Mit Rom gab es endlich mal eine farbenprächtige und kompromisslose Historienserie. In eine ähnliche Schublade passt da auf den ersten Blick The Tudors, über Lieben und Leben Heinrichs VIII. von England. Marius Joa liefert eine exklusive Vorschau und verdeutlicht, dass die Serie nicht nur ein Abklatsch ist.
The Tudors – Staffel 1 (The Tudors – The Complete First Season)
Historienserie Irland/Kanada/USA 2007. 10 Folgen. Freigegeben ab 16 Jahren. Gesamtlänge: ca. 514 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Jonathan Rhys Meyers, Sam Neill, Callum Blue, Henry Cavill, Henry Czerny, Natalie Dormer, Maria Doyle Kennedy, Nick Dunning, Jeremy Northam, Gabrielle Anwar, James Frain u.v.a. Originalkonzept & Drehbuch: Michael Hirst.
It’s Good To Be King
„You think you know a story, but you only know how it ends. To get to the heart of the story, you have to go back to the beginning.”
Eigentlich hat Henry VIII. (Jonathan Rhys Meyers), König von England, ein perfektes Leben. Er ist jung, gut aussehend, mächtig und sportlich fit. Außerdem ist er mit der treuen Spanierin Catherine (Maria Doyle Kennedy) verheiratet und hat eine hübsche Tochter. Doch Henry hat keinen männlichen Erben und das setzt ihm sehr zu. Als Grund sieht er an, dass seine Frau vorher mit seinem jung verstorbenen Bruder verheiratet war, auch wenn ein Edikt des Papstes besagt, dass die Ehe nie vollzogen wurde. Dennoch denkt Henry, dass er und Catherine in Sünde leben und teilt mit ihr nicht mehr das Bett. Stattdessen treibt er es mit den willigsten Hofdamen und fordert nach einigen Überlegungen von seinem Kanzler Cardinal Wolsey (Sam Neill) eine Annullierung seiner Ehe mit Catherine. Die gesamte Angelegenheit zieht sich nach immer wieder auftauchenden Meinungsverschiedenheiten über Jahre hin. Henry wird ungeduldig, hat er doch schon eine Kandidatin als nächste Ehefrau auserkoren, die geheimnisvolle Anne Boleyn (Natalie Dormer). Weil diese sich nicht einfach als Mätresse hingibt und erobert werden will, verliebt sich Henry in Anne. Anne erwidert seine Gefühle, doch das Warten bis zur Erfüllung scheint endlos.
Bei Henry sind die Frauen mitunter kopflos.
Beliebter Stoff
Das englische Königshaus, egal welche Dynastie, war schon immer für große Dramen und viel Gesprächsstoff gut. Seien es die Scheidungen und Ehekrisen der Windsors von heute oder die Ereignisse der vergangenen Zeiten, Englands Krone ist immer für hochkarätige Produktionen Aufhänger und Inspirationsquelle.
Nach dem Kinofilm Elizabeth (1998), dessen Fortsetzung Elizabeth – Das goldene Königreich (2007) und dem TV-Zweiteiler Elizabeth I (2005) rücken nun Heinrich VIII. (Vater Elizabeths) und seine Regierungsjahre in den Vordergrund. Denn neben dem Historiendrama Die Schwester der Königin (Kinostart: 6. März 2008) erschien 2007 im englisch-sprachigen Raum mit The Tudors eine Serie über den wegen seiner Frauengeschichten berühmt-berüchtigten englischen König. Diese Produktion wird ihren Weg sicher bald auch ins deutsche Fernsehen finden.
