Der Herr der Ringe: Die Gefährten (Extended Edition)

Vor 17 Jahren begann meine „Karriere“ als Hobbyfilmkritiker mit der zugebenermaßen nicht sehr kritischen Rezension zu Der Herr der Ringe: Die Gefährten. Anlässlich einer Aufführung der „Extended Edition“ im Kino habe ich mir diesen Film seit langem wieder einmal angesehen.

Der Herr der Ringe: Die Gefährten – Special Extended Edition
(The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring – Special Extended Edition)
Fantasyepos Neuseeland, USA 2001. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 201 Minuten * (PAL-DVD).
Mit: Elijah Wood, Ian McKellen, Sean Astin, Viggo Mortensen, Billy Boyd, Dominic Monaghan, John Rhys-Davies, Orlando Bloom, Sean Bean, Cate Blanchett, Marton Csokas, Ian Holm, Christopher Lee, Lawrence Makoare, Craig Parker, Andy Serkis, Liv Tyler, Hugo Weaving u.v.a. Nach dem Roman von John Ronald Reuel Tolkien. Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson. Regie: Peter Jackson.

Wie die Reise begann

Vor 17 Jahren und zwei Monaten, in der Nacht von Dienstag den 18. Dezember auf Mittwoch den 19. Dezember 2001 besuchte ich im zarten Alter von 20 Jahren und 11 Monaten meine erste Mitternachtspremiere. Mit der allerersten Kinovorstellung von Der Herr der Ringe: Die Gefährten in jener Winternacht begann für mich nicht nur eine bis heute andauernde Reise als erwachsener Filmenthusiast, sondern eröffnete sich in der Folge auch, womit ich fortan meine Freizeit verbringen würde.

Auf dem Kontinent Mittelerde, im Dritten Zeitalter. Tausende von Jahren nachdem ein Bündnis von Elben und Menschen den dunklen Herrscher Sauron (Sala Baker), der den Ring der Macht geschmiedet hatte, um alle mächtigen Ringe der anderen Völker zu kontrollieren, besiegt hat. Der Ring geriet in Vergessenheit und durch merkwürdige Zufälle in die Hände von Bilbo Beutlin (Ian Holm), einem Hobbit. Dieses klein gewachsene, gemütliche und eigentlich gar nicht abenteuerlustige Volk lebt im beschaulichen Auenland. Dort feiert auch Bilbo 60 Jahre später seinen 111. Geburtstag mit einem großen Fest. Doch inmitten der Feierlichkeiten verschwindet der Jubilar unter geheimnisvollen Umständen. Bilbos Neffe Frodo Beutlin (Elijah Wood) erbt von seinem Onkel neben dessen Besitztümern auch jenen Ring, der seinen Träger unsichtbar zu machen vermag. Zauberer Gandalf (Ian McKellen) erkennt im goldenen Schmuckstück den Einen Ring Saurons. Auf Gandalfs Geheiß verlässt Frodo mit seinem Gärtner Samwise Gamdschie (Sean Astin) sowie seinen Vettern Meriadoc Brandybock (Dominic Monaghan) und Peregrin Tuk (Billy Boyd) das Auenland, um den Ring wegzubringen. Die Nazgul, Saurons untote Diener, welche von der Macht des Ringes angezogen werden, befinden sich bereits auf der Fährte der Hobbits. Eine große Zusammenkunft von Elben, Menschen und Zwergen in Bruchtal, dem Sitz von Elbenfürst Elrond (Hugo Weaving), soll über die weiteren Vorkehrungen im Kampf gegen Saurons erwachende Armeen aus dem finsteren Land Mordor entscheiden. Denn sollte Sauron seinen Meisterring zurückerhalten, so droht ganz Mittelerde ewige Finsternis…

Das Ring-Epos und ich
Wie kam ich überhaupt zu Tolkiens Roman-Epos? Nachdem ich im Englischunterricht der sechsten Klasse (Sommer 1993) den Animationsfilm aus dem Jahre 1978 von Ralph Bakshi, der mitten in der Geschichte abbricht, gesehen und aufgrund der für einen unbedarften Unterstufler eher verwirrenden Handlung relativ schnell wieder vergessen hatte, hörte ich Anfang 2001 erst wieder vom Buch und dass dies verfilmt werden würde. Nach dem Abitur las ich alle drei Bände des Romans (wie sich später herausstellen sollte in der „falschen“ Übersetzung von Wolfgang Krege) von Juni bis November 2001. Nach oben erwähnter Mitternachtspremierenpremiere folgten nicht nur die Sichtungen der Teil zwei und drei, die jährliche Lektüre des kompletten Romans bis einschließlich 2005 (auch in der „richtigen“ Übersetzung von Margaret Carroux sowie im englischen Original), sondern zudem viele kuriose Begegnungen in der Fanszene, durch welche ich einerseits die Liebe meines Lebens traf und andererseits langfristige Freundschaften entstanden.

