einrenkt und sich in ihn verliebt. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten gehen die beiden eine Beziehung ein, was besonders von Izzie misstrauisch beäugt wird. Obwohl Callie sich nach außen hin als starke Frau gibt, verletzt es sie, dass George manchmal eher zu seinen Freunden als zu ihr hält.
Lena Stadelmann, 03. April 2007. Bilder: ABC.
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