Jahrelang mischte ein geheimnisvoller junger Autor, der eigentlich nicht existiert, die Literaturszene auf. Regisseur Justin Kelly widmet sich in seinem Film dem Hoax um „JT LeRoy, mit Kristen Stewart und Laura Dern in den Hauptrollen.
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Zu schön um wahr zu sein – Die JT LeRoy Story (JT LeRoy)
Drama/Komödie USA, Kanada, UK 2018. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 104 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Kristen Stewart, Laura Dern, Diane Krüger, Jim Sturgess, Kelvin Harrison Jr. u.a. Nach dem Buch Girl Boy Girl: How I Became JT LeRoy von Savannah Knoop. Drehbuch und Regie: Justin Kelly.
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Wer ist JT?
Musiker Geoff (Jim Sturgess) lebt mit seiner Lebensgefährtin, der Autorin Laura (Laura Dern), in San Francisco. Laura hat den gefeierten Roman Sarah geschrieben, welcher von einer in Truck-Stops arbeitenden Prostituierten und ihren Kindern handelt. Veröffentlicht wurde das Buch allerdings von einem Autor namens JT LeRoy, einem Ex-Stricher, der darin seine traumatischen Erinnerungen verarbeitet. Nur ist dieser junge Mann eine Erfindung Lauras, die sie in den letzten Jahren aufrecht erhalten hat. Nachdem Geoffs jüngere Halbschwester Savannah (Kristen Stewart) in die Stadt zieht wird diese von Laura überredet, JT LeRoy bei öffentlichen Auftritten zu spielen. Savannah, die sich ohnehin androgyn kleidet, willigt ein. Laura selbst gibt sich als JTs britische Managerin Speedie aus. Das Echo über die ersten Auftritte des mysteriösen Literaturwunders ist enorm. Die französische Schauspielerin Eva Avelin (Diane Krüger) zeigt sich besonders von JT begeistert und möchte dessen autobiographischen Roman mit sich selbst in der Hauptrolle verfilmen. Allmählich scheint die Sache Laura und Savannah über den Kopf zu wachsen…
Das Kuriose an diesem Film ist sicherlich, dass die Geschichte um den fiktiven Autor JT LeRoy auf einer wahren Begebenheit beruht. Laura Albert (geboren 1965) schrieb den erwähnten Roman, erfand dafür JT LeRoy als Verfasser und gab sich über Jahre als dieser am Telefon und in E-Mails aus. Zwischen 1999 und 2005 spielte Savannah Knoop (geboren 1981), die Halbschwester von Alberts damaligem Partner, die Rolle des androgynen, traumatisierten jungen Autors mit Sonnenbrille und auffallender Perücke bei diversen Gelegenheiten. Weite Teile der Literaturszene fielen auf den Hoax herein. Das vermeintliche literarische Wunderkind hatte sogar sehr prominente Fans wie Lou Reed, Debbie Harry und Winona Ryder. Mitte der 2000er Jahre flog der Schwindel allerdings auf. Laura Albert erklärte, sie hätte die fiktive Person als alternative Identität ihrer selbst erfunden als sie damals bei einer Telefonseelsorge anrief, um das Trauma ihres Missbrauchs zu verarbeiten.
Die Geschichte bietet also in zweierlei Hinsicht Potenzial für eine inhaltlich spannende filmische Aufarbeitung. Einerseits mit der Persönlichkeitsstörung der realen Autorin, was sicherlich auch ohne genauere Details Stoff für ein bewegendes Drama abgegeben hätte. Außerdem eignet sich die ganze Story natürlich als perfekter Aufhänger für eine beißende Mediensatire über die selbstherrliche Oberflächlichkeit der Medienlandschaft und was man alles für gute Publicity bereit ist zu tun. Bereits zwei Dokumentarfilm gibt es zu diesem Thema: The Cult of JT LeRoy (2015) von Marjorie Sturm und Author: The JT LeRoy Story (2016) von Jeff Feuerzeig. Filmemacher Justin Kelly (I am Michael, King Cobra, Welcome the Stranger) verdichtete den in der Realität sich über mehrere Jahre abspielenden Schwindel auf eine Zeitspanne von kaum mehr als einem Jahr. Als Vorlage diente ihm Girl Boy Girl: How I Became JT LeRoy, das autobiographische Sachbuch der echten Savannah Knoop, die als Beraterin auch an der Produktion beteiligt war. Auch wenn die oben genannten Zutaten in seinem Skript vorhanden sind und angerissen werden, so erweist sich Kellys Adaption des JT LeRoy-Hoaxes als inhaltlich enttäuschend. Kelly bleibt in seiner Verarbeitung der Story zu vage und unentschlossen. Es wird hier und da ein wenig von Lauras traumatischer Vergangenheit angedeutet. Außerdem lässt sich Kelly den ein oder anderen Seitenhieb auf Presse bzw. Literaturbetrieb nicht verkneifen. Die Ausarbeitung bleibt aber insgesamt zu oberflächlich. Vermutlich wäre hier eine Verfilmung als Miniserie besser gewesen.
Dass man sich JT Leroy als Film aber dennoch ansehen kann ohne die Sichtung hinterher zu bereuen liegt teilweise natürlich am kuriosen Ausgangsmaterial. Dieser kleine, für zwei Millionen US-Dollar gestemmte Indie-Streifen wird allerdings fast allein von den beiden zentralen Schauspielerinnen getragen. Kristen Stewart, die mit ihrer überaus variablen Rollenauswahl längst ihr Image als Teenie-Idol aus den unsäglichen Twilight-Filmen abgestreift hat, glänzt vor allem wenn dann sie eben gerade nicht JT (steht übrigens für „Jeremiah Terminator“) sondern die androgyne Savannah mit zurückhaltendem Spiel verkörpert. Laura Dern (bekannt als Muse von Altmeister David Lynch sowie für u.a. Jurassic Park) gibt hier die überkandidelte Schriftstellerin und Künstlerin sowie die noch überschwänglichere britische Managerin JTs. Ohne die beiden starken Darstellerinnen wäre die Angelegenheit sicherlich weniger unterhaltsam. Die von Diana Krüger (Troja, Aus dem Nichts) gespielte Eva und deren Bestreben den Roman Sarah zu verfilmen ist natürlich eine Anspielung auf Asia Argento, welche das ebenfalls LeRoy zugeschriebene Buch The Heart Us Deceitful Above All Things 2004 verfilmte.
Unter dem dämlichen deutschen Verleihtitel Zu schön um wahr zu sein – Die JT LeRoy Story ist der Film von Justin Kelly auf DVD und BluRay erschienen sowie bei diversen Streaminganbietern erhältlich.
Fazit: Die filmische Aufarbeitung des JT LeRoy-Schwindels kann mit Kristen Stewart und Laura Dern zwei starke Darstellerinnen aufbieten, macht inhaltlich leider viel zu wenig aus seinen Möglichkeiten. 6 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 16. September. Bilder: Koch Films.
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