Wie wäre es mal wieder mit einer richtig gelungenen, intelligent konzipierten TV-Serie? Bitte sehr: Die US-Serie Chuck erzählt die Geschichte eines liebenswerten Versagers, dessen Gehirn durch eine einzige Email zum Speicherplatz abertausender Regierungsgeheimnisse umfunktioniert wird. Klingt durchgeknallt? Ist es auch. Aber trotzdem toll.
Chuck. Action/Comedy, USA seit 2007.
Mit: Zachary Levi, Adam Baldwin, Yvonne Strahovski, Ryan McPartlin, Sarah Lancaster. Idee & Konzeption: Josh Schwartz. Sender: NBC.
E-Mail für dich
Chuck Bartowski (Zachary Levi) ist Titelheld seiner eigenen Fernsehserie. Lassen wir ihn kurz selbst erklären, warum:
“Hi. My name is Charles Bartowski. But you can call me Chuck.
This is my life. It’s filled with spies, car chasings, computer-stealing Ninjas and me saving the day.
Oh wait, I need to go back.
I work at the BuyMore. It used to be pretty boring.
You see, everything changed when I got an email from my old college buddy Bryce Larkin. Bryce has been working for the CIA when he stole a whole bunch of government secrets. Big, important secrets, really scary nasty getting-killed-for-having-them secrets.
Next thing I know, these super secrets are downloaded into my brain.
Which means every moment of my life is in danger.
The NSA send their top agent to protect me: That’s Casey (he’s pretty scary).
He works at BuyMore now as a cover. So now I must defend the county from assasins, terrorists … and shop-lifters.
The CIA send their top agent, too.
She told me to trust her, but just like any woman, she’s got a past.
Aaaand she’s posing as my girlfriend.”
Um es etwas näher auszuführen: Chuck ist Single und lebt zusammen mit seiner Schwester (Sarah Lancaster) und deren Freund Devon alias Captain Awesome (Ryan McPartlin) in einem Appartment. Er arbeitet bei dem großen Elektrofachhandel „BuyMore“ als Chef der technischen Serviceabteilung, die den schönen Namen „Nerd Herd“ (=„Streber-Herde“) trägt. In seiner Freizeit spielt er mit seinem besten Freund Morgan (Joshua Gomez) Computerspiele. Kurz: er ist ein ziemlicher Versager.
Ursprünglich sah Chucks Lebensplanung ganz passabel aus: Er studierte an der Eliteuni Stanford und plante eine glänzende Zukunft als Softwaremillionär. Aber sein Zimmergenosse Bryce Larkin (Matthew Bomer) spannte ihm die Freundin aus und sorgte dafür, dass Chuck wegen angeblich gefälschter Prüfungsergebnisse von der Uni flog. Fünf Jahre sind inzwischen vergangen und noch immer ist Chuck nicht in der Lage, sein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen.
Was Chuck nicht weiß: Eben jener Bryce Larkin ist inzwischen CIA-Topagent und hat der Regierung gerade etwas ziemlich wichtiges, unglaublich geheimes und extrem gefährliches gestohlen: Eine riesige Datenbank, in die alle Geheimnisse der drei großen Nachrichtendienste Amerikas (CIA, FBI und NSA) erstmals zusammen erfasst sind. Und aus unerfindlichen Gründen schickt Doppelagent Larkin diese Datenbank per Email ausgerechnet an Chuck. Als dieser die Email öffnet, flimmern tausende von Bildern über den Bildschirm, in denen die Informationen codiert sind und auf diese Weise in Chucks Gehirn gespeichert werden. Und da Bryce das Original gesprengt hat (bevor der erschossen wurde) und Chucks Computer bei einem missglückten Diebstahlsversuch der CIA zerstört, wird ist die einzige Kopie der Datenbank nun – Chuck Bartowski.
Da sein Leben für die US-Regierung auf einmal ziemlich wertvoll geworden ist, bekommt Chuck zwei Agenten als Aufpasser zugeteilt: Den wortkargen „cold school“ NSA-Killer John Casey (Adam Baldwin) und die geheimnisvolle CIA-Agentin Sarah Walker (Yvonne Strahovski), in die sich Chuck unverzüglich unglücklich verliebt. Immerhin: Die attraktive Sarah gibt sich zur Tarnung als seine Freundin aus, was ihm neidische Kollegen und eine stolze Schwester einbringt. Aber seine neue Aufgabe als Speicherplatz von Regierungsgeheimnissen und den damit zusammenhängenden kuriosen Situationen und gefährlichen Außeneinsätzen macht Chucks Privatleben trotzdem nicht unbedingt leichter.
