Dune – Der Wüstenplanet (1984) (Kinofassung)

Am 16. September 2021 wird Denis Villeneuves Neuverfilmung von Frank Herberts Science-Fiction-Romanepos Dune – Der Wüstenplanet endlich in die Kinos kommen. Anlass genug, sich die früheren Adaptionen anzusehen, angefangen mit David Lynchs „umstrittener“ Version von 1984.


Der Wüstenplanet (Dune)
Science-Fiction-Epos USA 1984. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 131 Minuten (Kinofassung, PAL-DVD). Kinostart: 14. Dezember 1984.
Mit: Kyle MacLachlan, Francesca Annis, Brad Dourif, José Ferrer, Freddie Jones, Virginia Madsen, Everett McGill, Kenneth McMillan, Jack Nance, Siân Phillips, Jürgen Prochnow, Paul L. Smith, Patrick Stewart, Sting, Dean Stockwell, Max von Sydow, Alicia Witt, Sean Young. Nach dem Roman von Frank Herbert. Drehbuch und Regie: David Lynch.

 

 

In ferner Zukunft, im Jahre 10191. Die Menschheit hat weite Teile des Alls besiedelt und lebt in einer feudalistisch organisierten Gesellschaft. An deren Spitze steht Padischah-Imperator Shaddam IV. (José Ferrer) und der sich den großen Adelshäusern zusammensetzende Landsraad. Höchstes Gut ist die Spice Melange, eine bewusstseinserweiterende Droge, welche vor allem für die von der Raumgilde kontrollierten Raumfahrt absolut unentbehrlich ist. Spice kommt jedoch nur auf einem einzigen Planeten vor: Arrakis, auch Dune genannt, einem öden, lebensfeindlichen Wüstenplaneten unter dessen endlosen Sandmeeren gigantische Sandwürmer leben. Nachdem zuletzt Haus Harkonnen unter dem krankhaft übergewichtigen Baron Wladimir Harkonnen (Kenneth McMillan) mit der Spice-Gewinnung betraut war übergibt der Imperator nun Herzog Leto (Jürgen Prochnow), den Herrscher des Hauses Atreides, diesen Auftrag. Leto, seine Konkubine, die vom Hexen-Orden der Bene Gesserit trainierte Jessica (Francesca Annis), und deren Sohn Paul (Kyle MacLachlan) verlassen mit ihrem Hofe den Heimatplaneten Caladan und siedeln nach Arrakis über. Da die beiden Häuser Atreides und Harkonnen verfeindet sind, vermuten Leto und seine Getreuen eine Falle. Kurz nach der Ankunft wird Leto von einem seiner eigenen Leute verraten und die Harkonnen sowie imperiale Truppen überrennen die Atreides. Paul und Jessica können in die Wüste fliehen, wo sie von den dortigen Bewohnern, den Fremen aufgenommen. Pauls Fähigkeiten werden auf Arrakis verstärkt und so erkennt er seine Bestimmung…

Als Hauptwerk des amerikanischen Science-Fiction- und Fantasy-Autors Frank Herbert (1920-1986) gilt die sechsbändige Romanreihe um den Wüstenplaneten Arrakis: Der Wüstenplanet (Dune, 1965), Der Herr des Wüstenplaneten (Dune Messiah, 1969), Die Kinder des Wüstenplaneten (Children of Dune, 1976), Der Gottkaiser des Wüstenplaneten (God Emperor of Dune, 1981) sowie Die Ketzer des Wüstenplaneten (Heretics of Dune, 1984) und Die Ordensburg des Wüstenplaneten (Chapterhouse Dune, 1985). Die Saga spielt in einer fernen Zukunft, in welcher das interstellare Reisen dank einer wertvollen Droge möglich ist und die Menschheit in einem feudalen Imperium lebt, welches von verschiedenen, mächtigen Organisationen gelenkt wird. Die Spice Melange und ihre elementare Bedeutung für die Raumfahrt ist natürlich eine unverhohlene Anspielung auf die Abhängigkeit der Menschen vom Öl und anderen fossilen Brennstoffen. In der Figur des Paul Atreides, der später den Beinamen Muad’Dib annimmt, manifestiert sich ein prophezeiter Erlöser, welcher die im Einklang mit der Natur lebenden Wüstenbewohner in einen Heiligen Krieg gegen das teils tyrannische, kapitalistische Imperium führt. Ein vielschichtiges Scifi-Szenario, welches diverse politische, gesellschaftliche und philosophische Themen auf faszinierende Weise kombiniert.

