Jodorowsky’s Dune

Nach der umstrittenen Kinoversion von David Lynch aus dem Jahre 1984 und einer TV-Miniserie von 2000 wird es ab 2020 eine weitere Adaption von Frank Herberts Science-Fiction-Epos Dune – Der Wüstenplanet geben, dieses Mal unter Regie von Denis Villeneuve. Doch mindestens genauso interessant dürfte Jodorowsky’s Dune sein, die Doku über eine leider nicht zustande gekommende Verfilmung des Romans…

Jodorowsky’s Dune
Dokumentation Frankreich, USA 2013. 87 Minuten.
Mit: Alejandro Jodorowsky, Michel Seydoux, Chris Foss, Jean-Paul Gibon, Brontis Jodorowsky, Richard Stanley, Amanda Lear, HR Giger u.a. Regie. Frank Pavich.

The Greatest Science Fiction Movie never made!

Mitte der 1970er wollte der chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky (geboren 1929), bekannt für seine surrealistischen Filme wie El Topo (1970) oder Montana Sacra – Der heilige Berg (1973), den Roman Dune – Der Wüstenplanet (erschienen 1965) von Autor Frank Herbert (1920-1986) fürs Kino verfilmen. Anhand von Interviews, Archivaufnahmen und animierten Storyboards zeichnet Frank Pavich (Die, Mommie, Die!) die Geschichte des vielleicht kuriosesten Filmprojekts nach, welches nie realisiert wurde.

Der Roman spielt in einer fernen Zukunft. Im Jahr 10 191 beherrscht ein Feudalsystem unter Führung eines Imperators die Galaxis. Dank der bewusstseinserweiterenden Droge Spice (auch bekannt als Melange) sind intergalaktische Reisen möglich. Spice kann jedoch nur auf dem lebensfeindlichen Wüstenplaneten Arrakis gewonnen werden. Herzog Leto aus dem Haus Atreides wird vom Imperator beauftragt, die Spice-Förderung auf Arrakis zu überwachen. Doch die ehrenvolle Aufgabe entpuppt sich als tödliche Falle. Letos Sohn Paul kann dieser jedoch gemeinsam mit seiner Mutter Jessica entkommen und die beiden finden Zuflucht bei den Fremen, den Wüstenbewohnern Arrakis‘. Die Fremen erkennen in Paul einen lange prophezeiten Heilsbringer. Ein Aufstand gegen den Imperator und das degenerierte Haus der Harkonnen, die hinter dem Komplott gegen Pauls Vater stecken, steht bevor.

 Raumschiffdesign von Chris Foss

Für die einen ist Alejandro Jodorowsky ein Verrückter, für andere ein visionärer Künstler. Mit seinen surrealen Filmen polarisierte der chilenische Regisseur, Autor, Schauspieler und Produzent Publikum und Filmkritik. El Topo (1970), ein in Mexiko gedrehter Western mit Alejando und seinem damals siebenjährigen Sohn Brontis in den Hauptrollen, war bis 2012 in Deutschland indiziert. Nach dem „Fantasyfilm“ Montana Sacra – Der heilige Berg (1973) machte sich Jodorowsky an die große Aufgabe, den Roman Dune – Der Wüstenplanet (hierzulande erstmals 1967 in gekürzter, 1978 in einer vollständigen deutschen Übersetzung veröffentlicht) von Frank Herbert für die große Leinwand zu adaptieren. Doch „Jodo“ wollte nicht nur einen Film wie einen LSD-Rausch erschaffen (ohne dass man als Zuschauer LSD konsumieren muss), sondern mit seiner Vision auch den Geist der Jugend transformieren. Für dieses irre Vorhaben waren Mitstreiter („spirituelle Krieger“) notwendig. Jodo engagierte den legendären Comic-Künstler Jean Giraud alias Moebius, der unzählige Storyboards für jede geplante Kameraeinstellung zeichnete. Das Design der Raumschiffe übernahm der britische Science-Fiction-Illustrator Chris Foss. Dan O’Bannon, dessen Arbeit Jodorowsky in John Carpenters Scifi-Parodie Dark Star (1974) gesehen hatte, war der Mann für die Spezialeffekte. Der Schweizer Hansruedi „HR“ Giger entwarf ebenfalls Designs für das Projekt. Für die musikalische Untermalung der unterschiedlichen Häuser in der Geschichte wollte der Regisseur verschiedene Progressive-Rock-Gruppen: Die Briten von Pink Floyd sollten die Familie Atreides (die Guten) vertonen, die französische Formation Magma den Score für das Haus Harkonnen (die Bösen) komponieren.

