Nach meiner ersten Sichtung von Vampire gegen Herakles vor fast genau neun Jahren war ich ziemlich enttäuscht und entsprechend negativ fiel meine Kritik aus. Doch mittlerweile sehe ich den Sandalenfilm-Horror-Hybriden mit ganz anderen Augen…
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Vampire gegen Herakles (Ercole al centro della terra)
Fantasy-Abenteuer/Horror Italien 1961. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 82 Minuten (PAL-DVD) bzw. 86 Minuten (BluRay).
Mit: Reg Park, Christopher Lee, Giorgio Ardisson, Leonora Ruffo, Franco Giacobini, Ida Galli u.v.a. Regie: Mario Bava.
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Unterwelt, Untote und Ungemach
Zusammen mit seinem Freund und Kampfgefährten Theseus (Giorgio Ardisson) kehrt der berühmte Held Herkules (Reg Park) nach Icalia zurück, um sich dort mit seiner geliebten Deianira (Leonora Ruffo), der Tochter des Königs, endlich zu vermählen. Doch Deianira hat den Tod ihres Vaters nicht verwunden und scheinbar den Verstand verloren. Ihr Onkel Lykos (Christopher Lee) regiert stattdessen das Land. Das Orakel weissagt Herkules, dass er seine Geliebte nur durch die Macht eines Steines aus der Unterwelt heilen kann. Sogleich begibt sich der tapfere Held mit Theseus und Telemach (Franco Giacobini) auf die überaus gefährliche Reise in den Hades. Lykos schmiedet unterdessen seine eigenen Pläne…
Im Grunde scheiterte ich 2010 hinsichtlich des vorliegenden Films an meiner eigenen Erwartungshaltung. Aufgrund des etwas irreführenden deutschen Filmtitels (der Originaltitel Ercole al centro della terra bedeutet übersetzt in etwa Herkules am Mittelpunkt der Erde) erwartete ich ein trashiges Feuerwerk, in welchem sich der antike Dauerheld mit vielen Blutsaugern herumschlagen muss. Doch trotz meiner Enttäuschung gab ich Mario Bavas Werk nicht nur eine zweite und dritte sondern auch noch eine vierte Chance. Vermutlich liegt es an meiner sich stark veränderten Wahrnehmung und Bewertung der unterschiedlichsten Aspekte visueller Medien, aber Vampire gegen Herakles gefällt mir von Sichtung zu Sichtung immer besser.
Rein inhaltlich betrachtet erscheint der 1961 veröffentliche Streifen (deutscher Kinostart war am 27. April 1962) wenig berauschend. Für Kenner der antiken griechischen Mythologie gibt es ein paar Elemente aus der Theseus-Sage (wie die gemeingefährlichen Räuber oder die Entführung einer Frau aus der Unterwelt), die hier ganz ordentlich in die Handlung integriert wurden. Ansonsten liefert der Peplum-Horror-Mixtur nur die üblichen Motive, mal von den Untoten und den finsteren Machenschaften des von Christopher Lee (Dracula, Der Herr der Ringe-Trilogie) gespielten Antagonisten abgesehen.
Als Sohn eines Kameramannes kam Mario Bava (1914-1980) selbst früh zum Film. Im Laufe seiner Karriere machte er sich vor allem einen Ruf als effektiver Problemlöser in technischer Hinsicht. Bei Die unglaublichen Abenteuer des Herkules (1958) und Herkules und die Königin der Amazonen (1959), den ersten beiden Streifen am Beginn einer ganzen Welle von Sandalenfilmen (in Italien nannte man dieses Genre „peplum“, nach dem rockartigen Kleidungsstück des Helden) war Bava für Kameraführung und visuelle Effekte zuständig. Seine Fähigkeiten mit wenig Geld kuriose Illusionen und beeindruckende Bilder zu schaffen, brachte ihm bei einigen Filmen anderer Regisseure den Job eines „Feuerwehrmannes“ ein, der engagiert wurde, wenn die Dreharbeiten aufgrund technischer Hindernisse zu scheitern drohten. Bei seiner zweiten offiziellen Regie-Arbeit (die erste war Die Stunde, wenn Dracula erwacht von 1960) traf Bava nach Herkules erobert Atlantis (wo er die visuellen Effekte schuf) erneut mit Hauptdarsteller Reg Park zusammen.
Da Maestro Bava bei Vampire gegen Herakles nicht nur als Regisseur fungierte, sondern auch die Kameraführung übernahm sowie für die Entstehung der Visual Effects verantwortlich zeichnete, konnte der „Meister von Farbe und Licht“ seine Stärken voll ausspielen. Wie nicht anders gewohnt hatte das Filmteam wenig Geld zur Verfügung. Dennoch gelang es Bava und Co düster-surreale Bilderwelten wie die hier gezeigte Version der Unterwelt oder die Katakomben des bösen Lykos zu kreieren, und das alles mit einfachsten Mitteln wie Pappmaché-Sets, Miniatur-Aufnahmen, Farbfiltern, kochender Polenta (!), Glass-Matte-Paintings und einfachen Kameratricks. Vor allem wenn man sich die simple Machart vor Augen führt so vermag das optische starke Endprodukt zu beeindrucken und die eher hölzernen Darstellerleistungen sowie die eher peinlichen komödiantischen Elemente in den Hintergrund zu rücken.
Die Inszenierung profitiert aber nicht nur von Bavas „Cinemagie“, sondern auch von Armando Trovajolis (vertonte auch Herkules erobert Atlantis und Herkules, der Sohn der Götter) Score, der mit dunklen Bläsern und unheilschwangeren Streicher-Passagen eine erfrischende Abwechslung vom plumpen Getröte und Getrommel des Genres bietet. Vampire gegen Herakles blieb übrigens nicht die einzige Regie-Arbeit Bavas bei welcher der deutsche Verleihtitel die Anwesenheit von Blutsaugern über die Maßen hervorhob oder gar dazudichtete, siehe Die Stunde, wenn Dracula erwacht (1960), Planet der Vampire (1965) und Die toten Augen des Dr. Dracula (1966).
Am 8. November 2018 erschien im Rahmen der „Mario-Bava-Collection“ ein liebevoll gestaltetes Mediabook (siehe Bilder) bei Koch Media, welches nicht nur den Film in digital restaurierter Version auf BluRay und DVD enthält, sondern auch eine weitere DVD mit Bonusmaterial (unter anderem ein Bonusfilm des Regisseurs) sowie einen ausführlichen Essay von Filmkritiker Oliver Nöding (Remember it for later) mit dem Titel „Mario Bava und der Peplum“. Der Spielfilm selbst liegt in der ungekürzten Originalversion vor, die den bisher in der deutschen Fassung fehlenden kurzen Prolog (ca. 2,5 Minuten; Original mit Untertiteln) wieder hinzufügt.
Fazit: Dank des virtuosen Einsatzes von Pappmaché-Kulissen und farbenprächtig-stimmungsvoller Beleuchtung hebt sich Mario Bavas Vampire gegen Herakles vom übrigen Sandalenfilm-Programm ab und zählt neben Herkules erobert Atlantis (ebenfalls unter Mitwirkung Bavas und Reg Parks entstanden) zu den Highlights eines ansonsten eher einfallslosen Genres. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 7. April 2019. Bilder: Koch Media.
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Linktipp
Der Vervollständigkeit halber geht es hier zu meiner ursprünglichen DVD-Kritik vom 10. April 2010.
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