Die Farbe aus dem All (2019)

Endlich geht es weiter mit dem diesjährigen Horroctober. Und was bietet sich zu diesem Anlass mehr an als die Sichtung einer aktuellen Verfilmung einer Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft? Vorhang auf für Die Farbe aus dem All von Regisseur Richard Stanley, mit Nicholas Cage im Overacting-Modus!


Die Farbe aus dem All (Colour Out of Space)
Science-Fiction-Horror USA, Malaysia, Portugal 2019. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 106 Minuten (PAL-DVD). Kinostart: 5. März 2020.
Mit: Nicholas Cage, Joely Richardson, Madeleine Arthur, Brendan Meyer, Julian Hilliard, Elliot Knight, Tommy Chong u.a. Nach der Kurzgeschichte von Howard Phillips Lovecraft. Drehbuch: Richard Stanley und Scarlett Amaris. Regie: Richard Stanley.

 


Wenn die ländliche Idylle zur Hölle wird

Nach der Operation seiner krebskranken Ehefrau Theresa (Joely Richardson) ist Nathan Gardner (Nicholas Cage) mit ihr und der ganzen Familie, den Teenager-Kindern Lavinia (Madeleine Arthur) und Benny (Brendan Meyer) sowie dem jüngeren Jack (Julian Hilliard) ins ländliche Neuengland gezogen. Auf der alten Farm seines verstorbenen Vaters baut Nathan Obst und Gemüse an und hält Alpakas als Nutztiere während Theresa ihre Arbeit im Home Office erledigt. Die ländliche Idylle wird jedoch empfindlich gestört als eines Nachts ein Meteorit auf der Farm einschlägt. Die Gardners erleben fortan eine mysteriöse Farbenpracht und merkwürdige Erscheinungen während sich allmählich auch Fauna und Flora verändern. Auch Hydrologe Ward Phillips (Elliot Knight), der die hiesige Wasserqualität untersucht, wird Zeuge von ungeheuerlichen Vorgängen…

Howard Phillips “H.P.” Lovecraft (1890-1937) gilt als der bedeutendste Autor phantastischer Horrorliteratur des 20. Jahrhunderts. Meine Kenntnis seiner Werke beschränkt sich auf die Lektüre eines einzigen Bandes mit mehreren seiner Erzählungen und Kurzgeschichten, darunter Cthulhus Ruf. Im Januar 2018 sollte ich mich dann quasi wieder mit dem amerikanischen Schriftsteller befassen. Denn auf dem 44. Internationalen Filmwochenende in Würzburg wurden mehrere Verfilmungen seiner Werke als abendfüllende Spielfilme und Kurzfilme gezeigt, darunter zwei deutsche Adaptionen von Lovecrafts Die Farbe aus dem All (OT: The Colour Out of Space; 1927), über die schaurigen Nachwirkungen eines Meteoriteneinschlages auf die Bewohner eines Bauernhofes. Huan Vu (geb. 1982) verlegte in seiner Version Die Farbe (2010) das Setting von Neuengland in die süddeutsche Provinz und erschuf einen stimmungsvollen Horror-Streifen in reduzierter Schwarz-Weiß-Optik während Patrick Müller (geb. 1981) die Vorlage als abstrakt-psychedelischen fünfminütigen Kurzfilm (2017) umsetzte. In der neuesten Adaption vom Südafrikaner Richard Stanley spielt das Geschehen “wieder” in Neuengland, nur eben in der Gegenwart.

