Excalibur (1981)

Zwei Jahrzehnte bevor Peter Jacksons Verfilmung von Tolkiens Herr der Ringe neue Maßstäbe im Fantasykino setzen sollte, drehte John Boorman mit Excalibur eine Adaption der Sagen um König Artus, Zauberer Merlin und das magische Schwert aus dem Stein, welche immer noch zu den Genre-Highlights zählt. Für mich ein besonderer Film.

Excalibur
Fantasyfilm UK, USA 1981. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 141 Minuten (BluRay). Kinostart: 29. Oktober 1981.
Mit: Nigel Terry, Nicol Williamson, Helen Mirren, Cherie Lunghi, Nicholas Clay, Paul Geoffrey, Liam Neeson, Patrick Stewart, Keith Buckley, Gabriel Byrne, Ciarán Hinds, Niall O’Brien, Clive Swift u.v.a. Nach Le Morte d’Arthur von Sir Thomas Mallory. Drehbuch: Rospo Pallenberg und John Boorman. Regie: John Boorman.



Das Schwert, der Gral und der Atem des Drachen

Britannien, im frühen Mittelalter. Eigentlich sollte Uther Pendragon (Gabriel Byrne) als Träger des magischen Schwertes Excalibur die zerstrittenen Fürsten des Landes als König vereinen und auch mit dem Herzog von Cornwall (Corin Redgrave) Frieden schließen. Doch als Uther Igrayne (Katrine Boorman), die Ehefrau Cornwalls, erblickt wird er von großer Lust gepackt und der Konflikt bricht erneut aus. Mit der Hilfe des Magiers Merlin (Nicol Williamson) schläft Uther in Gestalt des Herzogs mit Igrayne. Neun Monate später bringt sie einen Sohn zur Welt, den Merlin als Gegenleistung für seine Dienste fordert. Merlin nennt den Jungen Arthur und gibt in die Obhut des Ritters Sir Ector (Clive Swift), der Arthur an der Seite seines eigenen Sohnes Kay (Niall O’Brien) aufzieht.

Jahre später ist Arthur (Nigel Terry) zu einem jungen Mann herangereift, der seinem älteren Ziehbruder Kay als Knappe dient. Seit dem Tod Uthers steckt das Schwert Excalibur in einem Stein fest und niemand vermag es herauszuziehen. Auf der Suche nach einer Turnierwaffe für Kay findet Arthur zufällig Excalibur und zu aller Überraschung gelingt es ihm, das Schwert aus dem Stein zu ziehen. Nach einigen Unstimmigkeiten wird er zum König gekrönt Unter Arthurs Herrschaft gedeiht das Land, doch schon bald wird die Blütezeit überschattet. Arthur Ehefrau Guinevere (Cherie Lunghi) und sein bester Freund, Ritter Lancelot (Nicholas Clay), verlieben sich ineinander. Arthurs Halbschwester Morgana (Helen Mirren) will Rache für den Tod ihres Vaters und lässt nichts unversucht, ihren Bruder zu Fall zu bringen während Merlins Einfluss schwindet…

Uther Pendragon (Gabriel Byrne) und Merlin

Jeder Filmfan hat gewisse Werke, von welchen man in der Kindheit oder frühen Jugend geprägt wurde. Ein solcher Film ist für mich Excalibur von John Boorman aus meinem Geburtsjahr. Mit etwa elf Jahren sichtete ich den Fantasy-Streifen das erste Mal und war verstört und fasziniert zugleich. Über die Jahrzehnte hat die Adaption bekannter Elemente aus der Artussage seinen Platz in der (mittlerweile sehr langen) Liste meiner absoluten Lieblingsfilme behalten. Vor neun Jahren kam ich sogar in den Genuss einer kleinen Kino-Wiederaufführung, bevor ich vor kurzem den Film erstmals auf BluRay sichtete. Auch 43 Jahre nach der Erstveröffentlichung und etwa dreißig Jahre nach meiner ersten Sichtung hat Excalibur nichts von seiner Magie eingebüßt, obgleich ich ihn heutzutage natürlich mit ganz anderen Augen sehe.

