Im Sommer 2002 sahen Marius Joa und Johannes Michel die Comicverfilmung „Spider-Man“ im Kino und waren sehr enttäuscht. Gut vier Jahre später wagt Marius Joa einen zweiten Versuch.
Comicverfilmung USA 2002. Regie: Sam Raimi. Nach den Comics von Stan Lee und Steve Ditko. Musik: Danny Elfman. 116 Minuten (PAL-DVD). FSK ab 12. Kinostart: 6. Juni 2002.
Mit Tobey Maguire, Willem Dafoe, Kirsten Dunst, James Franco, Cliff Robertson, Rosemary Harris, J. K. Simmons, Bruce Campbell u.v.a.
Spider-Man und sein Netz voller Klischees
Kurz vor seinem Schulabschluss besucht der wissenschaftlich interessierte und begabte Schüler Peter Parker (Tobey Maguire) mit seiner Klasse ein Museum in New York, bei dem die unterschiedlichsten Spinnen ausgestellt sind. Beim Fotografieren wird Peter von einer genetisch veränderten „Superspinne“ gebissen. Zuerst fühlt er sich nur müde und legt sich schlafen. Als Peter jedoch wieder erwacht, bemerkt er Veränderungen an sich: Seine Sehschwäche ist verschwunden und aus dem Nichts haben sich Muskeln aufgebaut (Bild links). Außerdem kann er durch winzige härchenartige Fühler, die aus seinen Händen und Füßen wachsen an Wänden hochklettern. Nach einiger Zeit schießen wie auf Knopfdruck Spinnweben aus seinen Handgelenken, die anfangs nicht immer das tun, was sie sollen. Nach einer eher unfreiwilligen Schlägerei mit dem Freund seiner Angebeteten und Nachbarin Mary Jane Watson (Kirsten Dunst), erkennt Peter, dass er jetzt nicht mehr ganz der belächelte Außenseiter ist. Der Tod seines Onkels und Ziehvaters Ben (Cliff Robertson) setzt Peter und seiner Tante May (Rosemary Harris) schwer zu. Als er den schuldigen Täter stellt, wird Peter klar, dass er ein neue Weg vor ihm liegt. Von nun an kämpft er als Spider-Man gegen Unrecht und Verbrechen. Einen ersten ebenbürtigen Gegner hat Spidey dann auch schon mit dem Grünen Kobold (Willem Dafoe), dem durch einem mit leistungsteigerndem Gas misslungenen Selbstversuch entstandenen, bösen Alter Ego des reichen Industriellen Norman Osborn. Norman ist der Vater von Peters bestem Freund Harry (James Franco) und für Peter vor allem in finanzieller Hinsicht schon dagewesen. Nachdem der Kobold auf seinem ersten öffentlichen Auftritt fast Mary Jane tötet und die ungeliebte Vorstandsetage von Osborns Konzern über den Jordan schickt, ist Spider-Man einmal mehr gefordert. Unglücklicherweise kommt der grüne Kobold hinter das Geheimnis von Spider-Mans wahrer Identität.
Die auch unter dem einfachen Namen „Die Spinne“ bekannte Comicfigur, die ihren ersten Auftritt im August 1962 hatte, dürfte fast jeder irgendwie kennen. Ob aus einer der Zeichentrickserien, der Realserie von 1978/79 mit Nicholas Hammond (in Deutschland wurden drei Doppelfolgen als Kinofilme veröffentlicht) oder durch die unzähligen Comicbücher. Nachdem im Jahr 2000 die Marvel-Comicreihe „X-Men“ im Kino lief, war es nur eine Frage der Zeit bis der von Stan Lee und Steve Ditko erfundene Spinnenmann seinen Weg auf die Leinwand finden würde. Neben Jan de Bont, James Cameron und Ang Lee war auch David Fincher als Regisseur im Gespräch. Die Produzenten entschieden sich aber am Ende für Sam Raimi. Der mittlerweile 47jährige hatte sich bereits bei der Horrorfilmtrilogie „Tanz der Teufel“ und beim starbesetzten Mysterythriller The Gift als Regisseur einen Namen gemacht. Außerdem war Raimi auch ausführender Produzent der trashigen Fantasyserien „Hercules“ und „Xena“. Mit Tobey Maguire („Gottes Werk und Teufels Beitrag“), Kirsten Dunst („The Virgin Suicides“) und Willem Dafoe („Shadow Of The Vampire“) wurden die drei wichtigsten Rollen auch prominent besetzt.
