Zusätzlich zur Rezension von Drugstore Indians ergab sich die Gelegenheit, ein Interview mit Mira Sommer, der Regisseurin des Dokumentarfilms, zu führen.
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Zur Filmkritk von Drugstore Indians
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Ich fang mal ganz direkt an: wie kommt man dazu eine Dokumentation über die „Indianistikszene“ zu machen? Warst du selbst schon früh von Indianern fasziniert oder hat dich das Thema generell interessiert?
Als Kind bekam ich das Buch Blauvogel (von Anna Müller-Tannewitz, erschienen 1950) in die Hände und hab es verschlungen. Automatisch hat man sich selbst vorgestellt, wie es wäre als Nomade aufzuwachsen, mit Jagd, Feuer, Tipi. Mit den Jahren ist das Thema von anderen Sujets verdrängt worden. Dann irgendwann Besuch eines Powwows in den Smokey Mountains in den Staaten. Ich war so unglaublich geflasht, dass mich das Thema nicht mehr losgelassen hat. In Deutschland weitere Recherchen. Da stieß ich auf die deutschen Powwows und war baff, dass es sowas überhaupt gibt. Beim Musikvideo-Dreh zu Buffalo Nation von Silke von Durschefsky hatte ich dann eine Mitstreiterin im „großen Geiste“ gefunden.
Wo fängt man bei so einem Projekt überhaupt an?
Indem man alle sogenannten Indianer, die man in Deutschland ausfindig machen kann auf ein BBQ einläd. Jedenfalls wurde die Idee während eines Grillfestes, dass wir mit indigenen/First Nations Freunden und Bekannten veranstaltet haben zementiert. Grundsätzlich fängt man ein Projekt allerdings mit ausführlicher Recherche an. Mitunter kann dies am längsten dauern. Stell dir vom Umfang eine Bachelor- oder Masterarbeit vor.
Wie lange hat die ganze Produktion gedauert, von den ersten Dreharbeiten bis zum fertigen Film?
Ich zähle die Vorarbeit, bevor irgendein Interview für den Film selbst aufgenommen wird, mit. Damit sind wir bei 4 Jahren. Vor den eigentlichen Filminterviews gibt es meistens mehrere Treffen und Vorinterviews. Das macht die Arbeit an Dokumentarfilmen auch so umfangreich und zeitintensiv. Es kann da auch immer wieder zu Leerläufen kommen, Zeiten in denen man nicht am Film arbeitet, da man auf Termine und Antworten wartet. Dadurch ergeben sich mitunter lange Produktionszeiten.
Drugstore Indians wurde mit einer kleinen Crew erschaffen. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
Unser Dreier-Team kam das erste Mal für ein Musikvideo von Silke zusammen. Daraus ergaben sich dann weitere Zusammenarbeiten.
Was sind eigentlich genau die richtigen Begrifflichkeiten? Indianer, Native Americans…?
„Indianer“ ist von Selbigen schon mal nicht gern gesehen, wird aber nach wie vor sehr exzessiv in der deutschen Sprache und auch gleichnamigen „Indianistikszene“ verwendet. Daraus haben sich mittlerweile schon Neologismen gebildet die mit den eigentlichen Ureinwohnern des amerikanischen Kontinents gar nichts mehr zu tun haben. Ich denke da z.B. an den Begriff „Stadtindianer“ oder eben „Indianistik“. Treffend ist der Begriff für Hobbyisten ,wie sie im Film vorkommen. Denn sie stellen ein romantisiertes ,veraltetes Bild des „Indianers“ dar. Nordamerika werden die Begriffe „indigen“ (USA) oder „First Nations“ (Kanada) verwendet. „Native Americans“ ist auch korrekt. Der Begriff „Indianer“ ist ja eigentlich auch völlig irreführend, da er aus der Annahme entstand, es mit Indern zu tun zu haben.
Wie hat man in der Indianistikszene auf die Dreharbeiten und auf den Film an sich reagiert? Gab es auch Personen oder Gruppen, die es ablehnten, vor die Kamera zu treten?
Es gibt immer eher kamerascheue Menschen, die zwar gern ein Interview geben, aber bitte nicht vor laufender Kamera. Da gehöre ich auch dazu. Von mir wird man im Film höchstens mal eine Haarsträhne sehen. Aber ich bin auch völlig unwichtig. Wichtig sind die durchweg kameragenen und tollen Gesprächspartner, die man im Film sieht. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand direkt abgelehnt hätte.
Falls du die Möglichkeit hast, eine weitere Doku über eine andere Szene, egal welcher Art, zu machen, welche wäre dies?
Durch die Recherchen zu Drugstore Indians bin ich in ein Wespen-Nest getreten, das auch im Film selber angeschnitten wird, aber durchaus einen eigenen Film verdient hätte. Das wäre die deutsche Schamanismus Szene.
Vielen Dank für das Interview.
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Marius Joa, 3. Mai 2020. Bild: Mira Sommer.
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