Als kreativer Kopf fungiert Autor Michael Hirst, der bereits die Drehbücher zu den beiden Elizabeth-Filmen mit Cate Blanchett schrieb. Für die zehn Folgen der ersten Staffel verfasste Hirst alle Scripts selbst. Regie führten u.a. die Serien-erfahrenen Steve Shill (Law & Order, Rom) und Charles McDougall (Sex And The City). Gedreht wurde die irisch-kanadisch-amerikanische Co-Produktion von Mai bis Oktober 2006 hauptsächlich im irischen County Wicklow, das für seine Kinofilme wie Excalibur bekannt ist. Als Darsteller der historischen Figuren wählte man teilweise bekannte Schauspieler aber auch solche, die sich noch keinen Namen gemacht haben. Besonders zu nennen sind sicherlich Jonathan Rhys Meyers als König, Sam Neill als Cardinal Wolsey und Jeremy Northam als Humanist Thomas More.
Die wichtigsten Charaktere
Henry VIII (Heinrich VIII) ist jung, gesund, sportlich, gut aussehend und der König von England. Mit seiner Ehefrau der Spanierin Catherine (Katharina) hat er eine Tochter. Doch leider konnte ihm die Königin keinen Sohn schenken, weswegen er sich eine Frau nach der anderen ins Bett holt. Den Grund für das Fehlen eines männlichen Erben sieht Henry darin, dass Catherine ursprünglich mit seinem Bruder verheiratet war, auch wenn die Ehe nie vollzogen wurde.
Henry VIII wird gespielt vom 30jährigen Iren Jonathan Rhys Meyers (Kick It Like Beckham, Alexander, Mission: Impossible III, Der Klang des Herzens)
Cardinal Wolsey ist Henrys Kanzler und engster Vertrauter, was politische und kirchliche Fragen angeht. Während sich der König eher den Vergnügungen des Lebens hingibt, ist Wolsey für die Staatsgeschäfte fast völlig alleinverantwortlich. Wegen seiner großen Macht ist Wolsey vor allem Thomas Boleyn, aber auch der Königin verhasst.
Der 60jährige Neuseeländer Sam Neill (Jagd auf Roter Oktober, Jurassic Park, Merlin) spielt den Lordkanzler Cardinal Thomas Wolsey.
Catherine Of Aragon (Katharina von Aragon) ist Henrys Ehefrau und damit die Königin von England. Sie stammt aus dem spanischen Königshaus und ist die Tante des spanischen Königs Carlos, der später zum Kaiser ernannt wird. Catherine leidet sehr darunter, dass Henry nicht mehr mit ihr das Bett teilt. Cardinal Wolsey ist ihr verhasst.
Maria Doyle Kennedy (44) verkörpert die englische Königin. Sie stammt aus Irland und spielte u.a. in Die Commitments und der Serie Queer As Folk.
Anne Boleyn ist die jüngere Schwester von Mary Boleyn, die ihre Gunst als Bettgenossin des Königs bereits verspielt hat. Ihr Vater und ihr Onkel wollen Anne dazu benutzen, durch sie eine bessere Stellung beim König zu erhalten. Doch Anne will nicht wie alle anderen „Mätressen“ von Henry irgendwann als dessen Hure beschimpft werden und so lässt sie den König zappeln. Irgendwann verlieben sich die beiden und Anne wartet sehnsuchtsvoll auf die Scheidung Henrys von seiner Ehefrau.
Natalie Dormer spielt Henrys große Liebe Anne Boleyn. Die 26jährige Engländerin gab in Casanova (2005) ihr Kinodebüt.
Charles Brandon ist der wohl beste Freund und engste Vertraute Henrys. Dieser ernennt ihn zum Duke Of Suffolk. Als Charles Margaret, die Schwester des Königs, nach Portugal eskortiert, verlieben sich die beiden ineinander. Nach dem Tod von Margarets Ehemann heiraten sie. Darüber ist Henry erbost, weil sie ohne seine Erlaubnis handelten. Charles und Margaret werden vorerst aufs Land verbannt. Erst eine Allianz mit Norfolk und Thomas Boleyn bringt Charles wieder an den Hof.
Der 24jährige Brite Henry Cavill (Tristan + Isolde, Der Sternwanderer) verkörpert Charles Brandon.
