Widerrechtliche Online-Durchsuchungen, ein immer dichteres Netz von Videoüberwachung und Nacktscanner. Der vor allem vom ehemaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in die Wege geleitete Überwachungsstaat ist nicht mehr fern. Eine deutsche Science-Fiction-Produktion erweitert das Szenario um Gehirnscanner. Marius Joa über die Miniserie Alpha 0.7.
Alpha 0.7 – Der Feind in dir
Science-Fiction/Miniserie Deutschland 2010. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 6 Folgen. Gesamtlaufzeit: ca. 150 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 14. November 2010.
Mit: Victoria Mayer, Anna Maria Mühe, Oliver Stritzel, Tobias Schenke, Arne Lenk, Thomas Huber, Rolf Kanies, Jella Haase, Bernd Gnann u.a. Idee: Sebastian Büttner und Oliver Hohengarten.
2017 – Die Gehirnscanner kommen
Johanna (Victoria Mayer) ist mit ihrem Mann Tom (Bernd Gnann), einem Anwalt, und ihrer 16jährigen Tochter Meike (Jella Haase) soeben von Berlin nach Stuttgart gezogen. Bei der Sicherheitsfirma Protecta tritt Johanna ihre Stelle als Controllerin an. Doch irgendwie scheint etwas nicht mit ihr zu stimmen. Seit kurzem leidet Johanna unter Kopfschmerzen und hat Halluzinationen sowie Gedächtnisprobleme. Außerdem wirkt ihr die neue Arbeitsstelle unheimlich. Was Johanna nicht ahnt: sie ist unfreiwillige Versuchsperson für ein Geheimprojekt des Neurologischen Pre-Crime-Centers (NPC), einer wissenschaftlichen Einrichtung des BKA, die für die Gehirnscannerentwicklung verantwortlich ist. Mithilfe der neuen Scanner sollen potenzielle Gewalttäter anhand ihrer Gehirnstruktur erkannt werden.
Das Aktionsbündnis APOLLON, unter Führung der jungen Mila (Anna Maria Mühe) und ihrem Freund Andreas (Tobias Schenke), stellt sich gegen die Gehirnscanner und sabotieren die erste Pressevorführung der neuen Erfindung. Von Sicherheitsleuten gejagt, entkommt Mila dank der unfreiwilligen Hilfe des Programmierers Ralf (Andre Lenk), der irgendwie in Zusammenhang mit Harald Rösler (Oliver Stritzel), einem der Projektleiter des NPC, steht. Rösler wird von seinen „Kollegen“ Spreemann (Thomas Huber) und Gonzoldt (Rolf Kanies) unter Druck gesetzt, um die Versuche mit „Alpha 0.7“ voranzutreiben. Denn in wenigen Tagen findet eine EU-Sicherheitskonferenz statt, bei denen die Brainscanner Hauptthema sind.
Seit 25 Jahren gibt der SWR jungen Nachwuchsfilmemachern mit der Reihe „Debüt im Dritten“ die Chance, potenzialträchtige Kurzfilme oder abendfüllende Spielfilme zu realisieren. Zum Jubiläum erhielt das transmediale Projekt Alpha 0.7 – Der Feind in dir der Autoren Sebastian Büttner und Oliver Hohengarten den Zuschlag. Das Kernstück, die sechsteilige Miniserie, wurde im Sommer 2010 in Stuttgart, hauptsächlich im Porsche-Museum, gedreht und am 14. November erstmals im Fernsehen ausgestrahlt. Das Projekt ist außerdem noch im Radio und in Web 2.0-Manier auch im Internet vertreten. Zentrales Thema aller drei Medienbereiche ist eine Zukunftsvision, in der ein Überwachungsstaat immer krassere Formen annimmt.
2017 arbeiten die Wissenschaftler des NPC eifrig daran, die Gehirnscanner für den alltäglichen Einsatz fertig zu stellen. Dabei schrecken sie keineswegs vor illegalen Mitteln zurück, wie die Manipulation der psychisch labilen Johanna Berger. Stuttgart im Jahre 2017, also keine ferne Zukunft, wird als kalte, sterile Welt inszeniert, mit allgegenwärtigen Überwachungskameras, grauen Metallklötzen und Glasbauten. Die Überwachungstechnologie ist soweit entwickelt, dass das Lokalisieren von flüchtigen Personen sogar durch deren Kleidung möglich ist. In so einer Atmosphäre ist es kein Wunder, dass die „ferngesteuerte“ Protagonistin unter berechtigtem Verfolgungswahn leidet. Diese Stimmung wird noch durch teilweise abgehackte Schnitte verstärkt.
Bei der gelungenen Inszenierung und dem mehr als aktuellen Thema ist es schade, dass Alpha 0.7 am Ende dann noch etwas substanzlos ist. Auch wenn aufgrund des stark begrenzten Budgets und der kurzen Zeit wohl nicht mehr möglich war, so hätte man als Zuschauer gern noch zwei oder drei Folgen zur besseren inhaltlichen Aufarbeitung der Story gesehen. Vor allem etwas mehr Erklärung über die Funktionsweise der Gehirnscanner wäre sinnvoll gewesen. Zeitweise wirkt die Handlung auch ein wenig reißerisch und das an sich gelungene Ende kommt zu schnell.
Schauspielerisch herausragend ist Victoria Mayer (Kommissar Stolberg) als Johanna Berger, deren familiäre Situation sehr unter ihren Problemen leidet. Die Rolle von Oliver Stritzel als Brainscanner-Operator ist auf subtile Art ambivalent angelegt, während seine Kollegen willentlich auch über Leichen gehen. Die Rolle der aus Tschechien stammenden jungen Aktivistin Mila spielt Anna Maria Mühe (Novemberkind, Tatort).
Auch wenn Alpha 0.7 inhaltlich nicht ganz überzeugen kann, so bleibt doch die Hoffnung, dass sich das deutsche Fernsehen in Zukunft endlich etwas Science-Fiction zutraut und nicht nur Krimis und TV-Komödien am Fließbrand produziert. Im Untergenre der realistischen Zukunftsvision könnte der Schlüssel zu weiteren Produktionen liegen.
Fazit: Beklemmende, realistische Zukunftsvision, leider inhaltlich aufgrund der kurzen Laufzeit etwas zu substanzlos. 7 von 10 Punkten.
DVD-Features
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: keine
Bonusmaterial
Spielfilmfassung (125 Min.)
Die DVD zu Alpha 0.7 erscheint am 28. Januar 2011.
Marius Joa, 12. Januar 2011. Bilder: SWR/Studio Hamburg.
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