Sir John Boorman (geboren am 18. Januar 1933), 2022 von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen, führte in seiner langen Karriere bei 22 Filmen Regie und erhielt fünf Oscar-Nominierungen. Nach dem Thriller Deliverance – Beim Sterben ist jeder der Erste (1972), dem Science-Fiction-Fantasy-Hybriden Zardoz (1974) und dem Horror-Sequel Der Exorzist II: Der Ketzer (1977) wollte sich Boorman an einer Verfilmung von J.R.R. Tolkiens legendärem Fantasy-Roman Der Herr der Ringe versuchen und schrieb gemeinsam mit Co-Autor Rospo Pallenberg das Drehbuch für eine dreistündige Fassung des Stoffes. Da es sich aber als schwierig gestaltete, ein Studio für die Finanzierung zu finden, entschlossen sich Boorman und Pallenberg die Tolkien-Adaption fallen zu lassen und kehrten stattdessen zu einem bereits seit den späten 1960ern geplanten Film über König Artus und das Schwert Excalibur zurück. Gedreht wurde 1980 an verschiedene Burgen und Naturkulissen in den irischen Counties Wicklow, Kerry und Tipperary sowie in den Ardmore-Studios in Bray. Der Brite Boorman lebte bis vor zwei Jahren in Irland und manche Locations befanden sich nicht weit weg von seinem Wohnort.

Würde man einen vergleichbaren Streifen heute wohl mit allerhand Computer-Animationen produzieren, so war dies Anfang der 1980er noch nicht möglich. Stattdessen setzte man auf aufwändige Schlachtszenen mit zahlreichen Statisten sowie die Möglichkeiten der Beleuchtung. Ein Teil des visuellen Reizes von Excalibur machen die für sich genommen schon mystischen Wälder Irlands aus. Dazu verwendete das Team um Kameramann Alex Thomson (der eine Oscar-Nominierung erhalten sollte) grüne Scheinwerfer, welche für eine mystische Atmosphäre sorgen. Beim kürzlichen Rewatch fand ich vor allem eine Schlacht ziemlich am Anfang stark, bei welcher eine Burg belagert wird und man Scharmützel an allen Ecken und Enden sieht.

Helen Mirren als Morgana

Obwohl die Geschichte im frühen Mittelalter (ca. 4. / 5. Jahrhundert) spielt, verwendete man Rüstungen aus dem Hochmittelalter (ca. 14. Jahrhundert), was allerdings keinen wirklichen Anachronismus darstellt, weil das Drehbuch auf Le Morte d’Arthur, einer Sammlung von Erzählungen des Ritters Sir Thomas Malory aus dem Jahr 1485 basiert. Ich bin kein Historiker, kenne aber wenige Filme, in welchen das Kämpfen in voller Rüstung so vergleichsweise realistisch dargestellt wird. Man kann förmlich spüren, wie schwerfällig die Ritter sind und wie beschwerlich Reiten bzw. Kämpfen mit den schweren Panzerungen gewesen sein muss. Erstaunlich, um nicht zu sagen erschreckend, dass Excalibur trotz seiner Brutalität eine FSK-Freigabe ab 12 Jahren erhalten hat. Die schimmernden Rüstungen verleihen ihren Trägern einen erhabenen Glanz. Die passende musikalische Untermalung lieferte ein Original-Score vom Südafrikaner Trevor Jones sowie das altbekannte O Fortuna aus Carl Orffs Vertonung der Carmina Burana und Auszüge aus Richard Wagners Opern.      

Trotz der bodenständigen Darstellung des Rittertums beeindruckt mich John Boormans Artus-Adaption vor allem mit seinem Konzept von Magie als etwas Allgegenwärtiges, eine Macht, die in allem wohnt und von Zauberer Merlin als unsichtbarer Drache personifiziert wird. Dieses spannende Weltbild zwischen Animismus und Pantheismus stellt den Glauben an die alten Götter dar, welcher durch das sich ausbreitende Christentum allmählich dem Vergessen anheimfällt. Magie ist hier eine ganzheitliche Erfahrung und setzt in der Natur schlummernde Kräfte frei. Auf die Spitze getrieben wird dies durch einen einzigen Zauberspruch in der altirischen Sprache, welcher im Verlauf der Handlung mehrfach verwendet wird und übersetzt in etwa „Atem des Drachen, Zauber von Leben und Tod, dein Omen der Schöpfung.“ lautet. Dieser Schöpfungszauber vermag urtümliche Mächte freizusetzen, was Boorman und seine Crew auch meisterlich inszenieren, siehe die grandiose Szene in der Tropfsteinhöhle.

