Unter Filmfans gilt der Monat Oktober als perfekt für den Genuss von Horrorfilmen. Mit der Erstsichtung von Dario Argentos Giallo-Klassiker Suspiria fröne ich erstmals bewusst dem sogenannten „Horroctober“.
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Suspiria
Horrorfilm Italien 1977. FSK: keine Jugendfreigabe. 95 Minuten. Kinostart: 5. Mai 1977.
Mit: Jessica Harper, Stefania Casini, Flavio Bucci, Miguel Bosé, Barbara Magnolfi, Alida Valli, Joan Bennett u.a. Drehbuch: Dario Argento und Daria Nicolodi. Regie: Dario Argento.
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Sound and Vision, und viel Blut
Die junge Ballerina Suzy Bannon (Jessica Harper) reist aus New York ins deutsche Freiburg, um dort an der renommierten „Tanz-Akademie“ ihr Studium fortzusetzen. Am Abend ihrer Ankunft stürmt ihr eine völlig panische junge Frau (Eva Axén) entgegen, die am nächsten Morgen bestialisch ermordet aufgefunden wird. Suzy wird von den beiden Direktorinnen Miss Tanner (Alida Valli) und Madame Blanc (Joan Bennett) in der Schule eingeführt. Bei ihrer ersten Übungsstunde erleidet Suzy einen Schwächeanfall und bekommt vom herbeigerufenen Arzt einige Tage Ruhe verordnet. Die Atmosphäre in der Akademie gestaltet sich immer unheimlicher. Jede Nacht hallen Schritte durch die Gänge, Seufzen und Stöhnen ist zu hören. Als Mitschülerin Sandra (Stefania Casini) davon berichtet, mehr über die Hintergründe der merkwürdigen Vorgänge zu wissen, verschwindet sie über Nacht. Eines Abends scheint Suzy allein im Gebäude…
Horrorfilme im eigentlichen Sinn sind nicht gerade mein filmisches Spezialgebiet. Aus diesem weitgefächerten Genre haben es mir dann eher Adaptionen von Werken aus der viktorianischen Phantastik angetan, wie die leider nur kurzlebige Serie Penny Dreadful. Mit dem italienischen Subgenre „Giallo“ kam ich bisher nur durch den experimentellen Psychothriller Berberian Sound Studio in Berührung, in welchem ein „Historienfilm“ über ermordete Hexen vertont wird, den man aber nie zu Gesicht bekommt. Was mich schließlich zur Sichtung von Suspiria, jenem Film, der als Höhepunkt im Werk von „Giallo-Papst“ Dario Argento (geboren 1940) bewog, war die Produktion eines Remakes durch seinen Landsmann Luca Guadanino (I Am Love, Call Me By Your Name) mit einem illustren Ensemble um Dakota Johnson, Tilda Swinton und Chloe Grace Moretz, welches am 15. November 2018 in die deutschen Kinos kommen wird.
Suspiria (das Original von 1977) dürfte sicherlich zu den Filmen gehören, welche das Publikum polarisieren. Während die einen ihn als großen Meilenstein des Genres abfeiern, so empfinden andere ihn als inhaltsleer und/oder plump. Beide Lager haben wohl irgendwie Recht. Das Drehbuch von Argento und seiner langjährigen Lebensgefährtin Daria Nicolodi, die eigentlich die Hauptrolle spielen sollte, aber auf Betreiben der Produzenten durch Jessica Harper ersetzt wurde, gibt nicht wirklich viel her. Kaum hat sich der Plot halbwegs entfaltet, beginnt auch schon der große Showdown. Entwicklungspotenzial hätte die Story sicherlich mehr, aber bei einer doch recht schnell vergangenen Laufzeit von gut 90 Minuten gab es wohl zu wenig Platz für eine stringentere Handlung oder Figurenzeichnung.
Vielleicht erscheint „plump“ als ein zu starkes Adjektiv, doch Suspiria ist zweifelsfrei alles andere als subtil. Maestro Argento hat hier zwei zentrale ästhetische Mittel zur Verfügung, mit deren Hilfe er ein knallrotes Psychedelik-Feuerwerk inszeniert. Der Score von Goblin, einer italienischen Progressive-Rock-Band, sorgt mit unheimlichen Melodien, rasselnden Percussions, vergewaltigten Gitarren und finsteren Sounds für ein unheilschwangeres Hörerlebnis komplettiert durch die ohnehin schon gruseligen Geräusche, die man aus dem Katakomben der Tanzschule vernimmt.
Als zweiter, essenzieller Bestandteil verblüfft die sehr farbenfrohe Optik. Nicht nur, dass fast jede Einstellung sich dem Zuschauer mit grellen Rottönen in die Augen brennt. Die alptraumhafte Szenerie wird zudem durch Farbfilter und Beleuchtungseffekte erzeugt. Die Filmkopien wurden in einem bereits 1977 nicht mehr zeitgemäßen Technicolor-Verfahren hergestellt, welches später keine Verwendung mehr fand, hier allerdings für einen surreal-schaurigen Bilderrausch sorgt. Wäre das ganze Setting nicht so unheimlich, so könnte man sich einige Bilder aus Suspiria als Gemälde an die Wand hängen. Somit mag Argentos sechste Regie-Arbeit vielleicht kein Meisterwerk sein, aber für Filmfans aus ästhetischer Gesichtspunkten empfehlenswert. Interessant wird jedenfalls, was das Remake aus dem Stoff macht.
Fazit: Dario Argentos Suspiria gefällt in ästhetischer Hinsicht als audiovisuell hochdosierter Psychedelik-Alptraum, bleibt inhaltlich aber Einiges schuldig. 7 von 10 Punkten.
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Zwischen 1983 und 2014 war Suspiria in Deutschland indiziert und nur in geschnittenen Versionen erhältlich. Obwohl die mir vorliegende DVD-Ausfertigung des Verleihs Centurio 2017 (siehe Bild) veröffentlicht wurde, enthält sie doch nur eine gekürzte Fassung von ca 88 Minuten im Vergleich zu den regulären 95 Minuten. Damit außer mir niemand mehr auf diesen Schwindel hereinfällt empfehle ich eines der Mediabooks von ’84 Entertainment. Trotz der Schnitte besticht die Centurio-DVD mit starker Bild- und Ton-Qualität.
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