Archiv III-2004

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Filme im 3. Quartal 2004:

(T)Raumschiff Surprise Periode 1 – Fahrenheit 9/11 – King Arthur – Der Untergang

So blöd, dass es schon wieder lustig ist
(T)Raumschiff Surprise Periode 1

Science Fiction/Komödie, Deutschland 2003; FSK: Freigegeben ab 6 Jahren, 87 Min.
Mit: Michael "Bully" Herbig, Rick Kavanian, Christian Tramitz, Til Schweiger, Anja Kling, Sky Du Mont, Hans-Michael Rehberg, Christoph Maria Herbst u.v.a.; Regie: Michael Herbig


Mr. Spuck, Rock, Käptn Kork, Schrotty (von links)

Im Jahre 2054 gelang der Menschheit die Besiedelung des Roten Planeten. Jetzt, ziemlich genau zweieinhalb Jahrhunderte später, dankt man es ihr schlecht, indem die ehemaligen Kolonisten die Erde ins Visier nehmen und deren Bewohner zu vernichten drohen. Helfen kann den angstschlotternden Erdlingen nur mehr das (T)Raumschiff Surprise. Doch deren vielseitig orientierte Crew hat zur Zeit leider ganz andere Sorgen, wie z. B. Tänzchen choreographieren, Klamotten aussuchen, und sonstige lebenserhaltende Aktivitäten.
Königin Metapha (Anja Kling) gelingt es dennoch, Kontakt zur Surprise herzustellen. Da der Antrieb des Raumschiffs allerdings einen „Marderschaden“ hat und daher nicht mit Mopsgeschwindigkeit zur Erde fliegen kann, muss sich die Crew in alter „Das fünfte Element“-Tradition mit dem Taxi fahren lassen. Taxifahrer Rock (Til Schweiger) bringt also Mr. Spuck (Michael Herbig), Käptn Kork (Christian Tramitz) und Schrotty (Rick Kavanian) mehr oder weniger sicher zur Erde. Dort angekommen, müssen sie mit einer Zeitmaschine ins Jahr 2004 zurückreisen, um die Landung eines Ufos zu verhindern, welche die Marsbesiedelung im Endeffekt verursacht hat. Bei der Zeitreise geht aber einiges schief: Die Crew, Königin Metapha und Rock landen im Mittelalter und geraten in die Fänge des Herzogs William der Letzte (Sky Du Mont). Auch der böse Lord Maul (Rick Kavanian) vollzieht diese Zeitreise, um die Erdlinge endgültig zu vernichten. Er hat allerdings keinen Erfolg und nach einigen weiteren Verwicklungen gelingt es der Crew schließlich, das Ufo zu vernichten und damit die Welt zu retten.

Diese kurze Zusammenfassung könnte den Eindruck erwecken, dass sich durch den neuen Bully-Film tatsächlich ein kontinuierlicher Handlungsstrang, also ein „roter Faden“, zieht. Das ist allerdings keineswegs zutreffend. Vielmehr ist (T)Raumschiff Surprise Periode 1 eine Aneinanderreihung von Gags. Da diese gelingen (insbesondere auf die Schattenspiele im Knast zwischen Mr. Spuck und Rock sollte ein genauerer Blick geworfen werden), sieht der Zuschauer aber gerne über Unlogisches hinweg.
Mit ihrer tuntigen Art weis die Crew der Surprise durchaus zu überzeugen – haben Bully & Co. ihre Talente auf diesem Gebiet doch schon genügend in der Bullyparade und nicht zuletzt im Schuh des Manitu unter Beweis stellen können. Til Schweiger – als wohl einziger wirklich heterosexueller Mann in diesem Film – macht einen ordentlichen Eindruck, auf Anja Kling trifft dies ebenfalls zu.
Was allerdings für (T)Raumschiff Surprise Periode 1 zu einer deutlichen Abwertung führen muss sind die „Nicht-Weltraum-Szenen“. Zeitreise schön und gut: Aber die Ausflüge ins Mittelalter und in den „Wilden Westen“ (als Anlehnung an den Schuh des Manitu) hätte man sich getrost sparen können. Die Einschübe wirken deplaziert und hätten lieber mit weiteren Weltraumszenen ausgefüllt werden sollen. Diese sind wirklich als gelungen zu bezeichnen. Insbesondere bei den Special Effects (Bild) sieht man dem Film nicht an, dass er aus Deutschland kommt. Hier hat die Bavaria-Film gute Arbeit geleistet.
Fazit: (T)Raumschiff Surprise Periode 1 ist ein typischer Bully-Film: Sinnlos und vollkommen überflüssig. Dennoch: Lachen muss auch mal sein und daher trotz einiger Schwächen 6 von 10 möglichen Punkten.

