Bram Stoker’s Dracula (1992)

Welcher Film bietet sich besser an, um den diesjährigen Horroctober zu beschließen als Francis Ford Coppolas Adaption von Bram Stokers legendärem Roman Dracula?


Bram Stoker’s Dracula
Horrorfilm USA 1992. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 127 Minuten (BluRay). Kinostart: 11. Februar 1993.
Mit: Gary Oldman, Winona Ryder, Anthony Hopkins, Keanu Reeves, Richard E. Grant, Cary Elwes, Billy Campbell, Sadie Frost, Tom Waits u.a. Regie: Francis Ford Coppola. Drehbuch: James V. Hart. Nach dem Roman von Bram Stoker.

 


Grandioser Gothic-Horror

Transsylvanien, 1462. Fürst Vlad Draculea (Gary Oldman) kehrt von einer erfolgreichen Schlacht gegen die Osmanen zurück. Durch eine Intrige hat sich seine geliebte Ehefrau Elisabeta (Winona Ryder) das Leben genommen. Weil sie nun als Selbstmörderin verdammt ist schwört Vlad dem Christentum ab und verflucht Gott. 435 Jahre später reist der junge Anwalt Jonathan Harker (Keanu Reeves) nach Transsylvanien, um mit einem gewissen Graf Dracula (Gary Oldman) den Kauf mehrerer Grundstücke in London abzuschließen. Als Dracula ein Bild von Jonathans Verlobter Mina Murray (Winona Ryder) erblickt, erkennt der Graf seine verstorbene Gattin wieder. Unter einem Vorwand hält Dracula Harker einen Monat in seiner Burg fest. Mina lebt bei ihrer reichen Freundin Lucy Westenra (Sadie Frost), wo sie sehnlichst auf Jonathans Rückkehr wartet. Lucy wiederum hat mit dem Arzt Dr. Jack Seward (Richard E. Grant), dem Texaner Quince P. Morris (Billy Campbell) und dem Adeligen Lord Arthur Holmwood (Cary Elwes) gleich drei potenzielle Partner in Aussicht. Da trifft Mina auf einen geheimnisvollen Mann (Gary Oldman), der sich ihr als Prinz Vlad vorstellt, und zu welchem sich die junge Frau auf seltsame Art hingezogen fühlt. Unterdessen beginnt Lucy an einer mysteriösen Krankheit zu leiden, deren Symptome Blutverlust und Alpträume sind. Seward zieht seinen Mentor, den erfahrenen Professor Abraham Van Helsing (Anthony Hopkins), zu Rate. Van Helsing erkennt schnell, dass hier ein Vampir sein Unwesen treibt…

Mit seinem Roman Dracula, erschienen 1897, etablierte der irische Schriftsteller Bram Stoker (1847-1992) den modernen Mythos des finsteren Blutsaugers. Unzählige Male wurden das Werk oder Motive daraus verfilmt, zuletzt als dreiteilige Miniserie von den Sherlock-Machern Steven Moffat und Mark Gatiss. Auf Basis eines Drehbuchs von James V. Hart (Hook) drehte Francis Ford Coppola (Der Pate) Anfang der 1990er unter dem schlichten Titel Bram Stoker’s Dracula eine besondere Version, die ich aus aktuellem Anlass zum ersten Mal angesehen habe.

Bei all den verschiedenen Ansätzen dürfte es vermutlich schwierig sein, sich auf eine definitive Filmversion der Vorlage zu einigen. Doch dürfte Coppolas Film einem perfekten „Dracula“ aus meiner Sicht wahrlich nahe gekommen sein. Denn hier stimmt einfach fast alles, vor allem in ästhetischer Hinsicht. Mit stimmungsvoller Beleuchtung, auffälligen Schattenspielen und genialen Überblendungen bzw. Szenenübergängen erzeugt der Film eine wundervolle düstere Atmosphäre. Außerdem glänzt „Dracula“ mit überaus plastischem Makeup und Prosthetic-Effekten, fast ausschließlich bei den diversen Gestalten seiner Titelfigur. Der polnische Komponist Wojciech Kilar (1932-2013) hat dazu einen im besten Sinne altmodisch-epischen Score geschaffen, inklusive „special vocal performances“ von der amerikanischen Ausnahme-Vokalistin Diamanda Galás. Obwohl sich die Handlung in London und Transsylvanien abspielt, fanden die Dreharbeiten komplett im Studio in Kalifornien statt. Vor allem durch den geschickten Einsatz von Miniaturen und anderen Kameratricks wird eine fassbare und gleichzeitig entrückte Welt erschaffen, voller dunkler Vorahnungen.

Die Seele des Film ist natürlich Gary Oldman (damals erst 33, 34 Jahre jung) in der Rolle des Vampirfürsten, der hier nicht als totales Ungeheuer dargestellt wird, sondern als tiefgründige Figur. Winona Ryder spielt mit Mina nicht nur eine Art „Wiedergeburt“ von Draculas verblichener großer Liebe, sondern auch eine Frau hin- und hergerissen zwischen den Beschränkungen ihrer Zeit und ihrer aufkommenden Sexualität. Da passt es irgendwie ins Bild, dass Keanu Reeves als Minas Verlobter Jonathan Harker so vergleichsweise farblos wirkt, bildet er als langweiliger, steifer Engländer doch den Gegenpol zum charismatischen, leidenschaftlichen Vlad. Dazu komplettieren Anthony Hopkins als seltsamer Van Helsing, Musiker Tom Waits als völlig durchgeknallter Renfield, Sadie Frost als sexuell selbstbewusste Lucy, sowie Richard E. Grant als Dr. Seward, Billy Campbell (The 4400) als Quincey Morris und Cary Elwes (Die Braut des Prinzen, Robin Hood – Helden in Strumpfhosen) als Lord Holmwood ein insgesamt starkes Ensemble. Den Titelsong Lovesong for a Vampire schrieb und performte Annie Lennox, die für mich damals wie ein Vampir aussah.

Bram Stoker’s Dracula ist auf DVD und BluRay erhältlich sowie bei einigen Streaminganbietern abrufbar.

Fazit: Künstlerisch äußerst hochwertige, meisterhafte Verfilmung, die unter den unzähligen Adaptionen des bekannten Romans hervorsticht. Vermutlich die beste Film-Version. 10 von 10 Punkten.

 

 

Marius Joa, 31. Oktober 2020. Bilder: Sony.

 

 

 


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