Die Schlacht von Marathon

Wie es zwischen tapferen Spartaner und dem übermächtigen Heer der Perser ausging weiß man als Cineast seit 300. Doch wie schlugen sich die Athener zehn Jahre zuvor gegen die Invasoren? Davon erzählt der Sandalenfilm Die Schlacht von Marathon, mit „Ur-Hercules“ Steve Reeves in der Hauptrolle.


Die Schlacht von Marathon (La Battaglia di Maratona)
alternativ: Hercules – Die große Schlacht um Hellas (DVD-Titel);
The Giant of Marathon (englischer Titel)
Historienfilm Italien, Frankreich 1959. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 81 Minuten (gekürzte deutsche Fassung). Kinostart: 14. Juni 1960.
Mit: Steve Reeves, Mylène Demongeot, Sergio Fantoni, Alberto Lupo, Ivo Garrani, Daniela Rocca, Daniele Vargas u.v.a. Drehbuch: Ennio De Concini, Augusto Frassinetti, Bruno Vailati. Regie: Jacques Tourneur, Bruno Vailati, Mario Bava.



Perser gegen Philippides

490 vor Christus. Mit seinem gigantischen Heer steht Dareios I. (Daniele Vargas), König des persischen Großreiches, kurz davor, Griechenland zu erobern. In Athen bereitet man sich auf die Verteidigung der Stadt gegen den übermächtigen Gegner vor. Währenddessen verschwören sich der athenische Politiker Theokrit (Sergio Fantoni) und sein väterlicher Freund Kepheus (Ivo Garrani) heimlich mit den Persern. Philipp (Steve Reeves), ein Mann des Volkes, wird nach seinem glorreichen Sieg bei den olympischen Spielen in die Stadtwache Athens unter Mitiades (Alberto Lupo) aufgenommen. Um Philipp für seine Zwecke einzuspannen setzt Theokrit die berüchtigte Kurtisane Charis (Daniela Rocca) auf den starken Mann an. Doch der tapfere Held hat bereits sein Herz an Andromeda (Mylène Demongeot), Kepheus‘ Tochter, verloren, die ausgerechnet Theokrit versprochen wurde. Während Philipp und Mitiades das Heer auf die Schlacht gegen die Perser vorbereiten ersucht Athen die kriegerische Stadt Sparta um Beistand gegen den gemeinsamen Feind…

Nach einem Dutzend Sandalenfilmen, einer dazugehörigen Doku von 2000, einem überaus grottigen Nachzügler und meinen Rewatches von Vampire gegen Herakles stand eigentlich kein weiterer Peplum-Streifen mehr auf meiner Watchlist. Doch der einfachen Verfügbarkeit von Die Schlacht von Marathon als Stream konnte ich irgendwie nicht widerstehen. Der im Dezember 1959 zur großen Sandalone-Hochzeit in Italien veröffentlichte Film (deutscher Kinostart war am 14. Juni 1960) mag zwar nicht zu den Highlights des Genres gehören, hebt sich aber von den schwachen Vertretern durchaus ab. Eigentlich war der Franzose Jacques Tourneur (Katzenmenschen [1942], Goldenes Gift [1947]) als Regisseur engagiert, einen Großteil der Inszenierung übernahm aber wohl Co-Autor und Produzent Bruno Vailati. Außerdem musste der für Kamera und Spezialeffekte zuständige Mario Bava kurz vor Veröffentlichung einige Szenen nachdrehen, weil mehrere Statisten beim Rauchen von Zigaretten zu sehen waren.

Der für seine Fähigkeiten trotz wenig Geld starke Bilder zu liefern bekannte Bava konnte hier zwar seine ihm eigene Farbenmagie nicht zur Geltung bringen (vor allem die bei Nacht spielenden Szenen hätten dringend Color-Grading oder ähnliches notwendig gehabt), aber vor allem in der zweiten Hälfte, wenn es dann actionmäßig ordentlich zur Sache geht und der Held (im Original Philippides, in der deutschen Fassung einfach nur Philipp) unter anderem einen Langstreckenlauf unter erschwerten Bedingungen vollführt, empfand ich Die Schlacht von Marathon als ganz ordentlich. Die ersten 40 Minuten widmen sich noch einer halbgaren Mischung aus Liebesdrama (oder was die Drehbuchautoren, darunter der Peplum-erfahrene Ennio De Concini, dafür hielten) und Intrigenspiel.

Höhepunkt des ganzen „Spektakels“ sind natürlich die Schlachtszenen, die zwar heute niemand mehr wirklich vom Hocker hauen, aber etwas über dem Genre-Durchschnitt liegen. „Marathon“ glänzt vor allem mit einer durchaus waghalsigen Seeschlacht, zwar nicht mit vielen Schiffen, aber mit einigen teils blutigen Unterwasserszenen, wodurch der Film so etwas wie den Feuerball des Sandalenkinos darstellt. Eher unfreiwillig komisch wirkt es dagegen, dass ein Teil der athenischen Truppen ihre Kämpfe völlig ohne Rüstung und nur mit Lendenschurz bestreiten.

Die Hauptrolle in diesem bewusst geschichtlich unkorrekten Historienschinken spielte niemand Geringeres als der frühere Bodybuilder Steve Reeves (1926-2000), der als Titelheld in Die unglaublichen Abenteuer des Herkules (1958) und Herkules und die Königin der Amazonen (1959) dafür mitverantwortlich war, dass in Italien eine Welle von Sandalones losgetreten wurde, welche bis zur Mitte der 1960er Jahre andauerte. Ein Großteil von Reeves‘ Filmographie speiste sich aus diesem Genre, siehe auch Der Kampf um Troja (1961) und Aeneas, Held von Troja (1962). Hier agiert der Us-Amerikaner (später Vorbild für andere Muskelmann-Schauspieler wie Lou Ferrigno und Arnold Schwarzenegger) ohne Bart und wie gewohnt mit vollem Körpereinsatz. Bei den im Vorspann gezeigten Material habe ich allerdings den Verdacht, es handele sich um Stock-Footage aus dem ersten „Herkules“-Abenteuer.

Unter dem sehr irreführenden Alternativtitel Hercules – Die Schlacht um Hellas ist Die Schlacht von Marathon auf DVD erhältlich sowie aktuell auch Teil des Angebots von Amazon Prime Video. Beim Stream muss man allerdings große Abstriche bei der Bildqualität machen. Die als „Digital remastered“ ausgezeichnete DVD kann hier hoffentlich mehr bieten.

Fazit: Dank kurzer Laufzeit und gelungener Schlachten mit Unterwasseraufnahmen ein insgesamt ordentlicher, wenngleich in vielerlei Hinsicht wieder generischer Peplum-Beitrag. 5 von 10 Punkten.

 

Philipp liebt Andromeda
Theokrit (rechts) verschwört sich mit Dareios (links)
Vor der Schlacht

 

Marius Joa, 18. September 2020. Bilder: SchröderMedia.

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