Johannes Michel, 24.07.2004


Die “Nicht-Weltraum-Szenen” führen zur Abwertung fürs “(T)Raumschiff”.

 

Zweite Filmkritik zum “(T)Raumschiff”

Tunten im Weltall

Wir schreiben das Jahr 2304. Der böse Regulator hat nach einem Angriff seines Imperiums vom Mars die Erde fast eingenommen. Die letzte Hoffnung für Königin Metapha und den Senat ist die Crew der Surprise, des besten Raumschiffs der Galaxis. Doch die vielseitig interessierten Mannen unter Captain Kork befinden sich gerade mitten in den Vorbereitungen für die Teilnahme an der Miss Waikiki Wahl. Mit einer Zeitreise in die Vergangenheit soll verhindert werden, dass der Mars kolonisiert wird, um dadurch die Existenz des Imperiums zu vernichten...
Nach endloser Wartezeit von drei Jahren präsentiert Bully mit diesem Film den lang ersehnten Nachfolger von Der Schuh des Manitu, dem erfolgreichsten deutschen Film aller Zeiten. Bully ließ die Fans in einer monatelangen Abstimmung ja bekanntlich wählen, welche Art Film sie den wollten und diese wählten Unser (T)Raumschiff mit großer Mehrheit vor Sissi: Wechseljahre einer Kaiserin und einer Fortsetzung des Schuhs.
Das Warten hat sich sicherlich gelohnt, denn Periode 1 bietet wieder ein Festival für die Lachmuskeln, handelt es sich doch nicht nur um eine Parodie auf die Originalserie Raumschiff Enterprise, sondern auch auf die Star Wars-Filme. Aber auch Der Herr der Ringe und Minority Report kriegen hier ein wenig ihr Fett weg. Es überwiegen natürlich die Gags der tuntigen Traumschiffcrew. Zum Trio Infernale Bully, Tramitz und Kavanian (in drei Rollen!) gesellen sich hier wieder deutsche Schauspielgrößen wie Til Schweiger, Anja Kling und natürlich Sky Dumont. Im Vergleich zum Schuh wird hier nicht nur eine tolle Ausstattung geboten, sondern auch beeindruckende Spezialeffekte. Der Humor bewegt sich, wie man vielleicht meinen könnte, nicht nur unter der Gürtellinie. Und jeder, der mit dieser Art Gags etwas anfangen kann, dürfte auch im Kinosaal ordentlich lachen. Schade, dass sich die Story viel zu sehr um Zeitreisen in die Vergangenheit dreht und deshalb das Science-Fiction-Potential nicht vollkommen ausgeschöpft wird. Die Schuh des Manitu-Revivalszenen sind auch nicht wirklich sehr geistreich. Aus dieser Parodie hätte man vor allem zeitlich ein wenig mehr machen müssen. Allgemein schafft es der Film nicht ganz an den Schuh heran. Man sollte also nicht mit einer extrem hohen Erwartungshaltung in den Film gehen, wenn man nicht Gefahr laufen will, enttäuscht zu werden.
Fazit: Unterhaltsames Gagfeuerwerk aus deutschen Landen. Nicht nur für Bully-Fans. 7/10.

Marius Joa, 17.08.2004


Fahrenheit 9/11

Dokumentarfilm USA 2004. Regie: Michael Moore. 122 Minuten. FSK ab 12.

Mit seinem neuesten Film, mit dem er die Goldene Palme 2004 in Cannes gewann, macht Michael Moore gegen den aktuellen amerikanischen Präsidenten Bush und seine Regierung Stimmung. Fahrenheit 9/11 ist also quasi ein zweistündiger Abwahlwerbespot.

