Bohemian Rhapsody

In den 1970ern und 1980ern gehörte Queen zu den angesagtesten Rockbands. Benannt nach ihrem vermutlich größten Hit setzt Bohemian Rhapsody vor allem Sänger und Frontmann Freddie Mercury ein beeindruckendes Denkmal.

Bohemian Rhapsody
Musikfilm/Drama UK, USA 2018. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 135 Minuten. Kinostart: 31. Oktober 2018.
Mit: Rami Malek, Lucy Boynton, Gwilym Lee, Ben Hardy, Joseph Mazzello, Allen Leech, Aidan Gillen, Tom Hollander, Aaron McCusker, Mike Myers u.a. Regie. Bryan Singer, Dexter Fletcher. Drehbuch: Anthony McCarten.

 

 

 

Is this the real life? Is this just fantasy?

1970. Der junge Farrokh „Freddie“ Bulsara, Sohn einer aus Sansibar stammenden Familie von Parsen, trifft auf einem kleinen Konzert die Band Smile. Als deren Leadsänger Tim Staffell aussteigt, stellt sich Freddie den verbliebenenen Bandmitgliedern Gitarrist Brian May (Gwilym Lee) und Drummer Roger Taylor (Ben Hardy) vor. Gemeinsam mit Bassist John Deacon (Joseph Mazzello) wird Queen gegründet. Nach erfolgreichen Tourneen durch die Clubs des Landes verkauft das Quartett seinen Van, um die Aufnahmen des Debütalbums zu finanzieren. Die Aufmerksamkeit führt nicht nur dazu, dass sie mit dem erfahrenen Jim Reid (Aidan Gillen) einen Manager finden, sondern bringt auch einen Plattenvertrag mit EMI Records. Freddie verlobt sich mit seiner Freundin Mary (Lucy Boynton), während die selbstbetitelte erste LP von Queen gut einschlägt. Auf einer Tour durch die USA beginnt Freddie an seiner sexuellen Orientierung zu zweifeln. Nach der Fertigstellung des vierten Albums A Night at the Opera (1975) brechen Queen mit EMI-Boss Ray Foster (Mike Myers), weil der sich weigert, das sechs Minuten lange Stück Bohemian Rhapsody als Single-Auskopplung zu veröffentlichen. Der Song wird jedoch zum Riesenhit und die Band geht auf ausgedehnte Welttournee. Mary wird unterdessen klar, dass mit Freddie etwas nicht stimmt und konfrontiert ihn mit damit. Queens Erfolg hält an, doch in den 1980ern machen sich in der Band Erschöpfung und Uneinigkeit breit. Freddie steht aufgrund seines Privatlebens auch zunehmend im Scheinwerferlicht der Boulevardpresse…

Am 24. November 1991 verstarb Freddie Mercury, Sänger der legendären Rockband Queen, im Alter von 45 Jahren an den Komplikationen von Aids. Ohne ihren Frontmann konnten die verbleibenden Bandmitglieder nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Eine filmische Aufarbeitung der Bandgeschichte wurde bereits 2010 von der BBC angekündigt. Die Rolle Mercurys sollte Sacha Baron Cohen (Borat, Brüno) übernehmen. 2013 verließ Cohen das Projekt allerdings aufgrund von kreativen Differenzen und sollte durch Ben Whishaw (Das Parfum) ersetzt werden. Nachdem Anthony McCarten 2015 den ursprünglichen Drehbuchautor Peter Morgan (Die Queen, The Crown) ersetzte und dem Stoff eine neue inhaltliche Richtung gab, nahm die Verfilmung allmählich wieder Gestalt an. Im September 2017 begannen die Dreharbeiten unter Regie von Bryan Singer (X-Men: Zukunft ist Vergangenheit), mit Rami Malek (Mr. Robot) als Freddie Mercury und sowohl Brian May als auch Roger Taylor Produzenten an Bord. Singer wurde allerdings im Dezember des gleichen Jahres vom Regie-Posten freigestellt, weil er einerseits desöfteren unentschuldigt dem Set fernblieb und sich zudem mit Malek überwarf. Dexter Fletcher, bekannt als Schauspieler aus Filmen wie Bube, Dame, König, grAs (1998) und Kick-Ass (2010), übernahm die Regie für die finale Produktionsphase. In den Credits bleibt Singer nach den Vorschriften der Director’s Guild of America aber als alleiiger Regisseur gelistet, während Fletcher als einer der ausführendenden Produzenten genannt wird.

