Im Geheimdienst Ihrer Majestät

Nach fünf Filmen hatte Ur-James Bond Sean Connery keine Lust mehr. Für den sechsten Film entschied man sich nach ausgiebiger Suche für den unerfahrenen und unbekannten Australier George Lazenby. Marius Joa über dessen einzigen Bond-Film, der sich von den anderen sehr unterscheidet.

(On Her Majestic’s Secret Service)

Agentenfilm UK 1969. Regie: Peter Hunt. Nach Ian Fleming. Musik: John Barry. 135 Minuten. FSK ab 16. Kinostart: 19. Dezember 1969.
Mit George Lazenby, Diana Rigg, Telly Savalas, Gabriele Ferzetti, Ilse Steppat, Angela Scoular, Lois Maxwell, Bernard Lee, Desmond Llewelyn, Catherine Schell, George Baker, Yuri Borienko u.v.a.

James Bond (George Lazenby) bewahrt die junge Tracy (Diana Rigg) vor dem Selbstmord. Damit er sich auch weiter um ihn kümmert, bietet ihr Vater, der korsische Gangsterboss Draco (Gabriele Ferzetti), ihm Informationen über den Verbleib von Blofeld (Telly Savalas). Doch Bonds Chef M (Bernard Lee) zieht ihn von dem Fall ab, worauf Bond die Konsequenzen zieht und seine Kündigung vom Geheimdienst bekannt gibt. Der Intervention von Sekretärin Miss Moneypenny (Lois Maxwell) ist es zu verdanken, dass daraus 14 Tage Urlaub für 007 werden. Diese Freizeit nutzt Bond, um seine Beziehung zu Tracy zu vertiefen, aber auch um nach Blofeld zu suchen, der sich als Graf De Bleauchamp, revolutionärer Allergieforscher, in seinem Institut hoch in den Schweizer Bergen versteckt hält. Bond nimmt die Identität des Stammbaumforschers Sir Hilary Bray (George Baker) an, um Blofelds Anspruch auf den Adelstitel zu überprüfen und dadurch in die Höhle des Löwen zu kommen.

Einmal Bond: George Lazenby.

Obwohl die Produzenten Sean Connery die damals hohe Gage von einer Million Dollar bot, lehnt er es ab, im sechsten 007-Film die Hauptrolle zu spielen. Ian Fleming hatte während der Dreharbeiten zu „James Bond jagt Dr. No“ die Romanvorlage zu diesem Film geschrieben. Neben vielen anderen wurde die Rolle von 007 auch Roger Moore, damals Anfang 40, und Timothy Dalton, Mitte 20, angeboten. Beide sagten ab. Moore war noch vertraglich an die Serie „Simon Templar“ gebunden und Dalton fühlte sich zu jung für den Part. Natürlich sollten beide später James Bond verkörpern, Moore siebenmal ab 1973 und Dalton zweimal (1987/89). Schließlich sprach der australische Dressman George Lazenby, Anfang 30 vor und erhielt den Job, obwohl sich seine Schauspielerfahrung auf einen Schokoladenkeks-Werbespot beschränkte. Man vermutet, dass Lazenby den Zuschlag erhielt, weil er beim Test für eine Kampfszene physisch überzeugt hatte und seinem Vorgänger leicht ähnlich sah. Mit geschätzten 50.000 Pfund Gage war er auch um einiges preisgünstiger als Connery.

Da man einen Unbekannten für die Titelrolle hatte, setzte man natürlich bei den weiteren Rollen auf Stars. Glatzkopf Telly Savalas, der später als Kojak weltberühmt wurde, gab den Dauer-Bösewicht Blofeld und Diana Rigg, bekannt aus der Agentenserie „Mit Schirm, Charme und Melone“, spielte Tracy, die erste Frau in der Filmgeschichte, in die sich Bond wirklich verliebt. Für die deutsche Schauspielerin Ilse Steppat war ihre Darstellung von Blofelds Gehilfin Irma Bunt ihre einzige englisch-sprachige und gleichzeitig letzte Rolle. Sie verstarb am 22. Dezember 1969, kurz nach Veröffentlichung des Film, im Alter von 52 Jahren an einem Herzinfarkt. Peter Hunt, der bei den vorherigen 007-Filmen als Cutter gearbeitet hatte, übernahm die Regie. John Glen, der später in den Achtzigern selbst fünf Bond-Streifen drehte, den Schnitt. Die Dreharbeiten dauerten mit zehn Monaten relativ lang.