Zum großen Teil liefert der Film Informationen, die bereits in den Büchern Stupid White Men und Volle Deckung, Mr. Bush vorkommen. Zu Anfangs wird kurz angeschnitten, dass bei der Präsidentschaftswahl 2000 nicht der jetzige Amtsinhaber George W. Bush, sondern sein Herausforderer Al Gore, dem ehemaligen Vizepräsidenten unter Clinton, eigentlich gewonnen hat. Es wurden jedoch in Florida, dank der Hilfe von Georges Bruder Jeb, der dort Gouverneur ist, die Stimmen vieler Afroamerikaner einfach übergangen. Dies ist nur der Anfang einer weitreichenden Vetternwirtschaft, durch die sich die „Karriere“ von George W. Bush auszeichnet. Nachdem er durch die Beziehungen seines Vaters auf den Chefsessel einiger Firmen brachte, die Bush junior dann alle fast in den Ruin trieb, wurde der Sohn des Ex-Präsidenten selbst der oberste Mann im Staat. Neben dem Wahlbetrug werden auch die vielfältigen Geschäftsbeziehungen der Familie Bush mit der Familie Bin Laden beleuchtet.
Doch hauptsächlich geht es darum, wie sich die Bush-Regierung die Terroranschläge vom 11. September 2001 zu Nutze machte, um ihre Diktatur von Angst und Schrecken aufzubauen. Die künstliche Panikmache der Medien war ja bereits ein Thema in Moores letztem Film Bowling For Columbine. Es wird immer deutlicher, was seit den Terroranschlägen aus den USA gemacht worden ist: eine Nation, die von der eigenen Regierung eingeschüchtert wird. Ein Land voller Angst und Schrecken, in dem Grundrechte mit dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung einfach ignoriert werden. Moore deckt auf, dass die Anschläge vom 11. September 2001 auch als Vorwand für den Krieg gegen den Irak benutzt wurden, in dem junge Männer, die nach dem Gesetz noch nicht einmal volljährig sind, als Soldaten an die Front geschickt werden, um dort abgeschlachtet zu werden. Dies wird vor allem an einem Einzelschicksal, nämlich an einer Familie, die ihren 19jährigen Sohn durch den Krieg verlor, verdeutlicht. Das Grauen des Krieges bekommt der Zuschauer auch durch einige Aufnahmen direkt zu sehen.
Michael Moore ist es mit seinem neuesten Film gelungen, die ungeheuerlichen Vorgänge hinter den Kulissen inklusive die verbrecherischen Machenschaften der US-Regierung aufzudecken und gleichzeitig das unvorstellbare Grauen des sinnlosen und lediglich auf Machtgier basierenden Irak-Krieges zu verdeutlichen. Der Film wechselt gekonnt zwischen Humor, purer Information und entsetzlichen Bildern. Michael Moore ist diesmal nur selten zu sehen, sondern rückt eher in den Hintergrund.
Fazit: Schonungslose, eindringliche und informative Dokumentation über die Bush-Diktatur in den USA und deren Auswirkungen. 8/10. 

Marius Joa, 19.09.2004


King Arthur

Historienfilm USA/Irland 2004. Regie: Antoine Fuqua. Musik: Hans Zimmer & Moya Brennan. 126 Minuten. FSK ab 12.

Darsteller:
Arthur --- Clive Owen
Guinevere --- Keira Knightley
Lancelot --- Ioan Gruffud
Merlin --- Stephen Dillane
Tristan --- Mads Mikkelsen
Dagonet --- Ray Stevenson
Gawain --- Joel Edgerton
Cerdic --- Stellan Skarsgård
Galahad --- Hugh Dancy
Cynric --- Til Schweiger

Dünner als die Polizei erlaubt: Keira Knightley als Guinevere.

