Als letzter Film des 42. Internationalen Filmwochenendes in Würzburg wurde das Nachtclub-Drama Bizarre von Regisseur Étienne Faure aufgeführt. Ein geheimnisvoller, junger Außenseiter findet seinen Platz im Team des titelgebenden Etablissements in Brooklyn.
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Bizarre
Drama Frankreich/USA 2015. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 98 Minuten.
Mit: Pierre Prieur, Adrian James, Raquel Nave, Rebekah Underhill, Charlie Himmelstein u.v.a. Drehbuch und Regie: Étienne Faure.
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There was a boy
Nachdem er sein Heimatland Frankreich verlassen hat, hält sich der junge Außenseiter Maurice mit Gelegenheitsjobs im New Yorker Stadtteil Brooklyn über Wasser. Nachts schläft er in geparkten Autos oder auf der Straße. Seine Freizeit verbringt Maurice in einem Boxclub, wo er seinen Körper trainiert. Zufällig trifft er auf Betty (Rebekah Underhill), die gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Kim (Raquel Nave) den in der Gegend angesagten Nachtclub „Bizarre“ betreibt. Betty und Kim geben ihm Arbeit in der Bar und nehmen ihn in die gemeinsame Wohnung auf. Maurice findet dort ein Zuhause und lernt den androgynen Luka (Adrian James) kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich allmähliche eine zarte Freundschaft, wobei Luka mehr für Maurice empfindet als umgekehrt. Als eines Tages ein mysteriöser Mann im Club auftaucht, ist der junge Franzose nicht mehr wieder zu erkennen…
Zweifelsohne gibt Autor und Regisseur Étienne Faure (Bis an die Grenzen, Chaos) seinem vierten Spielfilm dokumentarische Rahmenbedingungen. Zu Anfangs erklärt Protagonist Maurice, dass er zwar Franzose sei, aber der Regisseur darauf bestehe, dass er Englisch spreche. Die Kamera ist zudem immer ganz nah an den Schauspielern. Dennoch wirken die Figuren, allen voran die Hauptfigur, geheimnisvoll, verschlossen, irgendwie unnahbar. Die Belegschaft des „Bizarre“ nehmen den jungen Außenseiter in ihre Familie auf, ohne Fragen über seine Herkunft zu stellen. Sowohl die Bar-Betreiber um Betty und Kim als auch die diversen Performer auf der Underground-Bühne zelebrieren ihre Andersartigkeit, ihre sexuelle Selbstbestimmung. Die sich langsam anbahnende Annäherung an Luka (der zwischenzeitlich im Glitzerkleidchen den Klassiker „Smile“ zum Besten gibt) erzählt Faure ohne viel Dialog und oft durch Szenen/Sequenzen mit Musikuntermalung in verschiedenen Stilrichtungen.
Bizarr sind die immer wieder eingeschobenen Montagen der Shows im Keller. Groteske, verstörende Auftritte von Strippern und Körperkünstlern aller Art. Ein kleinwüchsiger Inder, der halbnackt ihm Rollstuhl sitzend Ukulele spielt, ein Kontergan-Geschädigter, der mit seinem Kopf Holzbretter entzweihaut, auf denen Begriffe wie „Rassismus“ und „Homophobie“ stehen und sich von Freiwilligen in den Bauch boxen lässt. Der hier gezeigte Club macht seinem Namen alle Ehre und wirkt vor allem durch seine Freakshow-Vorführungen wie eine postmoderne Mischung aus Moulin Rouge und dem Théâtre du Grand Guignol in Paris. Wobei auch das Unterwelt-Setting und die Rolle von Maurice als „very strange enchanted boy“ (Zitat aus dem Song Nature Boy) Baz Luhrmanns furiosem Filmmusical Moulin Rouge thematisch sehr nahe stehen.
Bizarre lief im Rahmen der Reihe Panorama auf der Berlinale 2015 und ist seit 24. November 2015 in der englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln auf DVD erhältlich.
Fazit: Bizarre von Etienne Faure erzählt experimentell und behutsam eine queere Liebesgeschichte, kombiniert mit teilweise verstörenden Performances des echten New Yorker Nachtclubs. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 3. Februar 2016. Bilder: Edition Salzgeber.
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