Doch auch bei der Besetzung hatte man wahrlich Großes vor. Die kleine Rolle des Imperators sollte der legendäre surrealistische Künstler Salvador Dáli verkörpern, der mit einer geforderten Gage von 100 000 Dollar pro Stunde der bestbezahlteste Schauspieler aller Zeiten sein wollte. Orson Welles war für die Rolle des stark übergewichtigen Baron Harkonnen vorgesehen. Um Welles den Part schmackhaft zu machen erwägte Jodorowsky, den Koch aus dem Lieblingsrestaurant des Amerikaners zu engagieren. Weitere Pläne für den Cast sahen folgendermaßen aus: David Carradine (Kung Fu) als Herzog Leto, Mick Jagger als böser Feyd Rautha, Udo Kier als Piter de Vries, Amanda Lear als Prinzessin Irulan und Jodorowskys damals 12jähriger Sohn Brontis als junger Paul Atreides.

Frank Pavich zeichnet in seiner Doku Stück für Stück die einzelnen Etappen der Filmentwicklung nach. Hauptsächlich geschieht das in interview-Sequenzen mit Alejandro Jodorowsky, der mit großer Leidenschaft und wilden Gesten von seinen Erlebnissen in radebrechendem Englisch oder auch auf Spanisch erzählt. Weitere Beteiligte des Projekts wie die Produzenten Michel Seydoux und Jean-Paul Gibon, die Künstler Chris Foss und HR Giger sowie Jodorowskys ältester Sohn Brontis kommen ebenso wie andere Filmschaffende zu Wort. Gemeinsam mit den hervorragenden Animationen der Storyboards von Moebius und dem stimmungsvoll-spacigen Elektroscore des amerikanischen Komponisten Kurt Stenzel ergibt sich ein überaus plastisches Bild des extravaganten, wenn nicht irren Vorhabens Jodorowskys.

An dessen megalomanisch-mystischer Herangehensweise scheiterte vermutlich die Produktion. Nach seinen Vorstellungen sollte der Film zehn (oder vierzehn) Stunden lang werden. Das Skript mit allen 3.000 Storyboard-Zeichnungen und Konzeptbildern mutierte zum gigantischen Wälzer, dicker als das Telefonbuch einer Millionenstadt. Um die notwendige Finanzierung zu komplettieren, stellten Jodorowsky und Seydoux ihr Vorhaben jedem der großen Hollywood-Studios vor. Alle lehnten es ab, das überaus waghalsige Projekt finanziell zu unterstützen. Somit konnte Jodorowskys Vision von einem Weltraumepos nicht verwirklicht werden. Doch, um es mal euphemistisch auszudrücken, lebt seine Version von „Dune“ in anderen Filmen weiter. Elemente fanden sich in der Folge unter anderem auch in George Lucas originaler Star Wars-Trilogie und Terminator, nachdem jedes Studio in Hollywood eine Kopie des oben erwähnten Drehbuch-Schinkens erhalten hatte. Für Alien von Ridley Scott wurden übrigens „rein zufällig“ Dan O’Bannon, Chris Foss, HR Giger und Jean Giraud alias Moebius engagiert.

Die Kino-Geschichte des Romans Der Wüstenplanet endete allerdings nicht mit dem Scheitern Jodorowskys. Anfang der 1980er erwarb Produzent Dino De Laurentiis die Rechte und drehte mit David Lynch als Regisseur eine umstrittene und generell als gescheitert angesehene Leinwandversion, die 1984 das Licht der Kinosäle erblickte. 2000 erschien eine vom amerikanischen Syfy-Channel produzierte dreiteilige Miniserie. Die beiden Folgebände der „Dune“-Reihe wurden als weiterer Dreiteiler Children of Dune (2003) fürs Fernsehen adaptiert. Der auf ganz andere Art visionäre kanadische Filmemacher Denis Villeneuve (Arrival, Blade Runner 2049) wagt sich an einer Neuverfilmung der Weltraumsaga in zwei Filmen. Der erste Teil soll im November 2020 weltweit in den Kinos starten.

Nach der deutschen TV-Premiere am 15. Februar 2019 bei Arte ist Jodorowsky’s Dune noch bis einschließlich 16. März 2019 in der Mediathek abrufbar. Auf DVD und BluRay gibt es die Doku bisher leider nur in einer französischen Version sowie als US-Import.

Fazit: Jodorowsky’s Dune gefällt als hochinteressante Retrospektive der gescheiterten „Wüstenplanet“-Adaption des berüchtigen chilenischen Filmemachers und macht große Lust auf ein extravagentes Kinoepos, das es bedauerlicherweise nicht gibt. 9 von 10 Punkten.

Alejandro Jodorowsky erzählt…
…und zeigt das gigantische Buch
Konzeptzeichnungen der Figuren

 


Marius Joa, 28. Februar 2019. Bilder: Blaq Out/Sony Pictures.

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