Bereits als Jugendlicher entwickelte der 1966 geborene Stanley eine große Leidenschaft für Lovecrafts Werke. Es sollte allerdings lange dauern, bis er sich mit der vorliegenden Adaption von The Colour Out of Space einen langersehnten Lebenstraum erfüllen könnte. In jungen Jahren drehte Stanley diverse Musikvideos und erreichte dank seiner ersten beiden Filme, dem postapokalyptischen Scifi-Streifen M.A.R.K. 13 – Hardware (1990) und dem Horrorfilm Dust Devil (1992) einen ersten internationalen Durchbruch. Für DNA – Die Insel des Dr. Moreau (1996, u.a. mit Marlon Brando und Val Kilmer), die Verfilmung eines Romans von H.G. Wells, wurde Stanley als Regisseur verpflichtet, aufgrund von Differenzen aber nach wenigen Drehtagen gefeuert. Die Farbe aus dem All (2019) ist sein erster fiktionaler Spielfilm als Regisseur seit diesem einschneidenden Karriereknick. Zwischenzeitlich hatte Stanley diverse Dokumentationen gedreht (siehe auch sein Mitwirken als Gesprächspartner in Jodorowsky’s Dune) und war als Drehbuchautor tätig gewesen. Zu den Produktionsstudios von Die Farbe aus dem All gehört unter anderem Spectrevision, hinter welchem die Filmemacher Daniel Noah und Josh C. Waller (hier auch mit kleiner Rolle als Sheriff) sowie der Schauspieler Elijah Wood stehen, die mit A Girl Walks Home Alone At Night (2014), Mandy (2018) und dem kürzlich auf dem Fantasy Filmfest gezeigten Daniel Isn’t Real (2019) bereits drei hochkarätige Genre-Werke produziert haben.

Wie soll man das von Lovecraft so gekonnt erzeugte, unbeschreibliche Grauen umsetzen? Und wie die titelgebende Farbe? Wie auch Huan Vu entschied sich Stanley für Magenta, vor allem weil es dabei nicht um eine Spektralfarbe handelt. Die Auswirkungen der gewaltigen außerirdischen Kräfte wird hier als gekonnte Mischung aus psychedelisch-audiovisuellem Overkill und monströsem Creature- bzw. Body-Horror inszeniert. Hinzu kommt ein mehr als unheilschwangerer Score des kanadischen Jazzmusikers und Komponisten Colin Stetson, die mich in Teilen an die Musik zur Serie Dark von Ben Frost erinnert hat. Neben der gekonnten ästhetischen Umsetzung wirkt auch die Übertragung des Stoffes in die Gegenwart recht gelungen, inklusive ein paar gekonnter Zitate/Anspielungen (der Hydrologe heißt Ward Phillips).

Auf mich wirkte allerdings die ganze Familiendynamik unter den Gardners oberflächlich und zu beliebig. Die Geschichte schreitet zügig voran, das verhindert aber auch die bessere Ausarbeitung der Figuren und mancher potenzialträchtiger Ansätze. Schauspielerisch gestaltet sich die ganze Chose eher durchwachsen. Traf Nicholas Cage mit seinem in letzter Zeit berühmt-berüchtigten Overacting als von Rachedurst und Verzweiflung getriebener Holzfäller in Mandy noch das richtige Maß so wirkt seine Performance hier als allmählich durchdrehender Familienvater zu überzogen. Die übrigen Darsteller, darunter Joely Richardson (Die Triffids, Anonymous) und der bereits mit allerlei Horror-Erfahrung ausgestattete Kinderdarsteller Julian Hilliard (Spuk in Hill House, Penny Dreadful: City of Angels), pendeln zwischen solide und leicht unglaubwürdig. Insgesamt kann diese Version der Cosmic-Horror-Story aber durchaus überzeugen. Richard Stanley plant übrigens eine Trilogie von Lovecraft-Adaptionen, als nächstes soll Das Grauen von Dunwich verfilmt werden.

Nach einem limitierten deutschen Kinostart Anfang März ist Die Farbe aus dem All am 30. April 2020 auf BluRay und DVD erschienen.

Fazit: Inszenatorisch intensive Lovecraft-Adaption, die inhaltlich und schauspielerisch etwas unter ihren Möglichkeiten bleibt. 7 von 10 Punkten.


Noch herrscht beschauliche Idylle…

…doch wenig später erstrahlt die Umwelt in unheimlicher Farbenpracht.

 

Marius Joa, 27. Oktober 2020. Bilder: Koch Films.

 

 

 


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner