Den ersten Superheldenfilm mit Heldin und dazu einer Frau auf dem Regiestuhl gab es im Sommer 2017 mit der DC-Comics-Adaption Wonder Woman. Nun zieht das „Marvel Cinematic Universe“ quasi nach. In Captain Marvel sucht eine Weltraumkriegerin und Ex-Pilotin nach ihrer Bestimmung. Oder so ähnlich…
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Captain Marvel
Comic-Adaption/Science-Fiction-Abenteuer USA 2019. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 124 Minuten. Kinostart: 7. März 2019.
Mit: Brie Larson, Samuel L. Jackson, Jude Law, Ben Mendelsohn, Lashana Lynch, Clark Gregg, Djimon Hounsou, Annette Bening u.a. Regie: Anna Boden und Ryan Fleck. Drehbuch: Anna Boden, Ryan Fleck, Geneva Robertson-Dworet. Nach Comics von Stan Lee, Gene Colan, Roy Thomas.
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Guardians of the Galaxy meets Top Gun
1995. Auf Hala, dem Hauptplaneten einer Alienrasse namens Kree, lebt die junge Vers (Brie Larson), die zwar keine Erinnerungen an ihr früheres Leben besitzt, aber immer wieder Albträume erlebt. Unter Führung von Commander Yon-Rogg (Jude Law) ist Vers Teil einer Spezialeinheit namens Starforce, welche den intergalaktischen Machenschaften der mit den Kree verfeindeten Skrulls, einer Rasse von Formwandlern, entgegenwirkt. Währen des Einsatzes auf einem anderen Planeten, der sich als Hinterhalt entpuppt, wird Vers gefangen genommen. Skrull-Anführer Talos (Ben Mendelsohn) versucht, ein bestimmtes Detail aus Vers‘ Erinnerungen zu extrahieren, doch der starken Frau gelingt die Flucht. Vers stürzt auf der Erde ab und landet in einer Videothek in Los Angeles. Die beiden S.H.I.E.L.D.-Agenten Nick Fury (Samuel L. Jackson) und Phil Coulson (Clark Gregg) treten auf den Plan, doch ihr Versuch die „Außerirdische“ festzunehmen wird durch einen Angriff der Skrulls verhindert. In der Folge beschließen Vers und Fury gemeinsam herauszufinden, was die Skrulls auf der Erde wollen. Dabei entdecken sie Hinweise aufs Vers Vergangenheit…
Captain Marvel
Machen wir uns nichts vor. Frauen haben im Mainstream-Kino generell und im „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) erst recht wenig zu melden, werden im letzteren Film-Universum meist auf die Rolle der heißen „Kampfmieze“ bzw. Stichwortgeberin reduziert oder dienen lediglich als Handlungs-Gimmick. Das MCU könnte man also auch als „Macho-Comic-Universum“ bezeichnen. Zwar erbärmlich, aber auch nicht verwunderlich, dass erst im 21. (!) Beitrag eine Heldin im Zentrum steht. Schade außerdem, dass Regie-Duo Anna Boden und Ryan Fleck in Captain Marvel aus der „Origin Story“ der Protagonistin so wenig machen, wenngleich das Gesamtergebnis keinesfalls misslang.
Die in den Comics je nach Inkarnation mal männliche oder weibliche Figur Captain Marvel (in letzter Form auch als Ms. Marvel bekannt) ist die vorläufig letzte in einer großen Reihe von Helden, die dem Kinouniversum des Sprechblasen-Giganten Marvel hinzugefügt werden. Am Ende des verheerenden Avengers: Infinity War (2018) wurde ihre Ankunft vorbereitet. Vor dem alles entscheidenden Endgame (Kinostart: 25. April 2019) erhält Captain Marvel in Person von Carol Danvers ihren eigenen Film. Bereits im Sommer 2016 wurde Brie Larson, die Monate zuvor den Oscar für ihre Hauptrolle in Raum (2015) erhalten hatte, als Hauptdarstellerin bekannt gegeben. Die Suche nach einer geeigneten Person für den Regie-Posten zog sich dagegen noch etwas hin. Regisseurinnen wie die Serien-erfahrenen Lesli Linka Glatter (Mad Men, Homeland) und Rachel Talalay (Tank Girl, Doctor Who) oder Niki Caro (Whale Rider) befanden sich im engen Kandidatenkreise, die Marvel Studios entschieden sich schließlich für das Duo Anna Boden und Ryan Fleck (Half Nelson, It’s Kind of a Funny Story, The Affair).
Boden und Fleck gelingt mit ihrer ersten großen Kino-Produktion ein kurzweiliger Comic-Blockbuster. Das liegt vor allem am gelungenen Zusammenspiel von Brie Larson als Titelheldin und dem digital um 25 Jahre verjüngten Samuel L. Jackson als „junger“ Nick Fury. Wie die beiden sich Dialogzeilen und Pointen gegenseitig zuspielen macht Spaß und erinnert an beste Buddy-Komödien-Unterhaltung. Wegen der Weltraumszenen und dem erneuten Auftreten zweier Nebenfiguren als jüngere Versionen wirkt Captain Marvel wie ein Guardians of the Galaxy-Prequel. Das vermutlich als kleinster gemeinsamer Nenner von fünf Autoren (darunter die Regisseure) entstandene Drehbuch wird sicherlich keinen Innovationspreis gewinnen, eine kleine Überraschung ist dennoch drin.
Ansonsten wirkt das erste Leinwandabenteuer der mächtigen Heroine in jeglicher Hinsicht durchschnittlich. Die Actionszenen sind routiniert (um nicht zu sagen fast langweilig) inszeniert, egal ob unübersichtliche Laserkanonen-Duelle oder mit übermenschlichen Kräften verstärkte Martial-Arts-Kloppereien. Zwar muss man dem Film zugute halten, dass seine Protagonistin völlig unabhängig agiert, jederzeit Herr/Frau der Lage ist und sich als Frau in einer Männerdomäne durchgesetzt hat, aber Tiefgang besitzen weder die meisten Figuren noch die Story an sich. Fans mit mehr Hintergrundkenntnisse der bisherigen MCU-Streifen werden zudem die ein oder andere Ungereimtheit auffallen. Das 1990er Setting wird auch ziemlich verschenkt. Ein paar Details (u.a. Pager) und Songs aus der Zeit können nicht kaschieren, dass es im Grunde völlig egal scheint, in welchem Jahr sich die Handlung abspielt. Immerhin gelingt es der türkisch-amerikanischen Komponistin Pina Toprak ihrem Score neben den üblichen Superheldenfanfaren passende elektronische Elemente beizufügen.
Schlussendlich hat es bei Captain Marvel nur zu einem Nummernfilm gereicht, immerhin besser als der blutleere erste Auftritt des „ersten Avengers“. Zur Überbrückung der Wartezeit und zur Einstimmung auf Avengers: Endgame aber durchaus geeignet. Eine sehr schöne Hommage an den im November 2018 im Alter von 95 Jahren verstorbenen Marvel-Comic-Urvater Stan Lee gibt’s gratis dazu.
Fazit: Captain Marvel, der erste MCU-Film mit einer Heldin als Hauptfigur, geriet durchaus kurzweilig und unterhaltsam, wirkt aber über weite Strecken recht uninspiriert und zu routiniert runtergespult. 5 von 10 Punkten.
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Der „junge“ Nick Fury
Maria und Carol
Was planen die Skrulls?
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