Der chilenisch-französische Filmemacher Alejandro Jodorowsky wollte aus Der Wüstenplanet in den 1970ern einen Film machen, aber nicht irgendeinem. Dem exzentrischen Avantgarde-Auteur schwebte eine megalomanische Adaption vor, die zwischen zehn und vierzehn Stunden laufen sollte. Als Darsteller hatte er unter anderem niemand geringeren als den legendären Surrealisten Salvador Dali sowie Leinwandlegende Orson Welles und Musiker Mick Jagger von den Rolling Stones vorgesehen. Comickünstler Moebius sowie die Designer Chris Foss und H.R. Giger hatten bereits Storyboards und Konzeptzeichnungen entworfen. Das vollständig illustrierte Drehbuch (dicker als ein Telefonbuch) machte in Hollywood die Runde, doch das Projekt scheiterte, weil es kein Studio finanzieren wollte. Diesem irrsinnigen Unterfangen, dem vielleicht besten Film, der nie gemacht wurde, widmete Frank Pavich die Dokumentation Jodorowsky’s Dune (2013), in welchem die Beteiligten um Jodorowsky von damals zu Wort kommen.

Die Rechte an Herberts erstem „Dune“-Roman landeten beim italienischen Produzenten Dino De Laurentiis, der Ridley Scott (Alien) für die Regie wollte. Scott verließ die Produktion während der langen Vorproduktion, weil sein älterer Bruder Frank verstorben war und inszenierte stattdessen Blade Runner. Dinos Tochter Rafaella De Laurentiis wählte David Lynch, der mit seinen ersten beiden Werken Eraserhead (1977) und Der Elefantenmensch (1980) auf sich aufmerksam gemacht hatte, für den Regieposten. Lynch interessierte sich eigentlich nicht für Science-Fiction und kannte Herberts Roman vorher nicht, empfand die Aufgabe aber als interessant. Ursprünglich sollte das etwa 800 Seiten dicke Buch auf zwei Filme aufgeteilt werden, aber das Studio bestand wohl auf einem einzelnen Streifen. Mit einem Budget von insgesamt 42 Millionen Dollar wurde Dune komplett in Mexiko mit einer aus 1.700 Personen bestehenden Crew gedreht. Die erste Rohfassung lief über vier Stunden, Lynchs wahrscheinlich bevorzugte Fassung (basierend auf seinem letzten Drehbuchentwurf) ging knapp drei Stunden . Doch um das Werk öfter im Kino zeigen zu können, musste es auf etwa zwei Stunden und fünfzehn Minuten gekürzt werden. Rafaella de Laurentiis und Lynch organisierten die Struktur des Films neu und ergänzten diverse Voice-Over-Erzählungen sowie den von Prinzessin Irulan (Virginia Madsen) gesprochenen Prolog. Als Verfilmung von Herberts erstem „Wüstenplanet“-Buch mag die im Kino gezeigte Version vielleicht nicht ganz überzeugen, als cineastisches Werk ist Lynchs Dune aber ein einmaliges Erlebnis.

Ich war beim Kinostart erst knapp vier Jahre alt und kann daher nur erahnen welche Wirkung dieses bildgewaltige Weltraumepos auf der großen Leinwand zu entfalten vermag. Auch auf meinem Fernseher mit einer Bildschirmdiagonalen von ziemlich genau einem Meter vermochte mich der Film auf DVD in HD-Qualität wirklich zu beeindrucken und das obwohl ich den Streifen vor längerer Zeit bereits zweimal gesehen hatte. Lynchs Version des Stoffes zeichnet sich durch einen eigenwilligen Noir-Barock-Stil aus, welcher die gezeigte Welt eher wenig futuristisch aussehen lässt. Das sorgt für eine merkwürdig-anachronistische Ästhethik wie man sie im Scifi-Kino eher nicht so oft zu sehen bekommt. Für das Szenenbild verpflichtete man Anthony Masters, der sein großes Können schon mit Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum (1968) unter Beweis gestellt hatte. Die unterschiedlichen Kostüme der diversen Figuren und Gruppierungen wurden von Bob Ringwood entworfen, der später in gleicher Funktion bei Tim Burtons Batman (1989) wirken sollte. Der Italiener Carlo Rambaldi (1925-2012) hatte zuvor legendäre Kreaturen wie die Titelfiguren in Alien (1979)und E.T. – Der Außerirdische (1982) erschaffen und erweckte für Dune die riesigen Sandwürmer zum Leben. Für die absichtlich dunkle Bildgestaltung zeichnete Lynchs Weggefährte Freddie Fisher (1917-2007; Der Elefantenmensch, The Straight Story) verantwortlich. Die wenig beleuchteten Szenerien und die eher sparsame Farbgestaltung verleihen dem Film sein alptraumhaftes Feeling. Dadurch bekommt man als Zuschauer von den großen Wüstenpanoramen des Planeten Arrakis wenig zu sehen.