Vergebliche Verfilmungspläne, Vorbereitung und Dreharbeiten
Doch es war ein weiter Weg bis der Roman, 1954 und 1955 in drei Bänden veröffentlicht, schließlich als Spielfilm das Licht der weltweiten Kinoleinwände erblickte. Nachdem J.R.R. Tolkien, im Hauptberuf Philologie-Professor in Oxford, die Filmrechte 1969 verkauft hatte, um eine nötige Steuerschuld zu begleichen, waren zuerst die legendären Beatles an einer Adaption interessiert. Stanley Kubrick (2001 – Odyssee im Weltraum) sollte Regie führen, doch er lehnte ab, weil er das literarische Werk für unverfilmbar hielt. Auch die Pläne einer Verfilmung durch John Boorman (Zardoz) und das Studio United Artists Anfang der 1970er führten nicht weit. Boorman drehte sollte später mit Excalibur (1981) eine Adaption der Artussage drehen, die ebenfalls zu den Meilensteinen des Fantasykinos gehört. Schließlich erwarb Produzent Saul Zaentz, dessen Filmografie viele preisgekrönte Zelluloid-Epen beinhaltet, die Filmrechte und produzierte mit dem amerikanischen Trickfilm-Regisseur Ralph Bakshi einen Animationsfilm, wobei Peter S. Beagle (Das letzte Einhorn) und Chris Conkling das Drehbuch schrieben. Die „Zeichentrick“-Version des Stoffes bediente sich überwiegend des Rotoscope-Verfahrens, bei welchem Szenen mit realen Schauspielern gedreht und hinterher animiert wurden. Diese Herangehensweise verlieh Bakshis Film zwar eine stimmungsvoll-eigenwillige Optik, inhaltlich gelang es allerdings nicht, die Vorlage adäquat umzusetzen.

Bakshis Version brachte allerdings den jungen Neuseeländer Peter Jackson (geb. 1961) dazu, den Roman zu lesen und sich knapp 20 Jahre später, nach Vollendung seiner Horrorkomödie The Frighteners (1996), selbst an eine Leinwand-Adaption heranzutrauen. Mit der Erwartung, dass kein Filmstudio drei Filme machen würde, setzten Jackson und Fran Walsh, seine Ehefrau und Partnerin bei allen Filmprojekten, auf eine Strategie mit zwei Teilen. Das Drehbuch-Team ergänzten Stephen Sinclair, ein weiterer Weggefährte von PJ, und dessen Partnerin Philippa Boyens. Nach Differenzen bezüglich Kürzungen und des nötigen Budgets zogen sich Jackson und Co von einem Deal mit Miramax zurück. Eine vierwöchige Odyssee in Hollywood führte schließlich zum Erfolg. New Line Cinema zeigte sich überraschenderweise bereit, drei Filme zu stemmen. Die Dreharbeiten fanden von Oktober 1999 bis Dezember 2000 in Neuseeland statt, in den Erscheinungsjahren der drei Teile gab es jeweils noch aufwändige Nachdrehs.

Das Personal
Für den Look der Trilogie holten sich Jackson und Co die bekannten Tolkien-Illustratoren John Howe und Alan Lee als „conceptual designers“ an Bord. Das Unternehmen Weta aus Wellington übernahm unter Führung von Richard Taylor sowohl das Design der Waffen, Rüstungen und Requisiten als auch die Erschaffung der visuellen Effekte. Die unzähligen Kostüme entwarf Ngila Dickson, die gemeinsam mit Taylor schon an PJs Fantasy-Drama Heavenly Creatures (1994) beteiligt war.
Für die ebenfalls zahlreichen großen und kleinen Rollen engagierte das Casting-Team neben einheimischen Akteuren wie Marton Csokas (als Celeborn), Craig Parker (als Haldir) und Lawrence Makoare (als Uruk-Hai-Anführer Lurtz) australische (Cate Blanchett, Hugo Weaving), britische (Ian McKellen, John Rhys-Davies, Orlando Bloom, Sean Bean, Ian Holm, Christopher Lee sowie weitere) und amerikanische Schauspieler (Elijah Wood, Sean Astin, Viggo Mortensen, Liv Tyler).

