Mal wieder Lust auf Endzeitstimmung? Wenn Sie diese Frage positiv beantworten können, sollten Sie sich „Children of Men“ unbedingt ansehen. Lena Stadelmann schreibt, warum.
Sci-Fi-Thriller, UK/USA 2006. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 109 Minuten.
Mit: Clive Owen, Julianne Moore, Michael Caine, Claire-Hope Ashitey, Chiwetel Ejiofor, Pam Ferris u.a. Regie: Alfonso Cuarón.
Das Leben als Hoffnung
„Als der Lärm der Spielplätze verschwand, setzte die Verzweiflung ein. Es ist merkwürdig, was in einer Welt ohne Kinderstimmen passiert.“
Wir schreiben das Jahr 2027, seit 18 Jahren wurde kein Kind mehr geboren, die Menschheit ist aus unbekannten Gründen unfruchtbar. Die Welt ist voller Angst, Gewalt, Krieg und Zerstörung, nur Großbritannien kann sich dank einer Militärdiktatur ein wenig Zivilisation erhalten. „The World has collapsed; only Britain soldiers on“, verkündet das britische Fernsehen, nachdem in einer schnellen Bildabfolge die Hauptstädte der Welt in Schutt und Asche gezeigt wurden.
Doch auch in London kann von einer heilen Welt nicht die Rede sein. Rebellionsgruppen wollen mit Bombenattentaten die Regierung zu einer besseren Behandlung der Flüchtlinge zwingen, die aus der ganzen Welt an der britischen Küste landen und in Käfigen und kriegsgebietsähnlichen Lagern festgehalten werden.
In diesem hoffnungslosen Alltag zwischen Überwachungsstaat und Terrorangriffen, legalisierten Sterbepillen und Unfruchtbarkeit steckt Theo Faron (Clive Owen) fast Bruce-Willis-antiheldenhaft mit Flachmann und völlig passiv fest, bis seine Ex-Frau Julian (Julianne Moore) ihn um einen Gefallen bittet. Sie ist die Anführerin der Rebellionsgruppe „The Fishes“ und benötigt ein Reisevisum von Theo, dessen Cousin in der Regierung sitzt, um eine junge Frau an die Südküste zu bringen. Theo erfährt erst während der Reise den Grund: die junge Frau, Kee (Claire-Hope Ashitey), ist wie durch ein Wunder schwanger und soll nun auf einem Schiff der Organisation „Human Projekt“ in Ruhe ihr Kind zur Welt bringen, damit es von keiner Seite als Druckmittel missbraucht werden kann. Es kommt, wie es kommen muss: Julian wird von ihren eigenen Leuten umgebracht, da diese sehr wohl das Kind für ihre Zwecke, nämlich eine Revolution gegen die Regierung, benutzen wollen und Theo muss mit Kee und der Hebamme Miriam (Pam Ferris) fliehen.
Julian (Julianne Moore) bittet Theo (Clive Owen) um Hilfe.
Regisseur Alfonso Cuarón („Harry Potter und der Gefangene von Askaban„) inszeniert die Buchvorlage von P.D. James äußerst düster. Die Innenstadt ist voller Abfall und Trümmer der letzten Attentate, die Straßenbahnfenster sind vergittert und die Vororte von Mauern umschlossen. Das Umland liegt brach, vereinzelt führt ein Abflussrohr aus dem schlammigen Boden, auf den Wiesen schwelen Feuer und Rauch steigt auf. Diese Bilder sorgen für ein beklemmendes Gefühl im Kinosessel, die Hoffnungslosigkeit ist geradezu körperlich spürbar.
Der einzige Ort der Ungezwungenheit ist der Unterschlupf von Theos älterem Freund Jasper Palmer, wunderbar herzerwärmend verkörpert von Michael Caine. Hier finden die wenigen Momente statt, die den Film aus seiner melancholischen, verzweifelten Grundstimmung herausheben und zeigen, dass es noch Gründe gibt, dass die Menschheit überleben sollte: Wärme, Humor, Freundschaft, Hilfsbereitschaft. Und natürlich Kees Kind, geboren in einem zerfallenen Haus des Flüchtlingslagers, dessen hilfloses Weinen sogar die einander bekriegenden Soldaten und Rebellen dazu bringt, für eine kurzen, fast heiligen Moment die Waffen zu senken aus Respekt vor dem Leben.
Der Schluss bleibt offen, man weiß nicht, wie es mit Kee und ihrem Kind weitergeht und ob es noch weitere Wunder geben wird, ob die Menschheit überlebt. Das Ende regt wie so vieles an diesem Film zum Nachdenken an, man lässt sich auf die Bilder ein, die aus jedem Kriegsgebiet der Gegenwart stammen könnten, und die man mit dem Verlassen des Kinosaals nicht einfach abschütteln kann, ebenso wie das Entsetzen über die scheinbar nicht mehr vorhandene Achtung von Menschenleben. Und dennoch birgt der Schluss, so offen er auch sein mag, einen Funken Hoffnung: Es gibt neues Leben, ein neues Kind und vielleicht eine neue Chance.
Fazit: Zukunftsthriller mit Tiefgang. 8 von 10 Punkten.
Bombenattentate gehören zu Theos Alltag.
Kee (Claire-Hope Ashitey): wird ihr Baby zur Hoffnung der Menschheit?
Lena Stadelmann, 22. November 2006. Bilder: UIP.
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