Thomas More (Thomas Morus) ist ein Anwalt und Staatsmann am Hofe des Königs. Doch auch für seine Schriften und sein humanistisches Gedankengut ist der strenggläubige Katholik bekannt. Neben Wolsey ist More Henrys wichtigster Berater.
Der 47jährige Engländer Jeremy Northam (Gosford Park, Invasion) spielt Thomas More.
Margaret Tudor ist die ältere Schwester von Henry. Die Figur in der Serie ist allerdings eine Kombination aus den beiden Königsschwestern Mary und Margaret. Gegen ihren Willen wird Margaret von ihrem Bruder mit dem alten König von Portugal verheiratet. Kurz bevor verlieben sich Charles Brandon und Margaret ineinander. Nach dem vorzeitigen Tod des portugiesischen Königs, kurz nach Vollzug der Ehe, heiraten Margaret und Charles heimlich. Als Henry davon erfährt, reagiert er zornig und verbannt die beiden von Hofe.
Die Schwester des Königs wird von Gabrielle Anwar verkörpert. Die 38jährige wurde vor allem durch Der Duft der Frauen (1992) bekannt.
Anthony Knivert ist neben Charles Brandon ein weiterer Vertrauter des jungen Königs. Mit Henry verbindet ihn vor allem die gemeinsame Leidenschaft für diverse sportliche Aktivitäten. Schließlich wird er vom König zum Ritter beschlagen.
Callum Blue (30), bekannt aus der TV-Serie Dead Like Me, spielt den jungen Vertrauten Henrys.
Thomas Boleyn ist der Vater der Hofdamen Mary und Anne. Ehemals Botschafter am französischen Königshof, kehrt er nach England zurück und macht seine Tochter Mary zur Mätresse von König Henry. Als der König das Interesse an dem jungen Mädchen verliert, soll Anne für sie einspringen, um den Einfluss der Boleyn-Familie zu sichern. Gemeinsam mit seinem Schwager Norfolk schmiedet Boleyn auch Pläne gegen den verhassten Cardinal Wolsey.
Der irische Darsteller Nick Dunning (48), der bereits in Alexander (2004) mit Jonathan Rhys-Meyers agierte, spielt den aufstrebenden Thomas Boleyn.
Thomas Howard, dritter Duke of Norfolk, ist ein einflussreicher Politiker am Hofe König Henrys. Gemäß seines Titel wird er einfach nur „Norfolk“ genannt. Gemeinsam mit seinem Schwager Thomas Boleyn (und später Charles Brandon) deckt Norfolk die Untreue Wolsey auf und gewinnt dadurch an Einfluss.
Den oft im Hintergrund agierenden Norfolk spielt der 49jährige Kanadier Henry Czerny (Mission: Impossible).
Thomas Cromwell, erster Earl of Essex, ist zuerst Gehilfe von Cardinal Wolsey und später ein wichtiger Staatsmann und Berater des Königs. Durch seinen (verheimlichten) protestantischen Glauben und das revolutionäre Gedankengut steigt seine Beliebtheit bei Henry, auch weil er diesem bei der Problematik der Scheidung zur Seite steht.
Der englische Reformator Thomas Cromwell wird vom knapp 40jährigen Engländer James Frain (Elizabeth, Empire) verkörpert.
Mögliche Inspiration
Es ist sicher nicht zu verleugnen, dass die beteiligten Produzenten und kreativen Köpfe sich durch die kompromisslose Historienserie Rom (2005-2007) inspirieren ließen. Doch sollte man The Tudors nicht an der viel aufwendigeren Produktion von HBO und BBC messen. Zum einen, weil die neue Serie für die erste Staffel ein geringeres, wenn auch mit 38 Millionen Dollar doch noch stattliches Budget aufweist. Zum anderen, weil The Tudors trotz ein paar kleinerer Gemeinsamkeiten mit Rom doch nicht wirklich zu vergleichen ist. Es gibt zwar die ein oder andere minimal freizügige Sex-Szene, aber nicht drastischer Form. Und gewalttätige Szenen halten sich einigermaßen in Grenzen.