Klingt nach einer nicht allzu innovativen Serienidee? Keineswegs: Hinter der simpel wirkenden Konzeption verbirgt sich ein geniales Drehbuch voller Wortwitz und liebevoller Anspielungen. US-Serienschöpfer Josh Schwartz fährt in der aktuellen TV-Saison zweigleisig: Während das Hochglanz-Teenie-Drama Gossip Girl den Platz seines vorherigen Quotenerfolgs The O.C. einnimmt, wagt er sich mit Chuck an eine noch völlig unerprobte Genrekombination. Die Serie lässt sich nach Schwartz eigenen Worten am besten als Mischung aus Alias und The Office (der amerikanischen Vorlage von Stromberg) bezeichnen. Will heißen: Chuck besteht zu gleich großen Teilen aus einer klassischen Agenten-Actionserie und einer bissigen Büro-Satire. Für den armen Chuck bedeutet dies eine Doppelbelastung: Draußen auf der Straße müssen Terroristen gejagt und Bomben entschärft werden, drinnen im BuyMore muss er sich dem täglichen Irrsinn seiner „Nerds“ und den betriebsinternen Intrigen stellen. Glücklicherweise ist der Mann multitasking-fähig.
Und während auf der Handlungsebene das Böse (in Form von einerseits des organisierten Verbrechens und andererseits des unfairen BuyMore Unterabteilungsleiters) bekämpft wird, wird hintergründig mit Stilmitteln experimentiert und Filmgenres durch den Kakao gezogen. In jeder Folge gibt es einen Handlungsstrang, in dem ein bedeutender Film bzw. ein Filmgenre aufgegriffen wird. In „Chuck Versus the Undercover Lover“ wird beispielsweise Casablanca aufs Korn genommen („Casey, ich glaube das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“) und bei „Chuck Versus the Wookie“ ist es James Bond. Oder aber in der Folge „Chuck Versus The Nemesis“ lehnt sich Chucks bester Freund und Arbeitskollege Morgan gegen die Schreckensherrschaft des Unterabteilungsleiters Harry Chang auf, indem er dessen Machtsymbol an sich bringt, die Generalfernsteuerung für alle LCD-Fernseher des Ladens („Eine Fernsteuerung, sie alle zu knechten“). Neben zahlreichen Herr der Ringe Anspielungen im Text läuft außerdem in den entsprechenden Szenen der Filmsoundtrack im Hintergrund.
Daneben stehen Bezüge und Anspielungen auf Bücher (z. Bsp. Frank Herberts „Dune – Der Wüstenplanet“ in „Chuck Versus the Sandworm“) Computerspiele und vor allem andere Fernsehserien: So ist eines der Geheimnisse in Chucks Gehirn die Wahrheit über den Absturz der Passagiermaschine in Lost, Adam Baldwin darf mit einigen Textzeilen auf seine Rolle als Waffenfanatiker Jayne in Firefly verweisen und The O.C. Darstellerin Rachel Bilson hat einen Zwei-Episoden-Auftritt als niedliche Sandwichverkäuferin.
Handlungsverlauf und Cast der Serie sind überschaubar. Während Serien wie Lost oder Heroes mit Dutzenden von Charakteren jonglieren, konzentriert sich Chuck auf die Hauptfigur und die Probleme seines neuen Lebens als wandelndes Regierungsgeheimnis. Kopf hoch, Chuck! Das haben vor dir noch ganz andere geschafft!
Dem gerade beendeten Drehbuchautorenstreik ist es zu verdanken, dass sich die erste Staffel Chuck leider auf 13 Folgen beschränkt. In den USA lief die Serie anfangs schleppend an, entwickelte sich dann aber zu einem Geheimtipp und fährt inzwischen so solide Quoten ein, dass eine zweite Staffel sehr wahrscheinlich ist. Wann Chuck und sein mit Regierungsgeheimnissen vollgepumpter Kopf den Weg nach Deutschland finden, ist noch nicht klar. Also nicht warten, sondern lieber auf DVD oder TV-Link (z. Bsp. über iTunes oder amazon.com) genießen. Aber da der hintergründige Wortwitz der Serie einen großen Teil ihrer Anziehungskraft ausmacht, verliert Chuck sicher in der deutschen Synchronisation einiges von seinem Reiz. Bereits Heroes wurde bei uns wegen der Sychronisation und der Verbannung auf einen miesen Sender nicht der selbe überwältigende Quotenerfolg wie in den USA.
Man kann es nur immer wieder betonen: Die TV-Serien, die in den letzten Jahren aus Amerika kommen, werden einfach immer besser. Chuck gliedert sich mühelos in die Reihe hochwertiger Formate wie Lost, Prison Break, 24, Grey’s Anatomy, Heroes oder How I Met your Mother ein und ist ein wirklich sehensertes Stück Fernsehunterhaltung. Und wer den gutherzigen Chuck nicht sofort lieb gewinnt, hat ein Herz aus Stein! Wie Bryce Larkin so treffend prophezeiht: “The next millenium belongs to the geek!“
Fazit: Interessante Mischung, intelligent und witzig umgesetzt. 9 von 10 Punkten.
Spion in Ausbildung: Chuck.
Morgan, Ellie, Casey, Chuck und Sarah (v. l.).
Sarah Böhlau, 13. März 2008. Bilder: NBC
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