Im fünften Jahrhundert nach Christus. Arturius Castus, Sohn eines Römers und einer Britin, führt eine Truppe von Rittern aus Sarmatien, die nach 15 Jahren im Dienst von Rom in Britannien ihre Freiheit ersehnt. Ein letzter Auftrag, nämlich die Rettung der Familie des Römers Marius Honorius vor den aus Norden heranstürmenden Sachsen steht noch bevor, ehe die tapferen Recken ihre Entlassungspapiere bekommen sollen. Arthur muss sich mit seinem Erzfeind, dem weisen Merlin und dessen Stamm der Pikten, verbünden, um das Land vor den barbarischen Sachsen zu bewahren...
Vom Produzenten von The Rock und Fluch der Karibik, vom Regisseur von Training Day, vom Drehbuchautor von Gladiator, vom Kameramann von Black Hawk Down, vom Filmkomponist von Gladiator und The Last Samurai, inklusive des Titelsongs von der Sängerin von Clannad. Nach all diesen Referenzen müsste es sich bei King Arthur eigentlich um einen unterhaltsamen, spannenden und möglicherweise mitreißenden Film handeln, der wenigstens zwei Stunden angemessenes Popcorn-Kino bieten müsste. Doch leider ist das nicht der Fall. Antoine Fuquas Ausflug ins Historiengenre ist ein belangloser, emotional unterkühlter und lahmer Möchtegern-Historienfilm ohne Tiefgang und bei näherem Hinsehen auch ohne historische Genauigkeit. Gut, sich das Motto „Wir erzählen die wahre Geschichte von König Artus“ auf die Fahnen zu schreiben, ist schon in höchstem Maße anmaßend, auch wenn die Erkenntnisse angeblich, laut Einblendungen auf neuesten archäologischen Funden beruhen. Der Film bemüht sich zwar um historische Genauigkeit, scheitert an einigen Anachronismen. So werden z. B. Steigbügel und Armbrüste benutzt; Dinge, die es im Britannien des 5. Jahrhunderts noch nicht gab.
Trotz dieser Fehler gehören Ausstattung und Kostüme (mit Ausnahmen) zu den wenigen Pluspunkten des Films, genau wie die Actionszenen. Auch die Kameraführung ist positiv hervorzuheben. Die schönen Landschaftsaufnahmen (es wurde hauptsächlich in Irland gedreht) wirken fast träumerisch und vermögen so manchen Zuschauer in ihren Bann zu ziehen, zumindest für ganz kurze Zeit. Was die Filmmusik anbetrifft, so sind zumindest die gesanglichen Darbietungen, z.B. der Titelsong, von Moya Brennan, der Schwester von Enya sehr stimmungsvoll.
Vom Rest der Musik kann man das leider nicht behaupten. Hans Zimmer, Deutschlands musikalischer Hollywood-Export, scheint seinen Zenit schon überschritten zu haben, sein Score ist zu ruhig, zu monoton und macht sich selten akustisch etwas mehr bemerkbar.
Richtig Leid könnten einem die Schauspieler tun, denn ihre Rollen überbieten sich gegenseitig an Eindimensionalität und Klischees und hätten auch von Laiendarstellern übernommen werden können. Clive Owen als desillusionierter Arthur, Stellan Skarsgård als plumper 0815-Filmbösewicht samt aufsässigem Sohn (Til Schweiger), Ray Winstone als Pausenclown Bors und Keira Knightley als überflüssige, spindeldürre Kelten-Amazone Guinevere, die stark an Lara Croft (weniger optisch) oder Xena erinnert. Und so darf sie ein paar Mal  fast nackt durchs Bild huschen, um wenigstens noch ein paar männliche Zuschauer ins Kino zu locken.
Die Filme von Jerry Bruckheimer sind ja allgemein bekannt dafür, dass sie null Tiefgang und Anspruch haben, jedoch gelten sie als unterhaltsam. Doch King Arthur ist nicht leider einmal das. Mit der Artus-Sage hat der Film nur noch ein paar Namen gemeinsam.  
Fazit: Ein Film, den man wohl schnell wieder vergessen wird, da er weder Tiefgang besitzt noch unterhaltsam ist. Belangloses pseudohistorisches Geplänkel. 4/10.

Marius Joa, 19.09.2004


Das deutsche Volk selbst hat uns beauftragt.
Jetzt wird ihnen eben das Hälschen durchgeschnitten.