Bei der kürzlichen Wiederholungssichtung war ich erstaunt wie gut die Adaption von Herberts Buch doch über weite Strecken funktioniert. Unter den Kinobesuchern verteilte man damals übrigens „Spickzettel“, auf welchen wichtige Begriffe und Namen erklärt wurden. Natürlich ist es sehr wahrscheinlich, dass man völlig ohne Vorkenntnisse dem Film nur schwer folgen kann. Lynch gelingt es aus meiner Sicht aber, die elementaren Details der Geschichte zu vermitteln. Die unterschiedlichen tonangebenden Parteien dieser fernen Welt werden gekonnt in Stellung gebracht: der scheinbar über allem thronende Imperator, die Schwesternschaft der Bene Gesserit (einem Hexenorden, der durch ein Zuchtprogramm den perfekten Übermenschen erschaffen will), die Adelshäuser Harkonnen und Atreides (welche beide mit der Förderung des Spice betraut werden) und natürlich die wahre Macht im Universum, die überaus einflussreiche Raumfahrtgilde, deren Navigatoren durch den Konsum von Spice deformiert werden und deren Leben gleichzeitig verlängert wird. Mit den in einigen Szenen aus dem Off eingestreuten Gedanken der Figuren wird eine besondere Nähe zum Roman hergestellt und die Zeit effektiv genutzt, um die Story voranzubringen.

Dennoch geht vor allem im letzten Drittel alles zu schnell über die Bühne. Gut zwei Stunden sind eben doch für die Menge an Inhalt nicht ausreichend und am Ende rächt es sich etwas, dass sich der Film vor allem am Anfang viel Zeit nimmt. Für mich fühlten sich weite Teile ab der Ankunft von Paul und Jessica bei den Fremen wie eine lange Montageszene an. Die Raffung der Laufzeit hat auch zur Folge, dass viele Charaktere und deren teil namhafte Darsteller kaum mehr als ein oder zwei Szenen zur Verfügung haben, etwa Max von Sydow als Planetologe Dr. Kynes und Linda Hunt (Oscar für Ein Jahr in der Hölle) als Shadout Mapes. Die Rollen von Everett McGill als Fremen-Anführer Stilgar und Sean Young (Blade Runner) als Chani gehen im rasenden Tempo ziemlich unter. Musiker Sting von The Police, der hier den sadistischen Feyd-Rautha Harkonnen verkörpert, darf kaum mehr als drei Sätze von sich geben. Die wenig zimperliche Darstellung von Baron Harkonnen als in merfacher Hinsicht degeneriertem Monster lässt sich als homophob interpretieren. Für Hauptdarsteller Kyle MacLachlan war Dune sein erster Kinofilm und er sollte in der Folge noch öfter mit Meister Lynch zusammenarbeiten, nämlich in Blue Velvet (1986) und als spleeniger FBI-Agent Dale Cooper in der Kultserie Twin Peaks (1990/91), den dazugehörigen Kinofilm (1992) und der „Rückkehr“-Staffel von 2017. Auch Everett McGill und Jack Nance (Eraserhead) folgten ihm nach Twin Peaks.

David Lynch betrachtet Dune als sein einzig gescheitertes Projekt. Die Erfahrung der Produktion hat ihn dermaßen geprägt, dass er seitdem keine Interviews mehr zum Film gibt und es auch ablehnte, an weiteren Fassungen beteiligt zu werden. Stattdessen setzte der Kultregisseur fortan nur noch eigene Stoffe um. Dem Wüstenplaneten-Epos war in der Kinokasse kein großer Erfolg vergönnt, nur etwa 30 Millionen Dollar wurden eingespielt. Die enttäuschende Box-Office-Performance ist allerdings auf die falsche Erwartungshaltung des Kinopublikums zurückzuführen, die mit einem anspruchslosen Weltraumabenteuer à la Star Wars und nicht mit einem weniger actionorientierten und weniger zugänglichen Streifen rechneten. Dennoch hat sich Dune – Der Wüstenplanet mit der Zeit seinen Status als Kultfilm zurecht erarbeitet.

1988 wurde im US-Fernsehen eine etwa dreistündige TV-Fassung als zweiteilige Miniserie gesendet, inklusive einem anderen Prolog mit Concept Art und Erzählerstimme sowie diverser zusätzlicher und erweiterter Szenen. David Lynch lehnte diese Fassung ab und ließ seinen Namen aus den Creditsentfernen. Weitere Fernseh-Adaptionen gab es mit zwei dreiteiligen Miniserien des SyFy-Channels: Dune (2000, Regie John Harrison) und Children of Dune (2003, Regie: Greg Yaitanes), letztere basierend auf den zwei folgenden „Dune“-Romanen von Frank Herbert.

Dune – Der Wüstenplanet wurde sowohl in der Kinofassung als auch der erweiterten TV-Version in verschiedenen Ausführungen auf DVD und BluRay veröffentlicht. Am 26. August 2021 erscheint zudem eine 4k-Ultra-HD-Fassung auf BluRay (siehe Bild oben). Der Film ist derzeit Teil des Angebots von Netflix und mit Zusatzkosten bei weiteren Streaminganbietern verfügbar.

Fazit: Düster, bildgewaltiges, bizarr-surreales Weltraumepos, welches in der Kinofassung lediglich im letzten Drittel erzählerisch unrund wirkt und dennoch als außergewöhnlich betrachtet werden kann. 9 von 10 Punkten.

 

Marius Joa, 14. August 2021. Bilder: Koch Media.

 

 

 

 


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