Dass man etwa 15 Jahre nicht ohne Abstriche in einen gut zweistündigen Film packen kann, dürfte einleuchtend sein. Daher waren auch einige Verkürzungen bzw. Vereinfachungen im Adaptionsprozess notwendig. Dennoch gelingt es über weite Strecken die Bandgeschichte adäquat wiederzugeben. Nur leider presst das Drehbuch von Anthony McCarten (Die Entdeckung der Unendlichkeit, Die dunkelste Stunde) den Inhalt in ein vorgefertigtes, um nicht zu sagen abgedroschenes Schema. So ist allein dieser gängigen Dramaturgie geschuldet, dass es zwischen Freddie und seinen Bandkollegen zum großen Krach kommt. Zudem wird Paul Prenter, Mercurys Assistent und enger Vertrauter, im Film als hinterhältiger „Bösewicht“ dargestellt. Da hätte man sich eine etwas ausgewogenere Darstellung gewünscht.

Ansonsten bleibt Bohemian Rhapsody wenig schuldig. Die in allen Belangen mehr als gelungene Inszenierung vor allem von Singers langjährigen Mitstreitern Newton Thomas Sigel hinter der Kamera und John Ottman beim Schnitt macht aus dem Film ein mitreißendes Vergnügen, nicht nur für Queen-Fans. Darüber hinaus überzeugt das Band-Biopic auch in schauspielerischer Hinsicht. Die Rollen der Queen-Mitglieder wirken vor allem optisch perfekt gecastet, egal ob Gwilym Lee als Gitarrist Brian May, Joseph Mazzello als Bassist John Deacon und Ben Hardy als Drummer Roger Taylor. Und Rami Malek vollbringt in der Rolle des Farrokh Bulsara alias Freddie Mercury eine darstellerische Glanzstunde. Mit einem „Movement Coach“ studierte und trainierte der aus Mr. Robot bekannte ägyptisch-amerikanische Schauspieler Bewegungen und Stil des Queen-Frontmannes, um dem Original so nah wie möglich zu kommen. Hätte Malek nicht diese großen, ausdrucksstarken Augen so würde man denken, Mercury wäre für die Dreharbeiten von den Toten auferstanden. Beim Gesang setzte man auf eine Mischung aus den Originalaufnehmen des Queen-Sängers, Maleks eigenem Gesang sowie dem des kanadischen Mercury-Imitators Marc Martel. Auch wenn man hier den exzessiven Lebenstil des Protagonisten und seine sexuelle Orientierung nicht zum Hauptthema des Films macht, so erschufen Singer, Fletcher und Co eine wundervolle Hommage an einen einmaligen Performer und Entertainer, der leider viel zu früh verstarb und vermutlich deshalb unsterblich wurde.

Dexter Fletcher hat scheinbar Blut geleckt, was die Inszenierung von Musiker-Biopics angeht. Unter seiner Regie erscheint am 30. Mai 2019 ein Film über Elton John (gespielt von Taron Edgerton) namens Rocketman.

 

Fazit: Bohemian Rhapsody gefällt durch seine gelungene Inszenierung und die grandiose Performances, vor allem von Rami Malek als Freddie Mercury. Diese Stärken kaschieren die übermäßigen inhaltlichen Freiheiten, die sich das Drehbuch aus „dramaturgischen Gründen“ leider nimmt. 7 von 10 Punkten.

Einmalig: Rami Malek als Freddie Mercury
Beim legendären Live-Aid-Auftritt

Marius Joa, 16. November 2018. Bilder: Fox.

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