Bernd Eichingers „Der Untergang“ schreibt deutsche Kinogeschichte

Kriegsdrama, Deutschland 2004; FSK: freigegeben ab 12 Jahren, 155 Minuten.
Mit: Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Juliane Köhler, Heino Ferch, Christian Berkel, Matthias Habich, Thomas Kretschmann, Michael Mendl, André Hennicke, Ulrich Noethen, Birgit Minichmayr, Justus von Dohnanyi u.v.a. Regie: Oliver Hirschbiegel; Produzent: Bernd Eichinger

Berlin, April 1945. Ein Volk wartet auf seinen Untergang. In den Straßen der Hauptstadt tobt der Häuserkampf. Hitler (Bruno Ganz) hat sich mit einigen Generälen und engsten Vertrauten im Führerbunker der Reichskanzlei verschanzt. Zu ihnen gehören auch Traudl Junge (Alexandra Maria Lara), seine Privatsekretärin, die ihn nicht im Stich lassen will. Während draußen die Lage immer mehr eskaliert, die Rote Armee weiter vorrückt und sich in den von Explosionen erschütterten Vierteln verzweifelte Szenen abspielen, erlebt Hitler den Untergang des Dritten Reiches hinter Bunkermauern. Obwohl Berlin nicht mehr zu halten ist, weigert sich der Führer, die Stadt zu verlassen. Er will, wie Architekt Speer (Heino Ferch) es ausdrückt, „auf der Bühne stehen, wenn der Vorhang fällt“. Doch Hitler steht nicht auf der Bühne. Während sich die Wucht des verloren gegangenen Krieges mit aller Härte über seinem Volk entlädt, inszeniert der Führer im Bunker seinen Abgang. Noch Stunden vor dem gemeinsamen Selbstmord heiratet er Eva Braun (Juliane Köhler). Statt des Endsiegs kommt das Ende, aber auch das ist vorbereitet bis ins letzte Detail. Nachdem er und Eva Braun sich das Leben genommen haben, werden ihre Leichen im Hof der Reichskanzlei verbrannt, damit sie nicht dem Feind in die Hände fallen. Viele seiner Getreuen wählen ebenfalls den Freitod. Goebbels und die verbleibenden Generäle weigern sich auch weiterhin, die von den Russen geforderte bedingungslose Kapitulation anzunehmen. Als die Lage immer aussichtsloser wird, tötet Magda Goebbels ihre sechs Kinder (Bild) im Bunker mit Gift, bevor auch das Ehepaar Goebbels Selbstmord begeht. Kurz darauf gelingt Traudl Junge und einigen anderen in allerletzter Sekunde die Flucht durch den russischen Besatzungsring.
„Der Untergang“ stellt auf erschütternde Weise die letzten Tage des Dritten Reiches dar. Wie selten zuvor fährt Regisseur Oliver Hirschbiegel ein Starensemble auf, das es schafft, den Film zu einem der besten deutschen Kinofilme aller Zeiten zu machen. Besonders hervorzuheben ist hierbei Bruno Ganz, der die Figur des Adolf Hitler so glaubhaft verkörpert wie noch niemand zuvor. Aber auch alle anderen Schauspieler wissen zu überzeugen – bis in die Nebenrollen.
Um zu verdeutlichen, welche Wirkung der Film auf die Kinobesucher ausübte, möchte ich hier kurz die Ereignisse nach Ende des Films anführen. Nicht wie sonst verließen viele Zuschauer hektisch, Handys und Zigaretten herauskramend, den Saal. Vollkommende Stille war eingetreten, nur zögerlich erhoben sich die ersten und gingen schweigend zum Ausgang. Noch nie zuvor habe ich derartige Szenen nach einem Film erlebt.
Diese Wirkung ist auch vollkommen nachzuvollziehen. „Der Untergang“ ist kein Partner-Kuschler- und kein „Wir gehen heute mal ins Kino“-Film. Wer sich für deutsche Geschichte interessiert, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Aber auch einfach nur Interessierte können sich beeindrucken lassen. In einigen Szenen fühlt man sich als Zuschauer fast dazu genötigt, Mitleid mit der gefallenen Person Adolf Hitler zu empfinden. Hitler schwankt zwischen dem schon am Boden liegenden Menschen und dem noch die Zügel des davongerannten Pferdes in den Händen haltenden Führer. Als Kinobesucher fällt die Kategorisierung schwer: Wie stellt man sich selbst? Hass auf Hitler? Mitleid? Verständnis?
Ergreifend auch Ulrich Matthes als Joseph Goebbels. Die Stadt Berlin ist längst gefallen, als letztes Kanonenfutter schickt er aber die Männer des Volkssturmes nach vorne. Als er von einem Soldaten belehrt wird, dass diese aufgrund mangelnder Bewaffnung fallen würden wie die Fliegen, meint dieser nur: „Das deutsche Volk selbst hat uns (Anm. des Autors: die Nationalsozialisten) beauftragt. Jetzt wird ihnen eben das Hälschen durchgeschnitten.“ Erschütternd.
Noch vieles mehr könnte ich hier über diesen Film berichten. Er ist auf jeden Fall Pflichtprogramm für jeden Bürger dieses Landes – wenn nicht im Kino, dann auf DVD oder in einigen Jahren im Fernsehen. Ein Film, den man als Deutscher gesehen haben muss. Daher auch 10 von 10 möglichen Punkten.

