Nach Dracula und Frankenstein (beide von 1931) folgte im Jahr darauf ein weiterer früher Horror-Tonfilm von Universal. In Die Mumie von Karl Freund spielte Boris Karloff die ikonische Titelrolle.
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Die Mumie (The Mummy)
Horrorfilm USA 1932. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 73 Minuten (BluRay).
Mit: Boris Karloff, Zita Johann, David Manners, Edward Van Sloan, Arthur Byron, Noble Johnson u.a. Story: Nina Wilcox Putnam und Richard Schayer. Drehbuch: John L. Balderston. Regie: Karl Freund.
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Im Bann des Imhotep
Ägypten, 1921. Eine Gruppe Archäologen vom Britischen Museum unter Sir Joseph Whemple (Arthur Byron) findet das 3.700 Jahre alte Grab des Hohepriesters Imhotep. Darin befindet sich nicht nur der mumifizierte Leichnam, sondern auch eine Kiste mit einer geheimnisvollen Schriftrolle. Arzt und Okkultismusexperte Dr. Muller (Edward Van Sloan) bittet Sir Joseph darum, die Kiste mit ihrem Inhalt wieder zu vergraben und zu vergessen. Doch wenig später sind sowohl die Mumie als auch die Schriftrolle verschwunden und Sir Josephs Assistent Ralph Norton (Bramwell Fletcher) wahnsinnig geworden.
11 Jahre später gibt es eine erneute Ausgrabung der Briten unter der Leitung von Professor Pearson (Leonard Mudie) und Sir Josephs Sohn Frank Whempley (David Manners). Mit der Hilfe des plötzlich auftauchenden Einheimischen Ardath Bey (Boris Karloff) gelingt es das Grabmal von Prinzessin Anck-es-en-Amon, der Tochter des Pharaos Amenophis III, zu finden. Die Funde werden daraufhin im Museum von Cairo ausgestellt, wo sich auch Ardath Bey desöfteren aufhält. Als ein Wachmann des Museums unter unerklärlichen Umständen ums Leben kommt und Helen Grosvenor (Zita Johann), eine seiner Patientinnen, sich plötzlich merkwürdig verhält, reift in Dr. Muller ein schrecklicher Verdacht…
Die vom Deutschen Carl Laemmle Sr. mitbegründeten Universal Pictures waren das erste große Studio Hollywoods. Unter der Ägide von dessen Sohn Carl Laemmle Jr. als Produzenten entstanden die 1931 veröffentlichen ikonischen Horrorfilm-Adaptionen Dracula (nach dem Roman von Bram Stoker) und Frankenstein (nach dem Roman von Mary Wollstonecraft Shelley). Beide Tonfilme wurden zu großen Erfolgen an der Kinokasse und so sollten weitere „Universal Monster“-Streifen folgen. Ende 1932 feierte der von Dracula-Kameramann Karl Freund inszenierte Die Mumie (Originaltitel: The Mummy), erneut mit Boris Karloff, der zuvor als Frankensteins Kreatur große Bekanntheit erlangt hatte, Welturaufführung.
The Mummy basierte auf keiner literarischen Vorlage. Inspiriert wurde man durch die Entdeckung des Grabes des früh verstorbenen Pharaos Tutenchamun 1922 durch Howard Carter und sein Team. Autor Richard Schayer wurde vom Studio beauftragt, ein Buch über das alte Ägypten und Mumien zu suchen, welches man verfilmen könnte. Da er keines fand schrieb er gemeinsam mit Nina Wilcox Putnam ein Treatment, welches durch den italienischen Okkultisten Alessandro Graf von Cagliostro inspiriert wurde, und in welchem dieser als fiktionale Figur dank besonderer Kräfte seit 3.000 Jahren lebte. Laemmle Junior fand Gefallen an der Idee und beauftragte John L. Balderston, Co-Autor der Theateradaptionen von Dracula und Frankenstein, welche die Basis für die jeweiligen Drehbücher gebildet hatten, mit dem Skript. Balderston war auch als Reporter bei der Ausgrabung Tutenchamuns zugegen gewesen und machte aus dem Okkultisten daher eine wiedererweckten Untoten aus dem alten Ägypten.
Boris Karloff musste sich für seine Rolle einer noch härteren Verwandlung unterziehen. Verantwortlich für das aufwändige Makeup zeichnete erneut Jack Pierce, in gleicher Funktion schon bei Frankenstein tätig. Für mich war es überraschend, dass man Imhotep in einbalsamierten Zustand nur sehr wenig sieht, dafür häufiger in seiner „lebendigen“ Gestalt. Die Mumie besitzt einige Parallelen zu Dracula. In beiden hat es die Titelfigur auf eine junge Frau (Mina bzw. Helen) abgesehen, sein Konkurrent wird jeweils von David Manners (Jonathan Harker bzw. Frank Whemple) gespielt. Beide Filme beginnen mit einem Ausschnitt aus der Musik zum Ballett Schwanensee von Pjotr Illjitsch Tschaikowski. Und in beiden Streifen ist Edward Van Sloan als Arzt/Okkultimusexperte ein wichtiger Gegenspieler. Karl Freund war Kameramann beim Vampirfilm und soll dabei über weite Strecken auch als Regisseur fungiert haben.
Aus heutiger Sicht kurios erscheint mir die kurze Produktionszeit. Die Dreharbeiten, welche komplett in Kalifornien stattfanden, begannen im September 1932, der US-Kinostart erfolgte bereits wenige Monate später, am 22. Dezember. In Deutschland war Die Mumie ab 1934 zu sehen. Trotz des engen Terminplans drehten Freund und sein Team noch weitere Szenen, in welche die Reinkarnation der Prinzessin Anck-es-en-Amon in unterschiedlichen Epochen gezeigt wurde. Dieses Material wurde allerdings aus der Endfassung herausgeschnitten.
Die hochwertig restaurierte Version des Films auf BluRay zeigt deutlich, dass hier ein großer Aufwand betrieben wurde. Sets, Kulissen und das bereits erwähnte ikonische Maskenbild können auch heute noch überzeugen. Aus heutiger Sicht wirkt die gemächliche Inszenierung antiquiert, was sicherlich dazu führt, dass es auch ziemlich an Spannung und Horrormomenten fehlt. Das Drehbuch präsentiert sich dazu überaus zweckmäßig und unspektakulär. So wird die titelgebende Mumie scheinbar allein dadurch erweckt, dass ein übereifriger Assistent ein paar Hieroglyphen von der Schriftrolle aus Imhoteps Grabmal abschreibt.
Neben der hochwertigen Produktionsqualität besticht Die Mumie vor allem durch die schauspielerische Präsenz von Boris Karloff und seine subtil-charismatische Performance. Ähnlich stark agiert Zita Johann als Helen Grosvenor, die Imhotep als Reinkarnation seiner Geliebten erkennt. Im Zentrum der Geschichte steht auch nicht wie vermutet ein finsterer Bösewicht, sondern eine tragische Liebesgeschichte, die durchaus Mitgefühl zu erregen vermag.
Die Mumie von Karl Freund ist auf DVD und BluRay erhältlich.
Fazit: Zwar aus heutiger Sicht einfach gestrickt und weitgehend unspannend, aber ein weiterer filmhistorisch ikonischer Beitrag zum frühen Horrorkino mit einem starken Boris Karloff in der Titelrolle. 6 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 22. Oktober 2023. Bilder: Universal.
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