Die zahlreichen Sagen um Artus, Merlin, Morgana, Lancelot, den heiligen Gral, das legendäre Schwert usw. bieten eigentlich zu viel Stoff für einen Film, weswegen es schon öfters Adaptionen in Form von TV-Zweiteilern, siehe Merlin (1998) von Steve Barron oder die Romanverfilmung Die Nebel von Avalon (2001) von Uli Edel, oder Serien wie Camelot (2011) und Cursed (2020) gab. Boorman und Pallenberg schaffen es jedoch ganz gut, wichtige Elemente in die Laufzeit von zwei Stunden und zwanzig Minuten zu packen. Zuschauer*innen völlig ohne Vorkenntnisse könnten allerdings ihre Probleme haben. Denn der Schwerpunkt liegt hier weniger auf stimmigen Figuren und einer detailliert ausgearbeiteten Handlung, sondern auf der Interpretation bekannter Sagen-Elemente in Form eines Zyklus von Geburt, Leben, Verfall und Tod. Die ursprünglich Schnittfassung betrug etwa drei Stunden und ich würde mir wünschen, dass diese irgendwann doch veröffentlicht wird. Etwas mehr Zeit würde dem Plot sicherlich gut zu Gesicht stehen.

Was Excalibur allein sehenswert macht: der illustre Cast aus damals noch ziemlich unbekannten, aber heute sehr gefeierten Schauspieler*innen. Nigel Terry (1945-2015) hinterließ eher selten seine Spuren im Kino hinterließ (z.B. Caravaggio [1986] und Troja [2004]) und war überwiegend im Theater tätig. Hier überzeugte er im Alter von 35 sowohl als junger als auch als älterer Arthur. Helen Mirren (79), die seine böse Halbschwester Morgana spielt, avancierte in den Jahrzehnten danach zu einem der größten britischen Stars, mit gefeierten Performances in Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber (1992), Gosford Park (2001), Die Queen (2006) und als Polizistin in der Krimiserie Heißer Verdacht (1991-2006).

Neben Patrick Stewart (Star Trek: The Next Generation, X-Men-Filmreihe) als Leondegrance sehen wir die irischen Akteure Gabriel Byrne (Die üblichen Verdächtigen, In Treatment) als Uther Pendragon, Liam Neeson (Schindlers Liste, 96 Hours) als Gawain und Ciarán Hinds (Rom [Serie], Belfast) als Lot, die damals alle noch am Anfang ihrer erfolgreichen Karrieren standen. Mein persönlicher Favorit ist und bleibt aber Nicol Williamson (1936-2011) als eigenwillige Version des bekannten Zauberers Merlin, der hier nicht wie üblich mit langem wallenden Bart und Spitzhut auftritt, sondern mit Silberhelm, mit einer Mischung aus geheimnisumwobener Aura und ironischer Distanz überzeugt. Regisseur John Boorman ließ es sich nicht nehmen, seine Kinder im Film unterzubringen: Tochter Katrine spielt Igrayne während Sohn Charley (bekannt durch seine Motorradtrip-Dokus mit Ewan McGregor) den jungen Mordred verkörpert.

Für mich ist und bleibt Excalibur eine der wenigen wirklichen gelungenen Verfilmungen des Stoffes, vor allem aufgrund seiner besonderen Atmosphäre. Stilistisch in eine ähnliche Richtung geht der genau vierzig Jahre später veröffentlichte The Green Knight (2021) von David Lowery. Merlins Schöpfungszauber kann ich bis heute auswendig und verwende diesen auch gelegentlich. 😉  

Zum Thema „Filme aus unserer Jugend“ haben sich Johannes und ich Excalibur für die neue Folge des Unter Vieraugen-Podcasts angesehen und geben unsere Eindrücke aus unterschiedlichen Perspektiven wieder.

Jetzt reinhören!


Excalibur ist auf DVD und BluRay sowie als kostenpflichtiger Stream bei diversen Anbietern erhältlich.

Fazit: Mit Excalibur hat John Boorman nicht nur einen stark besetzten, sehr stimmungsvollen und mystischen Fantasyfilm geschaffen, sondern auch die wohl beste Leinwand-Adaption der Artus-Epik aller Zeiten. 9 von 10 Punkten.


Hochzeit von Arthur und Guinevere
Gawain (Liam Neeson), Morgana und Lot (Ciarán Hinds)
Genial: Nicol Williamson als Merlin
Die Tafelrunde



BluRay-Features

Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch, Tschechisch.
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch für Hörgeschädigte, Italienisch für Hörgeschädigte, Dänisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Hebräisch, Notwegisch, Portugiesisch, Schwedisch, Spanisch.

Extras:
USA-Kinotrailer
Audiokommentar von Regisseur John Boorman



Reviews zu weiteren Adaptionen der Artussage:

Merlin (TV-Zweiteiler, 1998)
King Arthur (2004)
Arthur & Merlin (2015)
King Arthur: Legend of the Sword (2017)
The Green Knight (2021)



Marius Joa, 19. Oktober 2024. Bilder: Warner.


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