2013 veröffentlichte Wong Kar-Wai die Martial-Arts-Biografie The Grandmaster, über den legendären Ip Man. Doch frühere Filme machten den chinesischen Ausnahmeregisseur bekannt, darunter das minimalistische Drama Days Of Being Wild.
—
Days Of Being Wild (A Fei Jingjyuhn)
Liebesdrama Hongkong 1990. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 90 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Leslie Cheung, Andy Lau, Maggie Cheung, Carina Lau, Rebecca Pan, Jacky Cheung u.a. Regie: Wong Kar-Wai.
Nacht der verlorenen Seelen
Hongkong, 1960. Der junge Yuddy (Leslie Cheung) lebt ziellos in den Tag hinein. Seine Beziehungen mit Frauen halten nicht lange, denn bevor es ernst wird, zieht Yuddy die Reißleine. Auch Su Li Zhen (Maggie Cheung), eine junge Verkäuferin, muss dies auf schmerzliche Weise erfahren. Ihre „Nachfolgerin“ ist die launische Nachtclubtänzerin Lulu aka Mimi (Carina Lau), auf die auch Yuddys bester Freund Zeb (Jackie Cheung) ein Auge geworfen hat. Um ihren Trennungsschmerz zu überwinden, verbringt Li Zhen ihre Nächte in der Nähe von Yuddys Wohnung. Dort trifft sie auf den freundlichen Wachmann Tide (Andy Lau), der ihr durch viele Gespräche zu helfen versucht. Und da wäre noch die ehemalige Kurtisane Rebecca (Rebecca Pan), die Yuddy wie ihr eigenes Kind aufzog, ihm aber die Identität seiner leiblichen Eltern vorenthält…
Yuddy und seine neue Flamme
Unerfüllte Liebe, Einsamkeit, die moderne Zeit. Das sind die Hauptmotive des Werkes von Wong Kar-Wai, einem der prägenden Filmemacher aus dem Reich der Mitte. Bereits in seiner Regiearbeit Days Of Being Wild von 1990 sind die typischen Elemente, Versatzstücke, Charaktere und Darsteller seiner späteren Werke vorhanden, die in späteren Filmen noch mehrfach aufgegriffen werden.
Zu keiner Zeit geht es hier um sexuelle Ausschweifungen oder Alkoholexzesse, auch wenn der Titel das vermuten lässt. Stattdessen ist das zentrale Thema die seelische Verwahrlosung der Charaktere. Womanizer Yuddy ist ohne intakte Familie aufgewachsen und ist daher unfähig selbst ernsthafte Bindungen einzugehen, weder mit der lebhaften Tänzerin Mimi/Lulu noch mit ihrer Vorgängerin Su Li Zhen. Li Zhen verzweifelt fast an der Trennung, lauert nächtelang vor Yuddys Haus. Dort trifft sie auf den Wachmann Tide, der seinen Traum vom Leben als Seemann aufgegeben hat, um für seine kranke Mutter da zu sein. Und dann ist da noch Zeb, der mit Yuddy befreundet ist und ihn bewundert. Als Yuddy auf die Philippinen verreist, um seine leibliche Mutter zu finden, versucht Zeb in seine Fußstapfen zu treten, die freilich zu groß sind.
Fast während der gesamten Laufzeit des Films ist es Nacht, was die Stimmung und Verwahrlosung der Figuren noch betont. Erst als Yuddy gegen Ende auf den Philippinen seine Mutter sucht, gibt es wenige Szenen mit Tageslicht. Obwohl sich Wong Kar-Wai typischerweise einem wirklichen Handlungsbogen verweigert, bringt er die Geschichte hier zu einem recht runden Schlusspunkt.
In seiner Rezension auf Filmstarts.de trifft Christian Horn den Nagel auf den Kopf, wenn er Days Of Being Wild als „Blaupause für das bisherige Oeuvre Wong Kar-wais“bezeichnet. Vor allem die motivischen Verknüpfungen zu In The Mood For Love (2000) und 2046 (2004), mit welchen Days Of Being Wild eine Art Trilogie bildet, sind auffällig. Dort gibt es ebenfalls eine Frau namens Su Li Zhen (auch gespielt von Maggie Cheung). Beide Nachfolgefilme spielen in den 1960er Jahren und entsprechend überschneiden sie sich auch musikalisch. Etwas aus dem Zusammenhang gerissen wirkt die letzte Szene, in welcher sich ein Mann (Tony Leung Chiu Wai) fürs Ausgehen zurechtmacht. Dieser feine Herr ist wohl niemand Geringeres als der Protagonist von In The Mood For Love und 2046.
Fazit: Days Of Being Wild ist dramaturgisch sehr minimalistisch, transportiert aber wirkungsvoll die Verlorenheit seiner Figuren. Die inhaltlichen und motivischen Verknüpfungen zu In The Mood For Love und 2046 sind deutlich erkennbar. 7 von 10 Punkten.
—
Schreibe einen Kommentar