Zwei Jahre nach The French Dispatch hat der idiosynkratische amerikanische Filmemacher Wes Anderson seinen neuen Film vorgelegt. Ein Wettbewerb für Nachwuchswissenschaftler in einer Wüstenstadt und das Drumherum stehen im Mittelpunkt von Asteroid City, wie gewohnt mit großem Starensemble inszeniert.
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Asteroid City
Komödie USA 2023. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 106 Minuten. Kinostart: 15. Juni 2023.
Mit: Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Jake Ryan, Grace Edwards, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Bryan Cranston, Edward Norton, Tilda Swinton, Adrien Brody, Rupert Friend, Maya Hawke, Steve Carrell, Stephen Park, Ethan Josh Lee, Aristou Meehan, Ella Faris, Gracie Faris, Willan Faris u.v.a. Story: Roman Coppola und Wes Anderson. Drehbuch und Regie: Wes Anderson.
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Die bunt-belanglose Welt des Mr. Anderson
Der renommierte Dramaturg Conrad Earp (Edward Norton) hat ein neues Theaterstück geschrieben, dessen Umsetzung durch Regisseur Schubert Green (Adrien Brody) vom Moderator eines TV-Specials (Bryan Cranston) begleitet wird. Das Stück spielt 1955 in einer sehr beschaulichen Wüstenstadt namens Asteroid City in Nevada, wo vor über 3.000 Jahren ein Meteorit einschlug. Seit einigen Jahren gibt es an jenem Ort eine vom US-Militär und einer Gruppe Wissenschaftlern betriebene Forschungsstation. Dort findet jedes Jahr der “Junior Stargazer”-Wettbewerb für jugendliche Nachwuchs-Wissenschaftler statt. Der kürzlich verwitwete Fotograf Augie Steenbeck (Jason Schwartzman) reist mit seinem teilnehmenden 14jährigen Sohn Woodrow (Jake Ryan) und den drei kleinen Töchtern (Ella Faris, Gracie Faris, Willan Faris) an. Weil das Auto den Dienst verweigert ruft Augie seinen knorrigen Schwiegervater Stanley Zak (Tom Hanks) an, um die Mädchen mitzunehmen.
Auch die äußerst bekannte Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) ist mit ihrer Tochter Dinah (Grace Campbell), einer weiteren Jungforscherin, zugegen. Während die von General Gibson (Jeffrey Wright) und Dr. Hickenlooper (Tilda Swinton) geleitete Veranstaltung vonstatten geht entwickeln der zurückhaltende Augie und die melancholische Midge eine gegenseitige Anziehung. Auch ihre beiden Teenager-Sprösslinge kommen sich näher. Da taucht plötzlich ein Alien auf. Das Militär erklärt die Gegend sofort zum Sperrgebiet. Die Besucher sitzen fest, denn niemand darf Asteroid City verlassen. Während der Quarantäne versuchen sich die Menschen ihren eigenen Reim auf die Begegnung der dritten Art zu machen…
Mit Asteroid City legt Wes Anderson (geboren 1969) seinen elften abendfüllenden Film vor. Ich selbst kenne bisher nur seine drei vorherigen Werke: Grand Budapest Hotel (2014), den Stop-Motion-Trickfilm Isle of Dogs (2018) und The French Dispatch (2021), wobei ich die ersten beiden gelungen bis sehr gut finde. Der letztgenannte, episodenhafte Journalistenreigen bot zwar einen visuell unfassbar genussvolles, rasantes und detailreiches Kinoerlebnis, doch vergaß Anderson bei aller überbordenden Ästhetik die emotionale Komponente ein wenig. In seinem neuen Werk ist sich der US-Amerikaner mit seinen symmetrischen Bildkompositionen, an Puppenhäuser oder Modellstädten erinnernde Szenerien und teils schrägen Charakteren treu geblieben. Doch fehlt es der mit unzähligen A-List-Akteuren vollgestopften Produktion an inhaltlicher Substanz und Spannung.
Die Dreharbeiten fanden von August bis Oktober 2021 in der spanischen Stadt Chinchón (Autonome Region Madrid) statt, wo die Kulissenbauer ein für den Regisseur charakteristisches Diorama-Set errichteten. Das Ergebnis pendelt sich irgendwo zwischen Western-Meile in einem Freizeitpark und einer “Dummy-Stadt” auf einem Atomtestgelände. Die absichtliche Künstlichkeit der Kulissen wird auch dadurch deutlich, dass sich kaum Szenen wirklich innerhalb der Gebäude abspielen, sondern überwiegend draußen oder, wie die Gespräche zwischen Midge und Augie, von Fenster zu Fenster. Während die Rahmenhandlung über das Theaterstück in Schwarzweiß und im 4:3-Bildformat gefilmt wurden so erstrahlen die Szenen in der Wüste überaus farbenfroh und in breiten Panorama-Bildern.
Was Anderson und sein häufiger Co-Autor Roman Coppola (Sohn von Francis Ford Coppola und Cousin des Hauptdarstellers Jason Schwartzman) hier an Figuren und Situationen aufbauen ist vordergründig so verspielt wie man es vom Regisseur kennt. Manche Elemente wirken in ihrer zurückgenommenen, dezent schrägen Art durchaus gelungen. Doch habe ich einen Großteil der ca. 100 Minuten Laufzeit darauf gewartet, dass hier etwas wirklich Spannendes passiert. Es gibt immer wieder lustige Szenen und ein paar fast beiläufig eingestreute, humoristische Spitzen, die funktionieren. Doch insgesamt empfand ich Asteroid City als recht öde. Wes Anderson scheint hier vor lauter penibler Ausmessung der Szenerie mit Wasserwaage bzw. Metermaß und dem auf die Spitze-Treiben seiner weiteren Maniermismen vergessen zu haben, eine irgendwie packende Geschichte zu schaffen, die nicht nur einfach vor sich hinplätschert.
Zu den eher gelungenen Teilen der Story gehört neben der melancholisch Love Story des von Jason Schwartzman (zum 7. Mal in einem Anderson-Film dabei) gespielten Fotografen/Witwers und der von Scarlett Johansson (hatte eine Sprechrolle in Isle of Dogs) gespielten Star-Schauspielerin vor allem die Szenen der jungen Forscher untereinander. Das Highlight waren für mich die Szenen mit den drei kleinen Mädchen, die die Nachricht vom Tod ihrer Mutter auf eigenwillige Art aufnehmen und sich für eine spätere Karriere als Hexen-Trio bei Macbeth empfehlen.
Fazit: Trotz gewohnt illustrer Starbesetzung bis in die kleinsten Rollen und schrägem Setting erweist sich Wes Andersons neuester Film als recht belanglose Angelegenheit mit zu wenig Biss und Humor, die vermutlich nur noch wenigen Hardcore-Fans des Regisseurs wirklich gefallen dürfte. 5 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 24. Juni 2023. Bilder: Universal/Focus Features.
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