The Tudors ist zudem mehr ein Kammerspiel als eine Produktion mit aufwendigen Außensets und großen Massenszenen. Zwar sind die Innenkulissen auch sehr prunkvoll, bei den Außenaufnahmen der Schlösser und Paläste verließ man sich hier aber fast komplett auf visuelle Computer-Effekte, leider meistens in Videospiel-Optik. Massenszene gibt es fast nur innerhalb des Palastes.
Bewertung
Historisch betrachtet ist die Serie wenig akkurat, legt aber keinen besonderen Wert darauf, dies zu sein. Serienerfinder und Drehbuchautor Michael Hirst erklärt in einem der Interviews auf der DVD, dass er die historischen Figuren nicht einfach wie Museumsstücke sondern als greifbare Charaktere darstellen wollte. Henry VIII ist also nicht der hässliche, fette König, sondern ein junger, attraktiver Mann, der eigentlich (fast) alles tun und lassen kann, was er will. Zeitlich gesehen ist die Handlung auch vereinfacht und das Alter einiger Charaktere wurde verändert.
Interessant sind die Figuren allemal, was auch an den zum Teil überzeugenden Schauspielern liegt. Jonathan Rhys Meyers wirkt als König teilweise zu plakativ. Hervorragend sind dagegen die Performance von Sam Neill als besonnener Kanzler Wolsey und Maria Doyle Kennedy als sanftmütige Königin. Gleiches gilt für Jeremy Northam, der die Ambivalenz des heiliggesprochenen Thomas More zeigt. Es gibt übrigens sieben Männer in der Serie, die mit Vornamen Thomas heißen
Über die ganze Staffel betrachtet ist die Serie als gelungen zu betrachten, auch wenn es ihr teilweise an Spannung und Intensität fehlt. Da genügt es nicht, dass der temperamentvolle Henry ab und zu mal auf den Tisch haut bzw. seine Unzufriedenheit anderweitig kundtut. Die Geschichte mit der Scheidung zieht sich auch ziemlich hin. Dennoch kann The Tudors prächtig unterhalten.
Ausblick
Richtungsweisend in vielerlei Hinsicht dürfte die zweite Season werden. Sie startet in den USA auf dem Pay TV-Kanal Showtime am 30. März 2008. Die Rechte an der deutschen Erstausstrahlung sicherte sich die ProSiebenSat1 Media AG, wobei es bis jetzt noch nicht feststeht, wann und auf welchem Sender The Tudors laufen wird. Das Warten kann man sich mit dem Spielfilm Die Schwester der Königin erleichtern, der am 6. März 2008 in den deutschen Kinos startet. Es geht darum, dass die Schwestern Anne und Mary Boleyn (Natalie Portman und Scarlett Johansson) um die Gunst des Königs Heinrich VIII (Eric Bana) buhlen.
Fazit: Unterhaltsame, wenn auch etwas zahnlose Historienserie mit interessanten Charakteren und teilweise überzeugenden Schauspielern. 7 von 10 Punkten.
Henry und Anne.
DVD-Features (UK-Import)
Sprache: Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Englisch, Englisch für Hörgeschädigte, Griechisch, Hindi
Das Bonusmaterial kann weniger überzeugen. Auf Disc 3 finden sich 11 kurze Interview-Schnipsel mit den einigen Darstellern und Autor Michael Hirst, die man sich auch alle auf der offiziellen Seite anschauen kann. Außerdem kann man sich Trailer zu einigen Filmen ansehen. Ein Making Of wäre sehr wünschenswert gewesen. Außerdem nervt die häufige Texteinblendung, dass Sony sich von den Kommentaren auf der DVD distanziert.
Marius Joa, 5. März 2008. Bilder: Peace Arch/Showtime/Sony Pictures Home Entertainment.
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