Nicht nur aufgrund des Darsteller-Wechsel darf „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ als geplanter Neuanfang gesehen werden, allerdings nicht ohne ausgiebig auf die Vorgänger hinzuweisen. Wie beim ersten Film ist im Vorspann kein Titelsong, sondern ein Titelthema zu hören. Der Song wird ebenfalls im Verlauf des Films „nachgereicht“. Auch hier hat Bond keine Gadgets zur Verfügung und trotzdem tritt Q (Desmond Llewelyn) auf. Die Anspielungen gehen sogar soweit, dass im Vorspann Bilder von früheren Bond-Girls und Gegnern zu sehen sind. Als Bond seine Sachen nach der Kündigung packt, hört man sogar nacheinander kurze Ausschnitte aus früheren Songs und Themen aus den ersten fünf Filmen. Die Zeile „Das wär’ dem anderen nicht passiert“ in der Vortitelszene ist ein gelungenes, selbstironisches Zitat. Das Neue an diesem Film: er enthält relativ wenig Action und Spannung. Die Actionszenen beschränken sich mit wenigen Ausnahmen auf das letzte Drittel. Zwischendurch wird sowohl der Liebesgeschichte zwischen James und Tracy als auch dem Aufenthalt in Blofelds Institut viel Zeit gewidmet. Dadurch mag der Film einigen Zuschauern etwas langweilig vorkommen. Am Ende wird man aber mit rasanten Verfolgungsjagden auf Schnee und Eis für die Längen entschädigt. Zweiter Kritikpunkt: auch wenn der Film mittlerweile 37 Jahre alt ist, so ist das Frauenbild, speziell Dracos Meinung von seiner Tochter Tracy und wie diese behandelt werden sollte, sehr fragwürdig. Bond-Filme waren zwar noch nie für ihre wirklich starken Frauenfiguren bekannt, aber die genannte „Einstellung“ ist etwas zu krass, vor allem im Hinblick darauf, dass Bond sich hier wirklich verliebt und heiratet. Die selbstbewusst wirkende Tracy stellt alle bisherigen Gespielinnen an Entschlossenheit und Stärke in den Schatten, auch wenn sie in Bonds Armen weich wird. Die tragische Schlussszene sollte ursprünglich in die Vortitelsequenz des folgenden Films. Als aber klar wurde, dass dies Lazenbys einziger 007-Film bleiben würde, setzte man sie ans Ende dieses Films.

Die Musik von John Barry, der bei den meisten 007-Filmen als Score-Komponist tätig war, war vor allem durch das flotte Titelthema „On Her Majesty’s Secret Service“ sehr gelungen. Das schöne, ruhige Liebeslied „We Have All The Time In The World“ sang Jazzlegende Louis Armstrong. Es war die letzte Aufnahme seines Lebens.

Weil der Film damals bei den Fans für Enttäuschung sorgte und an der Kinokasse nicht ankam, wurde vor allem George Lazenby heftig kritisiert. Er machte seine Sache aber eigentlich sehr gut. Außerdem durfte man von einem Model ohne Schauspielerfahrung nicht erwarten, Sean Connery adäquat zu ersetzen. George Lazenby überzeugt als James Bond in punkto Charisma und physischer Präsenz. Regisseur Peter Hunt schätzte an ihm besonders, dass er formbar und lernwillig war. Spekulationen darüber, warum Lazenby nur einen Film machte, gibt es viele. Der Grund war wohl, dass seine Berater ihm rieten nicht weiter zu machen, weil sie dachten, James Bond und das Genre des Agentenfilms wären nicht mehr zeitgemäß. Gerüchten zufolge sollen außerdem Differenzen vorhanden gewesen sein. Lazenby hat sich und seiner Karriere dadurch aber keinen Gefallen getan. Für den siebten Bond-Film „Diamantenfieber“ kehrte Sean Connery schließlich zurück.

Fazit: Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist dieser Bond-Film ganz anders. Weniger Action, mehr Ruhe und Romantik. Dennoch ein sehr gelungener Agentenfilm mit einem trotz aller Unkenrufe und fehlender Erfahrung überzeugendem Hauptdarsteller George Lazenby. 8 von 10 Punkten.


Blofeld zum 2. Mal komplett sichtbar.

Mehr als ein Bond-Girl: Tracy (Diana Rigg).

DVD-Features:

Sprachen: Deutsch, Englisch

Bonusmaterial
Audiokommentar des Regisseurs Peter Hunt
Special: Q’s Labor: Tricks und Wunderwaffen
Kinotrailer und TV-Spots

Seit November gibt es auch zu diesem Film eine Ultimate Edition, die den Film in restaurierter Fassung und noch mehr Bonusmaterial enthält. Diese Edition ist natürlich auch in der Monster-Box mit den ersten 20 Filmen vorhanden.

Marius Joa, 10. Dezember 2006. Bilder: United Artists/MGM.


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Kommentare

2 Antworten zu „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“

  1. […] Im Geheimdienst Ihrer Majestät mit George Lazenby und Diamantenfieber mit einem reaktivierten Sean Connery musste ein neuer Bond […]

  2. […] 1969 James Bond: Im Geheimdienst Ihrer Majestät […]

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