X (2022)

Beim diesjährigen Horroctober darf auch ein aktueller Film nicht fehlen. In X von Ti West dezimiert ein geheimnisvoller Killer eine kleine Pornofilm-Crew.

X
Horrorfilm USA, Kanada 2022. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 107 Minuten. Kinostart: 19. Mai 2022.
Mit: Mia Goth, Jenna Ortega, Brittany Snow, Martin Henderson, Scott Mescudi, Owen Campbell, Stephen Ure u.a. Drehbuch und Regie: Ti West.

 

 

Texas Adult Film Massacre

Texas, 1979. Porno-Produzent Wayne (Martin Henderson) wittert die Chance für sich und seine junge Freundin Maxine (Mia Goth) groß rauszukommen. Und so will er mit dem Nachwuchsfilmemacher RJ (Owen Campbell) einen Pornofilm drehen, denn in der Branche herrscht nach einigen Erfolgen eine wahre Goldgräberstimmung. Für das Werk namens The Farmer’s Daughter hat die Filmcrew das Gästehaus auf der Farm des alten Veteranen Howard (Stephen Ure) gemietet. Als Wayne, Maxine, RJ, seine Freundin und Assistentin Lorraine (Jenna Ortega) sowie die erfahrenen Darsteller Bobby Lynne (Brittany Snow) und Jackson (Scott Mescudi) ankommen werden sie von Howard misstrauisch empfangen, der darum bittet seine kranke Ehefrau nicht zu stören. Der Dreh des Films schreitet gut voran, doch nach einer Meinungsverschiedenheit wird ein Mitglied des Teams vermisst…

Der auf Horror spezialisierte Filmemacher Ti West (geboren 1980) hat mehr als ein halbes Dutzend Werke in seiner Vita stehen (darunter auch Kurzfilm-Segmente der Horror-Anthologien V/H/S und The ABCs of Death, beide von 2012) sowie diverse Fernsehepisoden, bei welchen er meist als Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Filmeditor in Personalunion auftritt. Die siebte abendfüllende Regie-Arbeit des Amerikaners mit dem schlichten Titel X feierte ihre Premiere im März 2022 auf dem South by Southwest Festival (SXSW) in Austin, im US-Bundesstaat Texas, wo sich die Handlung auch abspielt. In Deutschland wurde X bei den Fantasy Filmfest Nights im April erstmals gezeigt, ein Kinostart erfolgte am 19. Mai 2022. Gedreht wurde der Retro-Slasher allerdings nicht in Texas, sondern in Neuseeland, für lediglich eine Million Dollar Budget.

Das Setting des vorliegenden Horror-Beitrages könnte nicht stärker von Widersprüchlichkeiten geprägt sein. Auf der einen Seite das erzkonservative, streng christliche Amerika, vor allem verkörpert durch einen immer wieder zu sehenden und zu hörenden Fernsehprediger, der mit allerlei Deutlichkeit und Wortgewandtheit vor den Verlockungen Satans warnt. Auf der anderen die überwiegend freizügige Crew des Pornofilms, welche für das Amerika nach der sexuellen Revolution steht und auf der Erfolgswelle des „Golden Age of Porn“ (1969-1984), zu einer Zeit in welcher viele solcher Produktionen viele Zuschauer in die Kinos lockten, mitreiten will. Besser könnte man die Bigotterie der USA mit ihrer starken Religiosität und Prüderie nicht darstellen, denn schließlich beherbergt das Land auch die vermutlich größte Erotikfilm-Industrie der Welt.

Mit diesem sozialkritischen Ansatz und dem aus meiner Sicht sehr authentischen, wenn auch leicht überzeichneten Setting bietet X mehr als das übliche Hauen und Stechen. Außerdem gibt es diverse Zitate und Hommage an andere (Horror-)Klassiker wie Hitchcocks Das Fenster zum Hof (1954) und Psycho (1960) sowie Shining (1980) und natürlich Blutgericht in Texas (The Texas Chainsaw Massacre, 1974). Bereits relativ früh gestaltet sich die Inszenierung dezent unheilvoll. Die düstere Atmosphäre wird dadurch verstärkt, dass sich ein Großteil der Szenen bei Dunkelheit oder in sehr dunklen Räumen abspielt. Der Score von Tyler Bates und Chelsea Wolfe besticht vor allem durch den wortlos vokalisierten Sirenengesang Wolfes. West und sein Co-Editor David Kashevaroff schneiden immer wieder Szenen aus dem Film-im-Film mit anderen zusammen.

Rein inhaltlich präsentiert sich der Film trotz des ein oder anderen Twists ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings recht vorhersehbar. Von daher erscheint es sinnvoll, dass man als Zuschauer*in vor der Sichtung möglichst wenig über die Story weiß, weshalb ich an dieser Stelle auch nicht spoilern will. Es sei allerdings verraten, dass ein Mitglied des Darstellerensembles eine Doppelrolle spielt und zwar in einer Weise, wie man es jetzt nicht unbedingt vermuten würde. Über die Altersfreigabe FSK 16 war ich dann doch etwas überrascht, schließlich wird hier ein äußerst blutiges Gemetzel angezettelt.

Während der Quarantäne im Vorfeld des Drehs in Neuseeland schrieb Ti West gleich das Drehbuch für ein Prequel namens Pearl welches direkt im Anschluss an Ort und Stelle mitgedreht wurde und auf dem Internationalen Filmfestival im September 2022 Premiere feierte. Ein in den 1980ern spielendes Sequel soll zudem folgen.

X von Ti West ist aktuell als kostenpflichtiger Stream bei diversen Anbietern abrufbar und seit 28. Oktober 2022 auf DVD bzw. Bluray erhältlich.

Fazit: Stimmungsvoller und gleichzeitig blutiger Retro-Slasher. 7 von 10 Punkten.


Farmbesitzer Howard begrüßt Wayne

Das Filmteam

 

Marius Joa, 28. Oktober 2022. Bilder: Capelight.

 


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