Babylon Berlin

Berlin, 1929. Eine schillernde, geschäftigte Metropole. Doch auch ein Hort des Verbrechens und ein brodelner Vulkan politischer Unruhen. Auf Basis der Gereon-Rath-Romane von Autor Volker Kutscher schufen Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries die aufwändige Serie Babylon Berlin, die ein Jahr nach der Premiere im Pay-TV auch den Weg ins frei empfangbare Fernsehen fand…

Babylon Berlin
Krimiserie/Gesellschaftsdrama Deutschland 2017. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 16 Folgen (Staffel 1 und 2). Gesamtlänge: ca. 720 Minuten.
Mit: Volker Bruch, Liv Lisa Fries, Peter Kurth, Matthias Brandt, Leonie Benesch, Severija Janusauskaite, Lars Eidinger, Misel Maticevic, Fritzi Haberland, Karl Markovics, Jens Harzer, Ernst Stötzner, Jördis Triebel, Christian Friedel, Thomas Thieme, Denis Burgazliev, Ivan Shvedoff, Hannah Herzsprung u.v.a.
Nach dem Roman
Der nasse Fisch von Volker Kutscher. Drehbuch und Regie: Tom Tykwer, Hendrik Handloegten, Achim von Borries.

Asche, Staub, Zement und Klischees

1929. Der Kölner Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) verfolgt in Berlin gemeinsam mit dem erfahrenen Bruno Wolter (Peter Kurth) die Spur einer Verbrecherbande, die hochrangige Personen mit Pornofilmen erpresst. Dabei stößt der frühere Soldat, der im Ersten Weltkrieg seinen Bruder verlor und seitdem unter posttraumatischer Belastungsstörung leidet, die er mit Morphium behandelt, immer wieder auf den vom sogenannten Armenier (Misel Maticevic), einem lokalen Mafiaboss, geführten Nachtclub Moka Efti. In diesem schillernden Etablissements treibt sich auch immer wieder die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Stenotypistin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) herum. Die junge Frau strebt eine Karriere als Kriminalassistentin an. Neues Unheil naht in Gestalt eines Güterzuges aus Russland, der auf dem Weg nach Deutschland von Trotzki-Anhängern überfallen wird, in deren Reihen auch der Starviolonist Alexej Kardakow (Ivan Shvedoff) und seine Geliebte Swetlana Sorokina (Severija Janusauskaite), die wiederum als Sänger Nikoros im Moka Efti auftritt, aktiv sind…

 Kommissar Rath und Regierungsrat Benda

Babylon Berlin ist mit einem Budget von 40 Millionen Euro für die 16 Folgen der ersten beiden Staffeln nicht nur eine oder vielleicht die aufwändigste nichtenglischsprachige Serie bisher, sondern erfüllt auch ansonsten alle Kriterien eines Mammutprojekts vom Format einer HBO-Produktion (Rom, Game of Thrones). Über 180 Tage dauerten die Dreharbeiten an 300 Schauplätzen im Jahr 2016, wobei jeder der Regisseure und Co-Autoren, Tykwer, Handloegten und von Borries, je eines der drei parallel arbeitenden Drehteams anführte. Die Außenkulisse „Neue Berliner Straße entstand in den Babelsberg Filmstudios aus 500 Tonnen Stahl. Für die 200 Schauspieler mit Sprechrollen sowie Komparsen und Statisten wurden 4.000 Kostüme benötigt, von denen 500 extra angefertigt wurden. 2.500 Stunden Drehmaterial mussten beim Schnitt auf 12 Stunden Gesamtlaufzeit reduziert werden. Schließlich wurde Babylon Berlin in 160 Ländern verkauft. Eine so große Reichweite wurde 2017 nur von einer anderen deutschen Fernsehserie übertroffen, Dark, welche dank des Vertriebs über Netflix in 190 Ländern gestreamt werden kann.

Besser produktionstechnische Voraussetzung könnte also eine deutsche Eventserie nicht haben. Das Autoren-/Regie-Trio beschränkt sich auch keineswegs darauf, nur einen Krimiplot in schickem Roaring-Twenties-Ambiente zu erzählen. Stattdessen inszenieren sie in sechzehn Episoden eine streckenweise rauschhafte Gesellschaftsstudie kurz vor der Weltwirtschaftskrise und am Vorabend der Nazi-Diktatur. Berlin im Jahre 1929 fungiert als Metropole der krassen Gegensätze. Luxuriöse Dekadenz und bitterstes Elend existieren Tür an Tür, während die fragile Weimarer Republik sowohl von extremen rechten als auch extremen linken Kräften bedroht wird.

Leider vergaloppiert man sich auf der Zielgeraden dann aber ziemlich. Zwar wirken im Finale der zweiten Staffel die diversen Handlungsstränge auf spannende Weise zusammen, aber der eher realistische Tonfall geht ziemlich verloren. So überleben zwei Charaktere eine ca. 45 Minuten lange unfreiwillige Taucheinheit und eine reißerische Eisenbahn-Heist wird eingefügt, die aus einem schlechten Indiana Jones-Epigonenstreifen stammen könnte. Am Ende der 16. Episode serviert und das Drehbuch auch noch einen finalen Twist, der vermutlich total genial sein soll, aus meiner Sicht aber einfach peinlich und an den Haaren herbeigezogen wirkt. Schade, dass der Serie im Endspurt dramaturgisch teilweise die Luft ausgeht.

Nach Free-TV-Ausstrahlung im Ersten sind Staffel 1 am 5. Oktober 2018 und Staffel 2 am 19. Oktober 2018 auf DVD bzw. BluRay erschienen. Seit Herbst diesen Jahres und noch voraussichtlich bis Mai 2019 wird derzeit die dritte Staffel mit 12 Folgen gedreht. Bei Sky wird diese wohl Ende 2019, in der ARD im Herbst 2020 gesendet.

Fazit: In den ersten beiden Staffeln gelingt dem Autoren-/Regie-Trio Tykwer, Handloegten und von Borries über weite Strecken eine spannend-schillernde Mischung aus Krimi und Millieustudie, die allerdings mit teils reißerischen Elementen sowie einem schlecht konstruierten Schlusspunkt zu kämpfen hat. 7 von 10 Punkten.

 


Charlotte Ritter
Party im Moka Efti
Die schwarze Reichswehr
Unruhen in Berlin
Gräfin Sorokina

Marius Joa, 29. Dezember 2018. Bilder: Sky/ARD.

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