Johannes Michel, 18. September 2004; Inhaltszusammenfassung: Constantin Film

Berlin liegt brennend in Trümmern.

 

Der Untergang

Wahnsinn einer Generation

Kriegsdrama Deutschland 2004. Regie: Oliver Hirschbiegel. 155 Minuten. FSK ab 12

Die letzten Tage des Deutschen Reiches in und um den Führerbunker in Berlin. Die Rote Armee zieht den Zerstörungsring um die Stadt immer enger. Soldaten, auch Kinder des Volkssturmes, sowie Zivilbürger fallen unter dem russischem Bombardement wie die Fliegen. Allmählich bemerken die hohen Militärs, dass Hitler sich über die Aussichtslosigkeit der Lage nicht wirklich bewusst ist und er den Untergang Deutschlands längst für sich beschlossen hat.
Regisseur Oliver Hirschbiegel (Das Experiment) wagte sich mit diesem Film an etwas heran, was es noch nie zuvor in einer deutschen Produktion gab: einen Film, in dem Hitler von einem Schauspieler gespielt wird. Neben dem Schweizer Theaterschauspieler Bruno Ganz als Führer, der u.a. durch seine Verkörperung der Titelrolle im mehrtägigen Faust-Theatermarathon bekannt ist, bietet der Film ein wahrliches Staraufgebot des deutschen Films: Corinna Harfouch als Magda Goebbels, Ulrich Matthes als Joseph Goebbels, Juliane Köhler als Eva Braun, Heino Ferch als Albert Speer, Ulrich Noethen als Heinrich Himmler sowie Christian Berkel, Michael Mendl, Matthias Habich, Thomas Kretschmann, Götz Otto und Alexandra Maria Lara als Hitlers Sekretärin Traudl Junge, aus deren Sicht die Geschichte zumeist erzählt wird. Bernd Eichinger produzierte und schrieb das Drehbuch basierend auf dem Sachbuch von Joachim Fest und den Erinnerungen von Traudl Junge. Die ohnehin schon beklemmende Stimmung des Films wird noch durch den ständigen Lärm und die Erschütterungen von Explosionen im Hintergrund, sofern diese nicht extrem realistisch direkt zu sehen sind, unterstrichen. Trotz der Freigabe ab 12 Jahren geht es hier an die Grenzen des Zumutbaren, wenn man Leichenteile von Menschen zwischen Trümmern herum liegen sieht und wie Schwerverwundete notdürftig versorgt werden. Doch ist solch schonungsloser Realismus hier durchaus angebracht. Mit Der Untergang liegt nun endlich ein Film vor, der sich schonungslos mit dem Wahnsinn einer Generation im nationalsozialistischen Deutschland befasst. Negativ könnte man ankreiden, dass Hitler wohl ein wenig zu menschlich dargestellt wird. Aber ansonsten schwankt der Zuschauer bei diesem Mann zwischen Verachtung und Mitleid.

Fazit: Ein in vielerlei Hinsicht außergewöhnlicher Film, der sich mit einem höchst problematischen Kapitel deutscher Geschichte in schonungsloser, aber angemessener Form befasst. 8/10. 

Marius Joa, 07.11.2004.

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