Nur höher, schneller, weiter? Es geht auch anders. Das beweist ausgerechnet Ant-Man, der neueste Film aus dem „Marvel Cinematic Universe“, der kurz vor Drehbeginn noch den Ausstieg eines Regisseurs zu verkraften hatte.
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Ant-Man
Comic-Adaption/Science-Fiction-Film USA 2015. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 117 Minuten. Kinostart: 23. Juli 2015.
Mit: Paul Rudd, Michael Douglas, Evangeline Lilly, Corey Stoll, Bobby Cannavale, Michael Peña, Tip „T.I.“ Harris, David Dastmalchian, Judy Greer, Abby Ryder Fortson, Anthony Mackie u.v.a. Regie: Peyton Reed. Drehbuch: Edgar Wright, Joe Cornish, Adam McKay, Paul Rudd. Nach den Comics von Stan Lee, Larry Lieber und Jack Kirby,
Showdown im Kinderzimmer
Gerade aus dem Gefängnis entlassen will der versierte Einbrecher Scott Lang (Paul Rudd) von nun an ein ehrliches Leben ohne krumme Touren führen, um so mehr Zeit für seine siebenjährige Tochter Cassie (Abby Ryder Fortson) zu haben. Doch als er seinen neuen Job in einer „Saftbar“ verliert und ihm sein Ex-Zellengenosse/Mitbewohner Luis ( Michael Peña) von einem todsicheren Ding erzählt, willigt Scott ein. Im stark gesicherten aber nicht unüberwindlichen Safe eines alten reichen Mannes findet Scott anstelle von Geld oder Diamanten aber nur einen mehrwürdig aussehenden Motorradanzug. Als Scott ihn anzieht und einen Knopf drückt, schrumpft er auf Insektengröße. Es stellt sich heraus, dass der alte Mann niemand geringeres als der pensionierte Wissenschaftler Dr. Hank Pym (Michael Douglas) ist, der früher selbst in dem Anzug als „Ant-Man“ gegen Terror und Unrecht kämpfte. Nun soll ausgerechnet der unzuverlässige und zu Rückfällen neigende Scott den Anzug tragen, um einen weiteren Einbruch zu begehen. Denn Pyms ehemaliger Schützling, der verrückte Darren Cross (Corey Stoll), hat mit der „Yellowjacket“ einen eigenen schrumpfbaren Anzug entwickelt, dessen Technologie er zu einem hohen Preis an Mitglieder der Terror-Organisation HYDRA verkaufen will. Mit der Hilfe von Pyms Tochter Hope (Evangeline Lilly) versucht Scott als neuer Ant-Man das Unmögliche zu vollbringen: den Anzug von Cross aus dem extrem gesicherten Konzerngebäude zu stehlen…
Der ominöse Anzug
Bereits seit 2003 war die Entwicklung eines Kinofilms über den Marvel-Helden Ant-Man untrennbar mit dem britischen Regisseur und Drehbuchautor Edgar Wright (Shaun Of The Dead, Hot Fuzz) verbunden. Um so überraschender und unerwarteter war Wrights Abschied von dem lange geplanten Projekt im Mai 2014 nicht lange vor Drehbeginn wegen „kreativer Differenzen“. Mit Peyton Reed (u.a. Down With Love) fand sich schnell ein Nachfolger, der nun die anspruchsvolle Aufgabe erhielt, das über ein Jahrzehnt entwickelte Filmprojekt eines anderen als Werk innerhalb des „Marvel Cinematic Universe“ zu vollenden. Sicherlich keine guten Vorzeichen für die reibungslose Produktion eines großformatigen Hollywood-Streifens. Doch wider Erwarten ist aus Ant-Man kein Reinfall, sondern ein zwar nicht besonders tiefgängiger, aber witziger und schnörkelloser Comicfilm geworden, der die meiste Zeit über eher als Heist Movie sowie Gaunerkomödie und weniger als Superhelden-Actioner funktioniert.
Dass Story und Charaktere wenig Tiefgang oder Entwicklung besitzen wird durch den ironischen Unterton und die kurzweilige Inszenierung sehr gut kompensiert. Ant-Man dauert fast zwei Stunden, fühlt sich aber an als wären es nur ca. 90 Minuten. Durch den Humor wird auch verhindert, dass der Streifen durch seine Prämisse (Protagonist wird auf Ameisengröße geschrumpft, um mit deren Hilfe seine schwierigen Aufgaben zu bewältigen) ins Lächerliche abdriftet. Besonders spaßig sind die Szenen, in welchen Scotts Kumpel Luis erzählt, wie er vom Freund eines Freundes seines Cousins von einer großen Sache erfahren hat und sich dabei hemmungslos zu verzetteln droht.
Der zweite nicht zu unterschätzende Pluspunkt des Ameisenmenschenabenteuers: der Zuschauer wird im Gegensatz zu Avengers: Age Of Ultron nicht mit überzogener Dauer-Action genervt. Es gibt nur eine wirklich große, längere Kampfszene mit dem Bösewicht und die findet meist im Kleinformat in einem Kinderzimmer bei Kuscheltieren und Modelleisenbahn statt. Damit wird die endlose Gigantomanie des Hollywoodkinos und speziell der MCU-Filme auf ungewohnte Weise konterkariert. Es kommt schließlich nicht auf die Größe an.
Natürlich wurden durch diverse Elemente wieder Brotkrumen für die nächsten Marvel-Filme gestreut. Anthony Mackie hat als geflügelter Falcon eine Begegnung mit dem Ant-Man. Außerdem gibt es zwei Szenen während und nach dem Abspann (letztere mit einem Cameo von Chris Evans alias Captain America). Als nächster Film kommt im Mai 2016 Captain America: Civil War, in welchem ein neues Gesetz die Avengers in zwei verfeindete Lager gespaltet. Das komplette Heldenaufgebot liest sich wie ein inoffizieller dritter Avengers-Film.
Fazit: Ant-Man unterhält dank einer recht erfrischenden Inszenierung, viel Humor und angenehm dosierter Action. 7 von 10 Punkten.
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Cross hat große Pläne
Luis und seine Spießgesellen
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