Following (1998)

Während aktuell Christopher Nolans elfte Regie-Arbeit Tenet die Kinos wieder im großen Stil zum Laufen bringen soll lohnt sich ein Blick auf sein Spielfilmdebüt, den mit sehr wenig Geld gedrehten Noir-Thriller Following.


Following
Neo-Noir-Thriller UK 1998. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 70 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Jeremy Theobald, Alex Haw, Lucy Russell, John Nolan u.a. Drehbuch und Regie: Christopher Nolan.

 


Minimalistisches Debüt

Einem älteren Polizisten (John Nolan) erzählt Bill (Jeremy Theobald) seine Geschichte: um Inspiration als Schriftsteller zu finden beginnt der junge Mann zufällig unterschiedlichen Leuten zu folgen. Doch Cobb (Alex Haw), ein Mann mit schickem Smoking und mit Sporttasche, stellt seinen Verfolger zur Rede. Nachdem Bill Cobb von seiner Neigung erzählt hat nimmt dieser ihn mit auf seine Einbruchstouren. Cobb ist nicht einfach auf Wertgegenstände aus, er stiehlt scheinbar wahllose Dinge aus den Wohnungen von Fremden, um die Opfer nachdenklich zu machen. Schließlich trifft Bill in einem Nachtclub auf eine geheimnisvolle Blondine (Lucy Russell), mit welcher er ein Verhältnis beginnt. Die Frau bittet ihn um einen Gefallen. Weil ihr Ex-Freund, ein gefährliche Gangsterboss (Dick Bradsell), sie mit erotischen Fotos erpresst, soll Bill diese aus dessen Tresor stehlen…

Schaut man sich das Blockbusterkino der letzten gut 15 Jahre an, so ist ein Name untrennbar mit einem hohen Qualitätsanspruch im Mainstreamfilm verbunden: Christopher Nolan. Der 1970 geborene britisch-amerikanische Filmemacher hat nicht nur den düsteren Comichelden im Fledermauskostüm zu einer absoluten Highlight-Trilogie verholfen (Batman Begins, The Dark Knight, The Dark Knight Rises), sondern auch weitere eindrucksvolle Zelluloid-Epen geschaffen. Prestige (2006) kombiniert meisterhaft die Rivalität zweier Magier im England des späten 19. Jahrhunderts mit der Struktur eines Zaubertricks. Mit Inception (2010) schuf Nolan einen surreal-verschachtelten Traum-Actioner, in Interstellar (2014) schickte er eine Gruppe Astronauten auf eine dimensionsübergreifende Reise ins All. Dunkirk (2017) behandeltt auf drei Ebenen eine aussichtlose Rettungsaktion im Zweiten Weltkrieg. Zwei Dinge sind kennzeichnend für das Werk des 50jährigen: der eigenwillige Einsatz von Zeit und ein meist völlig unerwartetet Plottwist. Den Zenit seines Schaffens erreichte Nolan aus meiner Sicht mit seiner zweiten Regie-Arbeit Memento (2000), einem rückwärts erzählten Thriller über einen Mann, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat. Doch bereits in seinem Langfilmdebüt zwei Jahre vorher bewies Nolan seine Klasse.

Following stellt natürlich den krassen Gegensatz zu den späteren Großproduktionen Nolans mit Budgets zwischen 100 und 200 Millionen Dollar (oder mehr) dar. Der Film entstand während und nach Nolans Literaturstudium am University College London. Um Geld zu sparen nutzte er den technischen Fundus des Filmclubs der Hochschule. Der Produktionsstab setzte sich fast ausschließlich aus Freunden, Familienmitgliedern und Bekannten zusammen. Weil alle Beteiligten ihren herkömmlichen Berufen nachgingen konnten die Dreharbeiten nur an Wochenenden stattfinden und dauerten deshalb etwa ein Jahr. Nolan schrieb nicht nur das Drehbuch und führte Regie, sondern agierte auch als Produzent, übernahm die Kameraführung und war maßgeblich am Schnitt beteiligt. Um möglichst wenig vom teuren 16mm-Filmmaterial zu verbrauchen wurde jede Szene intensiv vorbereitet und simuliert, um diese dann in einem oder maximal zwei Takes im Kasten zu haben. Das Budget betrug lediglich etwa 6.000 Dollar.

Durch diese effektive Machart entpuppt sich Following als straff inszenierter Film, der wirklich kein Gramm zu viel auf den Rippen hat, was sich auch in der schmalen, aber keinesfalls zu kurzen Laufzeit von 70 Minuten niederschlägt. Mit einer nichtchronologischen Erzählweise verschachtelt Nolan die insgesamt nicht direkt komplexe Story. Doch diese Herangehensweise gestaltet die ganze Geschichte bis zum offenbarenden Ende so undurchdringlich wie sie der Protagonist erlebt. Dadurch bewies Nolan schon zu Beginn seiner Karriere, dass man der althergebrachten und im Mainstream-Kino zu selten variierten klassischen Dramaturgie dennoch etwas Neues und Erfrischendes abgewinnen kann.

Nicht nur mit der düsteren Handlung, sondern auch der reduzierten Schwarzweiß-Ästhetik steht Following in der Tradition altbekannter Vertreter des Film Noir wie Die Spur des Falken (1941) von John Huston oder Frau ohne Gewissen (1944) von Billy Wilder. Lucy Russell, die Darstellerin der namenlosen Femme Fatale, sieht sogar aus als entstammte sie einem dieser Streifen aus den 1940er oder 1950er Jahren wenngleich Following ganz klar in den 1990ern spielt. Alex Haw, der den undurchsichtigen Cobb verkörpert (Leonardo DiCaprios Hauptfigur in Inception trug den gleichen Namen), trat hinterher als Filmschauspieler nie wieder in Erscheinung während Hauptdarsteller Jeremy Theobald, der gemeinsam mit Nolan und dessen Ehefrau Emma Thomas produzierte, und Russell (Die Lady und der Herzog, Toni Erdmann, The Crown) ihre Karrieren weiterverfolgten. Für die Rolle des Polizeibeamten besetzte Christopher Nolan seinen Onkel John Nolan.

Following ist auf DVD erhältlich. Als Bonusmaterial gibt es neben einem Audiokommentar des Regisseurs auch die chronologische Schnittfassung des Films.

Fazit: Trotz geringem Budget überzeugt Christopher Nolans Debüt als stimmungsvoll-minimalistischer Neo-Noir-Thriller. 8 von 10 Punkten.

 

 

Marius Joa, 30. August 2020. Bilder: Flaxfilm/AL!VE.

 


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