Ein unscheinbarer College-Dozent wird unverhofft zum erfolgreichen Fake-Killer, der für die Polizei arbeitet, in Richard Linklaters ungewöhnlicher Komödie A Killer Romance (Originaltitel: Hit Man), mit Glen Powell in der Hauptrolle.
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A Killer Romance (Hit Man)
Komödie USA 2023. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 116 Minuten. Kinostart: 4. Juli 2024.
Mit: Glen Powell, Adria Arjona, Austin Amelio, Retta, Sanjay Rao u.v.a. Nach einem Artikel von Skip Hollandsworth. Drehbuch: Richard Linklater und Glen Powell. Regie: Richard Linklater.
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Der echte College-Lehrer und der falsche Auftragskiller
New Orleans. Gary Johnson (Glen Powell) ist ein unscheinbarer und nerdiger Mann, der am College Psychologie und Philosophie lehrt. Ansonsten beobachtet er gerne Vögel und kümmert sich um seine Katzen. Im Nebenberuf hilft er der örtlichen Polizei bei Überwachungsaktionen mit der Technik. Als Polizist Jasper (Austin Amelio) wegen eines Übergriffes für 120 Tage suspentiert wird, muss Gary plötzlich auf Bitten von Jaspers Kolleg*innen Claudette (Retta) und Phil (Sanjay Rao) bei einer Undercover-Operation einspringen und sich als Auftragskiller ausgeben. Wider Erwarten gelingt es Gary seine Rolle perfekt zu spielen und sein „Auftraggeber“ wird verhaftet. Dieser Erfolg sorgt dafür, dass der College-Dozent nun öfter als „fake hit man“ zum Einsatz kommt. Gary nutzt die Vorbereitungszeit um akribisch zu recherchieren und erfindet verschiedene Identitäten, die er auf die unterschiedlichen Eigenheiten seiner „Kunden“ zuschneidet. Dabei gewinnt der eigentlich schüchterne Mann sukzessive an Selbstbewusstsein. Die Undercover-Arbeit gerät allerdings ein wenig außer Kontrolle als Gary in seiner Identität als cooler Typ Ron die unglückliche Madison Figueroa Masters (Adria Arjona) trifft, die ihren reichen Ehemann umbringen lassen möchte…
Am 4. Juli 2024 sind doch glatt gleich vier Kinofilme gestartet, die ich alle sehen möchte. Selbst für einen erfahrenen Cineasten ein seltenes Ereignis. Während Am I OK?, das Regiedebüt der Comediennes und Schauspielerinnen Tig Notaro und Stephanie Allyne, hier in der Provinz nicht in den Kinos gezeigt wurde, konnte ich die anderen drei Streifen auf der großen Leinwand erleben: den Retro-Slasher MaXXXine von Ti West mit Mia Goth, den provokativen Anthologie-Film Kinds of Kindness von Yorgos Lanthimos und eben A Killer Romance von Richard Linklater, mit Glen Powell als College-Dozent und Fake-Hitman.
Mit der Before-Trilogie (Before Sunrise, Before Sunset, Before Midnight), über die Liebesgeschichte zweier Fremder nach einer zufälligen Begegnung, A Scanner Darkly (nach dem Roman des SF-Visionärs Philip K. Dick) und seinem einmaligen 12-Jahre-Projekt Boyhood hat Richard Linklater (geboren 1960) mehrere Filme geliefert, die in meiner persönlichen Bestenliste stehen. Generell fällt seine Filmographie durch eine recht große Bandbreite auf. Mit A Klller Romance, der unter seinem Originaltitel Hit Man im September 2023 fast zeitgleich mit David Finchers The Killer Premiere beim Filmfestival in Venedig feierte und in den USA nach kurzem Kinostart bei Netflix landete, hat der amerikanische Filmemacher eine etwas ungewöhnliche Komödie gedreht.
Linklaters 22. Regie-Arbeit in Spielfilmlänge steht genretechnisch ziemlich zwischen den Stühlen und ist daher schwierig zu vermarkten. Für einen richtigen Krimi oder Thriller fehlt es an Spannung, für eine romantische Komödie an Romantik. Der deutsche Verleih Leonine entschied sich beim Marketing eher auf letztgenannteres Genre zu setzen, daher wohl auch der nicht ganz optimale „deutsche“ Titel. Beim Mainstream-Publikum dürfte es A Killer Romance also schwer haben. Vor allem weil die Story trotz vereinzelter Wendungen dann doch eher unspektakulär und angenehm unreißerisch verläuft.
Die Geschichte basiert lose auf realen Begebenheiten. In einem 2001 im Texas Monthly veröffentlichen Artikel schrieb der Journalist Skip Hollandsworth, dessen Arbeit bereits die Vorlage für Linklaters Film Bernie (2011) geliefert hatte, über den echten Gary Johnson (1947-2022), der in den 1980ern und 1990ern als gefragtester Killer von Texas galt, obwohl er nie jemanden getötet hatte, sondern als Lockvogel für die Polizei von Houston fungierte. Johnson arbeitete nach seiner Zeit im Vietnamkrieg als Hilfssheriff, Ermittler für die Staatsanwalt und mit seinem Master in Psychologie eben auch als College-Dozent. Scheinbar mühelos schlüpfte der falsche Killer in unterschiedlichste Rollen und performte dabei immer äußerst präzise. Privat war Johnson ein sehr chilliger, tierliebender Buddhist. Noch vor Beginn der Dreharbeiten im Oktober 2022 verstarb er im Alter von 75 Jahren.
Richard Linklater hatte schon lange vor, den Artikel über Johnson zu verfilmten, doch erst mit Schauspieler Glen Powell, der zum wiederholten Mal mit dem Regisseur zusammenarbeitete, kam die Drehbuchentwicklung richtig ins Rollen, in deren Verlauf man sich entschied, eine von den realen Ereignissen ziemlich losgelöste Story zu schreiben, die teilweise auch etwas unrealistisch wirkt, vor allem dahingehend, dass die Undercover-Arbeit Garys im Film kaum gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen. Trotz einer unorthodoxen Herangehensweise bleibt die Geschichte bezüglich des Endes etwas unter ihren Möglichkeiten.
Nicht nur das Glen Powell, der gleich in zwei prominenten Blockbuster-Fortsetzungen (Top Gun: Maverick und Twisters) zentrale Rollen bekleidet, maßgeblich am Skript beteiligt war, als Hauptfigur Gary Johnson liefert er auch eine herausragende Performance ab und trägt damit weite Teile des Films. Abgesehen von den herrlichen Verkleidungen und herrlich überzeichneten Identitäten (mein Favorit: der Klon des Killers aus No Country For Old Men) überzeugt Powell durch sein nuanciertes Spiel, mit welchem er die zwei Seiten seines Charakters perfekt und fast nahtlos verkörpert. Passend auch die Chemie mit Adria Arjona (Good Omens, Andor) als von ihrem Ehemann unterdrückte Madison.
Fazit: Ungewöhnliche, angenehm unreißerische aber auch etwas unausgegorene Komödie zwischen Krimi und Romanze, mit einem herausragenden Glen Powell in der Hauptrolle. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 12. Juli 2024. Bilder: Leonine.
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