Als das Meer verschwand

Abseits von großen Hollywood-Produktionen findet man immer wieder interessante, kleine Filme. Marius Joa über „Als das Meer verschwand“, ein preisgekröntes Familiendrama aus Neuseeland.

(In My Father’s Den)
Familendrama Neuseeland/UK 2004. Regie: Brad McGann. Nach dem Roman von Maurice Gee.
Musik: Simon Boswell. 128 Minuten. FSK ab 12.
Mit Matthew Macfadyen, Miranda Otto, Emily Barclay, Colin Moy, Jimmy Keen, Jodie Rimmer, Vicky Haughton, Toby Alexander u.v.a.

Als sein Vater stirbt, kehrt Journalist und Kriegsfotograf Paul Prior (Matthew Macfadyen) von Europa in seine Heimatstadt, ein verschlafenes Nest in Neuseeland, zurück. Das Verhältnis zu seinem jüngeren Bruder Andrew (Colin Moy) ist noch immer sehr gespannt. Vor 17 Jahren hatte Paul als Teenager seine Familie nach dem Selbstmord der manisch-depressiven Mutter verlassen. Andrew hat in der Zeit die zurückhaltende, blasse Penny (Miranda Otto) geheiratet und die beiden haben einen 13jährigen Sohn, Jonathan (Jimmy Keen). Als Paul die alte Hütte seines Vaters, die diesem als ungestörte Zuflucht u.a. zum Lesen und Musikhören diente, betritt, trifft er auf die 16jährige Celia (Emily Barclay), die Tochter seiner Jugendliebe Jackie (Jodie Rimmer). Paul und Celia freunden sich immer mehr an, wobei sich mit der Zeit die Hinweise verdichten, dass Paul ihr Vater ist. Jackie reagiert auf Pauls Fragen diesbezüglich abweisend. Als Celia verschwindet, gerät Paul unter Verdacht, mit ihr ein Verhältnis gehabt und sie getötet zu haben. Von allen Seiten schlägt ihm Verachtung entgegen. Doch allmählich gerät Licht ins Dunkel.

Freunden sich an: Paul und Celia.

Das Spielfilmdebüt des Neuseeländers Brad McGann wurde mit einigen Preisen überhäuft (u.a. bei den New Zealand Screen Awards sowie bei den Festivals in San Sebastián, Seattle und Toronto). Trotz eines eher kleinen Budgets (umgerechnet ca. 3,5 Millionen Euro) konnte man sich, wohl auch dank der britischen Co-Produktion, ein paar Namen leisten. Die Hauptrolle des widerwilligen Heimkehrers Paul spielt Matthew Macfadyen („Stolz und Vorurteil“), die zurückgezogene Penny Miranda Otto („Der Herr der Ringe„). In einer kleinen Rolle als Lehrerin: Vicky Haughton, die Großmutter aus „Whale Rider„.

Obwohl der Film im Laufe der Zeit ein wenig wie ein Krimi wirkt, so ist er doch als Familiendrama zu sehen. Ergänzend zur Haupthandlung treten immer wieder Rückblenden auf. Diese erklären mit Vorkommnissen aus der Vergangenheit die Ereignisse der Gegenwart. Das ganze Gefüge wird gegen Ende, als das Verschwinden Celias allmählich aufgeklärt wird, etwas verwirrend, da es von da an nicht nur die Rückblenden von vor 17 Jahren gibt, sondern auch einige, die zeitlich vor dem Verschwinden des Mädchens liegen.

„Als das Meer verschwand“ behandelt nicht nur Themen wie ungleiche Brüder bzw. schwierige Familienverhältnisse, sondern auch die Liebe zum Schreiben, Erwachsenwerden, erste Liebe sowie das Gefangensein in der abgelegenen Welt einer neuseeländischen Kleinstadt und die Auswirkungen auf junge Menschen. Die Abgeschiedenheit wird vor allem durch die meist grauen Landschaftsaufnahmen dargestellt. Diese Bilder zeugen schon von einer gewissen Schönheit, verdeutlichen aber gleichzeitig den grauen, tristen Alltag am anderen Ende des Erdballs. In einer Szene meint Paul, dass eigentlich alle Teenager von dort weg wollen. Während sich der Originaltitel „In My Father’s Den“ auf die Hütte, die sowohl seinem Vater als auch Paul selbst als Zuflucht dient, bezieht, ist der deutsche Titel einer Kurzgeschichte aus dem Film entnommen, deren Anfangstext im Film mehrmals zitiert wird.

Keinesfalls sollte man bei diesem Film große Spannung erwarten, die Geschichte wirft nur mit der Zeit immer wieder Fragen auf. Schließlich wird eine überraschende Lösung der Geheimnisse präsentiert. Am Ende bleiben eigentlich keine Fragen mehr offen. Sehr schön ist die Schlussszene, auch wenn sie, was die Chronologie der Geschichte betrifft, nicht die letzte ist. Neben Matthew Macfadyen überzeugt vor allem die junge Emily Barclay als 16jährige Celia, die von einer Karriere als Schriftstellerin in Europa träumt und Paul daran erinnert, wie er früher selbst war.

Fazit: Unspektakuläres, aber sehr gelungenes Familiendrama über die weitreichenden Folgen der Vergangenheit. 8/10.


Andrew (Colin Moy) und Penny (Miranda Otto).
Marius Joa, 7. Dezember 2006. Bilder: Capelight Pictures.


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