Adaption
Unter den langjährigen Anhängern der Buchvorlage dürfte Jacksons Verfilmung sicherlich nicht unumstritten sein, aber aus meiner Sicht bietet vor allem Die Gefährten in der längeren Fassung eine sehr werkgetreue Adaption. Natürlich mussten Jackson, Walsh und Boyens im Drehbuch einige Stationen aus dem Roman streichen (wie etwa die Begegnung mit der beliebten und überaus mysteriösen Figur des Tom Bombadil), um die komplexe Handlung adäquat auf das Medium Kino übertragen zu können. Außerdem war es auch nötig Ereignisse, die in der Vorlage zur aus zweiter Hand berichtet werden, dem Zuschauer direkt zu zeigen. Vor allem wenn man das Buch nicht oder nicht gut kennt, bekommt man in der Extended Edition so manche Hintergrundinformationen geliefert, die in den beiden folgenden Teilen noch wichtig werden, in der knapp dreistündigen Kinofassung allerdings fehlen. Jacksons ursprünglicher „Dream Cut“ soll übrigens zwischen 4 Stunden 30 Minuten und 4 Stunden 45 Minuten lang gewesen sein. Mit der Extended Version gelingt der Balanceakt zwischen Werktreue und dem richtigen Pacing.

Inszenierung
Was mich beim kürzlichen Kinobesuch so unheimlich beeindruckt hat: obwohl Die Gefährten mittlerweile über 17 Jahre auf dem Buckel hat – eine halbe Ewigkeit in der heutigen, immer schnelllebigeren Filmwelt – so ist der Film unfassbar gut gealtert. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, die Gezeigte wäre angestaubt oder behäbig. Und ich denke diese zeitlose Qualität liegt auch darin begründet, dass Peter Jackson und sein Team hier eben nicht die gesamte Leinwand mit CGI zugekleistert haben. Neben immer noch sehr ansehnlichen Computer-Animationen und Modellen im Großformat (sogenannte „Bigiatures“) setzte man vor allem auf die wundervolle, teils surreal schöne Landschaft Neuseelands, das im Verlauf der Trilogie für sehr viele Handlungsschauplätze doubelte. Die Filmreihe profitierte außerdem von epischem Setdesign und detailreich-opulenten Kostümen. Um die Größtenunterschiede der einzelnen Völker untereinander darzustellen, verwendete man klein gewachsene Doubles für Hobbits und Zwerge oder griff auf den Trick der Forced Perspective zurück. Maßgeblich verantwortlich für die einmalige Bildsprache aller drei Teile war natürlich der australische Chef-Kameramann Andrew Lesnie (1956-2015). Die exzellent choreographierten und teils gigantischen Schlachtszenen sind zwar bisweilen etwas unübersichtlich geschnitten (natürlich um die Altersfreigabe niedrig zu halten), werden in der ab 16 Jahren freigegebenen Langversion (die Kinofassung war FSK 12) aber um etwas mehr „Härte“ ergänzt.

Musik
Die gesamte Herr der Ringe-Filmtrilogie wäre allerdings viel weniger eindrucksvoll und mächtig ohne den Score von Howard Shore. Der kanadische Filmkomponist begnügte sich nicht mit ein paar wenigen wiederkehrenden Melodien, wie bei anderen Blockbustern üblich, sondern schuf allein für den ersten Teil an die 50 verschiedene Themen, die mit großem Orchester, Chören und weiteren zahlreichen Solisten aufgenommen wurden. Eine nicht unwichtige Rolle bei Teil 1 spielte auch die irische Musikerin Enya, sie komponierte und sang mit May It Be nicht nur den Titelsong von Die Gefährten, sondern auch Aníron (Theme for Aragorn and Arwen). Für mich und sicherlich auch viele andere Fans funktioniert die Musik als unverzichtbarer Bestandteil des „Mittelerde-Feelings“, welches die dreiteilige Verfilmung so besonders macht.

