Aurora (2019)

Mit Aurora entführte mich nach Master Cheng bereits zum zweiten Mal ein Film auf dem 46. Internationalen Filmwochende in Würzburg in den finnischen Teil Lapplands. Die Titelheldin hat ihr eigenes Leben keineswegs im Griff, will einem iranischen Flüchtling und seiner Tochter aber dabei helfen, in Finnland bleiben zu dürfen.

Aurora
Tragikomödie Finnland 2019. 106 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Mimosa Willamo, Amir Escandari, Oona Airola, Hannu-Pekka Björkman, Ela Yildirim, Ria Kataja, Chike Ohanwe, Miita Sorvali u.v.a. Drehbuch und Regie: Miia Tervo.

 


Licht und Dunkelheit

Im winterlichen Lappland. Die junge Aurora (Mimosa Willamo) stolpert nicht nur von einer Party zur nächsten sondern auch eher schlecht als recht durch ihr Leben. Dem gemeinsam mit ihrem alkoholkranken Vater (Hannu-Pekka Björkman) bewohnten Haus droht wegen nicht gezahlter Miete die baldige Zwangsräumung. Auroras Job im Nagelstudio ihrer besten Freundin Kinky (Oona Airola) könnte auch besser laufen. Die beiden Frauen träumen von einem besseren Leben in Norwegen. Darian, ein iranischer Flüchtling, der es nach dem Tod seiner Ehefrau gemeinsam mit Tochter Azar (Ela Yildirim) bis nach Finnland geschafft hat, möchte gerne dort bleiben. Doch auch wenn die barmherzige Ärztin Tiina (Ria Kataja), sehr um Unwillen ihres Ehemanns Juha (Chike Ohanwe), den beiden Unterschlupf in ihrem Haus gewährt, so stehen die Chancen schlecht. Aurora und Darian treffen zufällig in einem ranzigen Imbiss aufeinander. Nachdem sie gerade einen Job als Aufsichtsperson für die reiche ältere Dame Liisa (Miita Sorvali) angenommen hat beschließt Aurora Darian zu helfen, einen permanenten Aufenthaltsstatus zu erhalten. Am besten natürlich durch eine Heirat mit einer willigen Frau. Kein einfaches Unterfangen…

 Aurora will Darian helfen

Der oben erwähnte Master Cheng und Aurora haben eines gemeinsam: beide Werke wurden im finnischen Teil von Lappland gedreht. Doch während der erstgenannte Film im malerisch-traumhaften Sommer spielt, zu einer Zeit in der die Sonne kaum untergeht, so ist die Handlung des zweiten Beitrags klar im Winter angesiedelt, in der recht dunklen Jahreszeit. Regisseurin Miia Tervo (geb. 1980 in der lappländischen Hauptstadt Rovaniemi) liefert mit Aurora nach einigen Kurzfilmen und einer halbstündigen Musik-Doku ihr Spielfilmdebüt ab. Darin thematisiert sie die unterschiedlichsten Probleme Finnlands im Allgemeinen und Lapplands im Besonderen. Da gibt es zum Einen den weit verbreiteten Alkoholismus, der natürlich einige „Folgeschwierigkeiten“ mit sich bringt. Die Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt dürfte der Hauptgrund sein, warum viele junge Menschen aus Lappland wegziehen und ihr Glück im Süden Finnlands oder in einem der Nachbarländer versuchen. Und die weltweite Flüchtlingskrise hat auch vor Skandinavien nicht halt gemacht. Vor allem zu Beginn wird die prekäre Situation der Geflüchteten gezeigt. Da erscheint es mehr als verständlich dass Darian, der über die Türkei aus dem Iran floh, für sich und vor allem für seine Tochter ein besseres Leben möchte. Obwohl ihr eigenes Leben fast einem Trümmerhaufen gleicht möchte ausgerechnet die Titelheldin dem jung verwitweten Familienvater bei seinem Wunsch helfen.

Die ganze Geschichte mag auf den ersten Blick recht traurig und eher düster klingen doch Tervo schafft es, aus dieser Ausgangssituation einen grundehrlichen, witzigen und warmherzigen Film zu machen. Die ernste Gesamtsituation der beiden Protagonisten wird immer wieder durch teils absurd komische Szenen aufgelockert, etwa wenn die von Aurora betreute alte Dame beim gemeinsamen Backen plötzlich ein überaus schlüpfriges Liedchen singt oder wenn Darian potenzielle Heiratskandidatinnen trifft. Obwohl die Produktion nur knapp über eine Million Euro kostete so gelangen Kameramann Arsen Sarkisiants einige wunderschöne Sequenzen, die vor allem durch das perfekte Zusammenspiel von Bildern, Soundkulisse und musikalischer Untermalung gefallen. Herausragend in einem erwartungsgemäß urigen Ensemble sind freilich die beiden Hauptakteure Mimosa Willamo als Aurora und Amir Escandari als Darian. Zwei grundverschiedene, lebensecht verkörperte Figuren, die irgendwie nicht miteinander, aber auch nicht ohne den anderen sein können.

Beim Edinburgh International Film Festival 2019 gewann Aurora den Preis als beste internationale Produktion. Außerdem erhielt Miia Tervos Debüt 13 Nominierungen (darunter bester Fim, beste Regie,bestes Drehbuch sowie für einige Darsteller) beim Jussi 2020, dem finnischen Oscar. Ein deutscher Kinostart steht leider noch aus.

Fazit: Turbulente, authenische Tragikomödie mit zwei höchst unterschiedlichen Hauptcharakteren, die in der dunklen Winterlandschaft Lapplands aufeinander treffen. 8 von 10 Punkten.

Aurora am Boden
Juha und Darian raufen sich zusammen
Aurora und Kinky wollen weg

 

Marius Joa, 3. Februar 2020. Bilder: Dionysos Films/LevelK.
Teaserlogo: Filmwochenende Würzburg.

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