Auch wenn aus der Inhaltszusammenfassung nicht gleich ersichtlich, so bietet die Story bei genauerem Hinsehen von Anfang an die üblichen und schon unzählige Male verwendeten Superhelden-Klischees. Fangen wir bei Peter Parker an: er ist ein Außenseiter (vermutlich weil er intelligent und begabt ist) und wird von den meisten seiner Mitschüler als Loser betitelt und gehänselt. Mitleid mit ihm hat nur die Nachbarstochter Mary Jane, in die Peter, – Überraschung! – seit er denken kann, verliebt ist. Nächste Auffälligkeit: Norman Osborn entwickelt sich durch den Selbsttest des leistungsteigernden Gases (tolle Sache!) an sich selbst zum bösen Kobold (siehe Riddler in „Batman Forever“ und Poison Ivy in „Batman & Robin„). Dass sich der Bösewicht irgendwann die Menschen vorknöpft, die Spider-Man/Peter Parker am nächsten stehen, ist auch ziemlich vorhersehbar (wobei es besonders frappierend ist, wie sehr die Szene auf der Brücke an eine Szene aus „Batman Forever“ erinnert). Natürlich haben die meisten Superhelden miteinander viele Gemeinsamkeiten, da deren Geschichten doch sehr einfach gestrickt sind. Das ist dürfte jedoch kein Freibrief für die Macher (speziell Drehbuchautor David Koepp) sein, sämtliche vorhandenen Comichelden-Klischees in diesen Film zu pressen. Die Dialoge sind auch nicht unbedingt überzeugend, von banal und vorhersehbar über durchschnittlich bis unnötig moralisierend. Die Schauspieler können an den Schwächen nichts ändern. Immerhin schafft es Willem Defoe gerade noch, seinen Kobold-Part trotz eines selten dümmlichen Kostüms nicht ins völlig Lächerliche abgleiten zu lassen. Kirsten Dunst (Bild links) macht als Mary Jane vor allem zwei Dinge: nett in die Kamera schauen oder laut schreien, während Tobey Maguire zwar irgendwie sympathisch wirkt, aber einige mimische Aussetzer bietet, die aussichtsreiche Chancen auf einen Preis für die dümmste Grimasse hätten.
Filmkomponist Danny Elfman liefert zwar einen passenden Score, hat sich aber (wohl aus Ideenmangel?) doch etwas bei seiner eigenen Batman-Filmmusik bedient. Im Bereich Action und Effekte kann „Spider-Man“ auch nicht wirklich überzeugen. Die Actionszenen sind zwar rasant und sehen nett aus, aber von einem Comicfilm erwartet sich man mehr Schauwerte. Es ist zwar nett anzusehen, wenn Spider-Man sich durch die Skyline von New York hangelt, aber dann doch offensichtlich nicht echt, sondern durch CGI erzeugt. Der visuelle Stil erinnert an manchen Stellen etwas auffällig an „Matrix„.
Auch wenn die Erwartungen in Bezug auf die Story bei Comicfilmen meist eher gering sind, so scheitert „Spider-Man“ mit seinem Netz voller gängiger Klischees genau daran. Visuell kann der Film auch nicht überzeugen. Völlig unverständlicherweise kam das Machwerk im Sommer 2002 weltweit bei Kritikern und Publikum gut an. Damit zählt „Spider-Man“ wohl zu den am meisten überbewerteten Filmen aller Zeiten. Dem jüngeren Publikum mögen die genannten Kritikpunkte nicht so auffallen, aber allen, die sich für den Superhelden interessieren, sollten sich eher die Zeichentrickserien ansehen oder zu den Comics greifen.
Fazit: Mehr als 3 von 10 Punkten sind vor allem wegen der klischee-überfrachteten Story einfach nicht drin. Enttäuschende Comicverfilmung ohne Tiefgang und mit zu wenigen Schauwerten.
Spider-Man bekämpft den Grünen Kobold.
Zur DVD:
Den Film gibt es bisher in mehreren DVD-Editionen: als Einzel-DVD mit weniger Bonusmaterial, als 2er DVD-Box mit mehr Bonusmaterial (u.a. Audiokommentare) als Deluxe Edition (3 DVDs) und als Collectors Edition zusammen mit „Spider-Man 2“.
Marius Joa, 11. März 2007. Bilder: Columbia Pictures.
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