Die Akteure
Dass Tolkiens Welt auf der Leinwand überhaupt so zum Leben erweckt werden konnte ist natürlich auch ein erheblicher Verdienst der Darsteller. Neben den vier Hobbit-Hauptdarstellern Elijah Wood (als Frodo), Sean Astin (als Sam), Billy Boyd (als Pippin) und Dominic Monaghan (als Merry) haben vor allem Sir Ian McKellen als altehrwürdig-mächtiger Zauberer Gandalf, Sean Bean als innerlich zerrissener Krieger Boromir und Cate Blanchett in der Rolle der erhaben-zeitlosen Elbenfürstin Galadriel, die auch als Erzählerin des Prologs fungiert, mich mit ihren Performances beeindruckt. Ein großes Lob haben zudem die unzähligen Statisten und Stuntleute verdient, die fast durch die Bank nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Tonnen von Make Up zu kämpfen hatten.

Das Vermächtnis und die geplante Serie
Der Herr der Ringe: Die Gefährten avancierte nicht nur zum Kassenschlager (871 Millionen Dollar Einspielergebniss, die gesamte Trilogie spielte 2,9 Milliarden ein) und sorgte bei Kritikern und Zuschauern sowie einem Großteil der Fans gleichermaßen für ein positives Echo, sondern machte auch die Werke Tolkiens (neben dem Ring-Epos auch Der Hobbit oder Das Silmarillion) einer neuen Generation von Lesern bekannt. Darüber entwickelte sich im Nachgang ein Fantasyfilm-Boom, ohne welchen es weitere Adaptionen wie etwa der Chroniken von Narnia oder von Eragon aber auch einige Fernsehserien nicht gegeben hätte.

Im November 2017 sorgte die Ankündigung, dass Amazon eine Serienversion von Der Herr der Ringe produzieren würde, für ordentlich Wirbel, nicht zuletzt in Fankreisen. Die Amazon-Show soll aus fünf Staffeln bestehen und mit kolportierten Gesamtkosten von insgesamt einer Milliarde Dollar die teuerste Fernsehproduktion aller Zeiten werden. Im Juli 2018 wurden John D. Payne und Patrick McKay, bisher nur durch ihre Mitarbeit am Skript von Star Trek Beyond im Filmbusiness bekannt, als Drehbuchautoren und ausführende Produzenten vorgestellt. Inhaltlich wird sich die Serie nicht auf die Haupthandlung des Romans konzentrieren, sondern vielmehr die Vorgeschichte des Ringkrieges erzählen. Weitere Details wurden bisher nicht enthüllt. 2019 soll zudem ein Biopic über den jungen Tolkien (gespielt von Nicholas Hoult) in die Kinos kommen, wobei es bisher noch keinen deutschen Starttermin gibt.

Zurück zum Anfang. Am 18./19. Dezember 2001 begann mein eigenes Abenteuer als Filmenthusiast (und mittlerweile auch Serienfreak), das mich danach nicht nur weiter nach Mittelerde, sondern auch noch in andere Welten, etwa nach Westeros, Abrahama City, Twin Peaks, in die Demimonde und den Geist von David Haller katapultierte und wer weiß wohin noch führen wird. Vielleicht ergibt sich durch die HdR-Serie eine völlig neue Weggabelung. Die Straße gleitet schließlich fort und fort…

Die „Special Extended Edition“ von Der Herr der Ringe: Die Gefährten erschien (mit umfangreichem Bonusmaterial zu vielen Aspekten der Produktion) am 12. November 2002 auf DVD und am 1. Juli 2011 auf BluRay. The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ringe: The Complete Recordings, der komplette Score des ersten Teils, erschien am 13. Dezember 2005 auf drei CDs und einer DVD sowie am 6. April 2018 auch auf BluRay, Vinyl und als Digital Download.

 

Fazit: Der Herr der Ringe: Die Gefährten bietet (vor allem in der werkgetreueren „Extended Edition“) auch über 17 Jahre nach dem Kinostart noch einmaliges, mitreißendes, famos inszeniertes und zeitlos wundervolles Fantasykino, welches der komplexen Vorlage sehr gerecht wird. 10 von 10 Punkten!

 

Die Hobbits feiern ausgelassen

 

Die Gemeinschaft des Ringes

 

Christopher Lee als Saruman

 

Anmerkungen zur Extended Edition

* 201 Minuten entspricht der Laufzeit des Films inklusive des offiziellen Abspanns bei PAL-Beschleunigung, allerdings ohne den Fanabspann. Die „Extended Edition“ enthält im Vergleich zur Kinoversion 30 Minuten neue und erweiterte Szenen. Die Ergänzungen im Detail kann man bei Schnittberichte.com hier und dort nachlesen.

 

Marius Joa, 17. Februar 2019. Bilder: New Line Cinema/Warner.

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