15 Jahre nachdem das märchenhafte Kampfkunst-Epos Tiger And Dragon die Massen begeisterte gibt es nun die Fortsetzung, hierzulande allerdings nicht im Kino, sondern beim Streaminganbieter Netflix. In Crouching Tiger, Hidden Dragon II geht es für Kämpferin Shu Lien erneut darum, das “Grüne Schwert der Unterwelt” vor falschen Händen zu bewahren…
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Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword Of Destiny
Martial-Arts-Abenteuer USA/China 2016. 100 Minuten. Filmstart: 26. Februar 2016 (Netflix).
Mit: Michelle Yeoh, Donnie Yen, Harry Shum Jr., Natasha Liu Bordizzo, Jason Scott Lee u.a. Regie: Yuen Woo-ping. Drehbuch: John Fusco. Nach dem Roman Iron Knight, Silver Vase von Wang Dulu.
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Halbgarer Aufguss
18 Jahre nach dem Tod ihres Freundes Li Mu Bai lebt die erfahrene Kämpferin Yu Shu Lien (Michelle Yeoh) in zufriedener Einsamkeit. Als jedoch auch ihr väterlicher Freund, der hohe Rat Tie, verstirbt reist Shu Lien nach Peking, um seiner trauernden Familie beizustehen. Im Besitz von Ties Sohn (Gary Young) befindet sich nach seines Vaters Ableben das legendäre “Grüne Schwert der Unterwelt”, welches seinen Träger unbesiegbar machen soll. Der finstere Kriegsherr Hades Dai (Jason Scott Lee), der mit seinen Männern vom Westlichen Lotus die Gegend nach und nach in seine Gewalt bringt, will das Schwert unbedingt besitzen. Daher schickt er den jungen Wei Fang (Harry Shum Jr.), um es zu stehlen. Wei Fang wird jedoch von der jungen Kämpferin Schneevase (Natasha Liu Bordizzo) an seiner Tat gehindert und von Shu Lien festgesetzt. Um sich für weitere Angriffe auf Ties Anwesen zu wappnen, engagiert man erfahrene Krieger. Unter ihnen ist auch Stiller Wolf (Donnie Yen), Shu Liens seit langem totgeglaubter Verlobter…
Stiller Wolf
Mit Tiger & Dragon (englischer Titel: Crouching Tiger, Hidden Dragon; chinesisch: Wo hu cang long) gelang dem aus Taiwan stammenden US-Regisseur Ang Lee nicht nur eine wundervoll komponierte Mischung aus Märchen, Abenteuerfilm und Coming-of-Age-Story, sondern auch das westliche Publikum für weitere Wuxia-Produktionen wie Hero oder House Of Flying Daggers zu öffnen. Da der vierfache Oscar-prämierte Film (Preise als fremdsprachiger Film, für Kamera, Ausstattung und Musik) auf einer fünfteiligen Romanreihe des chinesischen Schriftstellers Wang Dulu (1909-1977) basiert, war der Gedanke an eine Fortsetzung nicht völlig weithergeholt. Unter der Regie von Yuen Woo-ping (und damit ohne Beteiligung von Ang Lee, dessen Filmographie durch große Varianz glänzt), seines Zeichen Actionchoreograf bei Teil 1 und unzähligen weiteren Filmen wie Matrix oder The Grandmaster (2013), fanden ab August 2014 die Dreharbeiten zum Sequel Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword Of Destiny überwiegend in Neuseeland statt. Teil 2 basiert auf dem fünften Band der “Crane Iron”-Pentalogie von Wang, die Vorlage des Vorgänger war Buch vier.
Ein neuer Regisseur, mit Michelle Yeoh (James Bond: Der Morgen stirbt nie) nur noch eine Darstellerin aus dem ursprünglichen Ensemble übrig, das sind nicht unbedingt vielversprechende Vorzeichen für einen Nachfolgefilm. Doch ist “Tiger & Dragon 2” bei weitem kein billiger Videotheken-Actioner, dem aus Marketinggründen ein englischer Titel gegeben wurde, um so eine nicht existente Verbindung zu Lees Film herzustellen. Inszenatorisch hat Yuen sicherlich so ziemlich das Beste aus seiner 19. (!) Regiearbeit herausgeholt. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass inhaltlich zuviel Potenzial liegen gelassen wird.
Das Drehbuch von John Fusco (auch Autor der Netflix-Serie Marco Polo) greift diverse Motive aus dem Vorgänger-Film auf. Da haben wir zwei Quasi-Paare (Shue Lien und ihr Ex-Verlobter Stiller Wolf sowie Schneevase und Wei Fang), deren Schicksale miteinander verknüpft sind. Genau wie die rebellierende Xiao Long (Zhang Ziyi) im ersten Teil wurde auch Schneevase von ihrer Ziehmutter in der Kampfkunst unterwiesen. Das Dilemma mit dem “Grünen Schwert der Unterwelt” besteht ebenfalls noch. Das alles wird zwar zu einem halbwegs stringenden Handlungsgefüge zusammengerührt, doch viele der Elemente nur angerissen oder angedeutet. Die Motive des Bösewichts Hades Dai (Jason Scott Lee, bekannt aus Dragon: The Bruce Lee Story, als übergewichtiger Meister Proper) lassen sich bestenfalls als Gegenpol zum “Eisernen Weg” der traditionellen Krieger wie Shu Lien erklären. Obwohl es Tiger & Dragon in kaum zwei Stunden schafft, diverse Themen und Elemente zu vereinen, so gelingt dies beim Nachfolger kaum. Bevor wichtige Punkte vertieft werden können, verfällt man wieder in (immerhin spannend aufgemachte und ästhetisch fotografierte) Kampfszenen. Zwischenzeitlich werden dann noch ein paar Nebenfiguren in Form einer heterogenen Kämpfertruppe eingeführt, deren Funktion es freilich ist, nacheinander beinahe wie die Fliegen zu sterben. Kaum ist die Geschichte halbwegs in Fahrt gekommen, beginnt auch schon der Showdown. Die turbulente Beziehung der beiden erfahrenen Meister Shu Lien und Stiller Wolf lässt sich dadurch genauso wenig vertiefen wie eine mögliche Liebesgeschichte zwischen Schneevase und Wei Fang, die bestenfalls ein klitzekleines bisschen angedeutet wird.
Fazit: Über weite Strecken wirkt Sword Of Destiny wie ein oberflächlicher Aufguss der Motive aus Ang Lees einmaligem Film, die Fortsetzung bietet aber immerhin Spannung und erneut packende Kampfszenen. 5 von 10 Punkten.
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Shue Lien muss wieder zum Schwert greifen
Wei Fang sucht seinen Weg
Hades Dai will die Macht
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Marius Joa, 29. Februar 2016. Bilder: Netflix.
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