Wie auch schon 2018 und 2019 nutzte ich dieses Jahr die Gelegenheit, wenigstens einen Film beim Fantasy Filmfest in Nürnberg anzusehen, nämlich den Psycho-Horror-Thriller Daniel Isn’t Real, mit zwei prominenten Söhnen in den Hauptrollen.
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Daniel Isn’t Real
Horror/Psychothriller USA 2019. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 101 Minuten.
Mit: Miles Robbins, Patrick Schwarzenegger, Sasha Lane, Mary Stuart Masterson, Chukwudi Iwuji, Hannah Marks u.v.a. Nach dem Roman In This Way I Was Saved von Brian DeLeeuw. Drehbuch: Adam Egypt Mortimer und Brian DeLeeuw. Regie: Adam Egypt Mortimer.
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Der Dämon im Puppenhaus
Nachdem sich seine Eltern trennen und Luke (Griffin Robert Faulkner) die Folgen eines tödlichen Amoklaufs miterleben muss, erfindet der achtjährige einen imaginären Freund: Daniel (Nathan Reid). Luke und Daniel haben viel Spaß gemeinsam, doch als Luke von seinem besten Freund zu einer folgenschweren Tat angestiftet wird, fordert Mutter Claire (Mary Stuart Masterson) von ihrem Sohn, sich von Daniel zu lösen. 12 Jahre später beginnt Luke (nun: Miles Robbins) mit seinem Studium, fühlt sich allerdings von seinen Ängsten in der neuen Lebensphase ausgebremst. Hinzu kommt, dass Claire mit der Zeit psychisch immer labiler wird und ihren Realitätssinn zu verlieren scheint. Luke entschließt sich, Daniel wieder „hervorzuholen“. Das erweist sich anfangs auch als gute Idee, weil Daniel seinem Freund im Studium und bei den Frauen hilft. So lernt Luke zufällig die hippe Künstlerin Cassie (Sasha Lane) kennen. Als Luke jedoch anfängt, nicht immer das zu tun, was sein imaginärer Freund von ihm verlangt, zeigt Daniel zunehmend unberechenbares und aggressives Verhalten…
Bei der Vorstellung von Daniel Isn’t Real im Cinecitta in Nürnberg am Abend des 18. Septembers 2020 gab es nicht nur eine gelungene Ansage des Films durch einen Festivalmitarbeiter, der seine kurze Rede immer wieder unterbrach, um ein Zwiegespräch mit seinem imaginären Freund zu führen, sondern auch eine Videobotschaft von Regisseur Adam Egypt Mortimer, welcher die Zuschauer gemeinsam mit seinem schwarzen Kater Dr. Mabuse (!) begrüßte und erklärte, dass sich sein Film für Empathie gegenüber Menschen mit schwerwiegenden psychologischen Problemen ausspreche. Dennoch hat Mortimer mit seinem zweiten Langfilm nach dem Bully-Horror Some Kind of Hate (2015) kein authentisches, einfühlsames Drama zum ernsten Thema gemacht, sondern einen ästhetisch sehr ansprechenden und düsteren Genre-Thriller.
Rein marketingtechnisch kann Daniel Isn’t Real natürlich mit seinen zwei Hauptdarstellern punkten. Zwar gehören die beiden noch nicht zu den großen Hollywoodstars, ihnen ist aber von ihren Eltern großes Talent in die Wiege gelegt worden: Miles Robbins (geboren 1992) als Sohn der Oscar-Gewinner Tim Robbins (Mystic River) und Susan Sarandon (Dead Man Walking) sowie Patrick Schwarzenegger (geboren 1993) als Filius des muskelbepackten Actionstars und Ex-Politikers Arnold Schwarzenegger. Ein Vehikel für Jungstars liefert der 2019 auf dem South by Southwest Festival in Austin (Texas) uraufgeführte Film allerdings nicht.
Mortimer inszeniert seinen Film als eigenwilligen Hybriden aus Schizophrenie-Drama und albtraumhaften Body-Horror. Zum einen geht es hier um die angeschlagene geistige Gesundheit des Protagonisten, seine Ängsten und Blockaden und auch den besorgniserregenden Zustand seiner von Mary Stuart Masterson (Grüne Tomaten) gespielten Mutter. Interessant, dass der nur in einer Szene anwesende Vater Lukes für den weiteren Handlungsverlauf überhaupt keine Rolle spielt. Außerdem agiert der titelgebende „Dämon“ als eine Art Teufel, der Luke über die Schulter sieht und ihm in vielen Situationen (vor allem im Umgang mit Frauen) durchaus hilfreiche Tipps gibt. Bis dieser nette, gutaussehende Typ irgendwann sukzessive die Kontrolle übernimmt und Luke sich nicht sicher sein kann, was Daniel so alles veranstaltet, wenn Luke selbst schläft.
Mti seinen jungen Darstellerin wie Robbins (der mich optisch an Dana Ashbrook alias Bobby Briggs aus Twin Peaks erinnert), Schwarzenegger und Sasha Lane (American Honey) hätte sich Daniel Isn’t Real auch ganz leicht in die hohle Young-Adult-Hochglanz-Ecke manövrieren können. Doch Regisseur Mortimer und sein Kameramann Lyle Vincent (A Girl Walks Home Alone At Night) verwässern ihren harten Stoff nicht mit plumpen Oberflächenreizen, sondern setzen das auf dem Roman In This Way I Was Saved von Schriftsteller Brian DeLeeuw (der auch am Drehbuch mitschrieb) basierende Szenario mit aller Konsequenz um. Schaurige Schreckensvisionen, surreale Bilderwelten und eine überwiegend dunkle Farbkomposition garniert mit ein paar heftigen Make-Up- und Creature-Effekten verleihen der Geschichte die nötige Stahlkraft. Dazu verstärkt der zwischen unheilschwangerer Klassik und finster-brummender Elektronik wechselnde Score des britischen Musikers Clark die ganze Atmosphäre deutlich. Ich fand es zudem kurios, dass der Film auch gut 15 Minuten früher hätte aufhören können ohne dass es der Story an etwas fehlen würde. Das finale Ende funktioniert aber mindestens genauso gut.
Nach der deutschen Erstaufführung beim Fantasy Filmfest erscheint Daniel Isn’t Real unter dem saudummen deutschen Verleihtitel Der Killer in mir am 20. November 2020 auf DVD und BluRay.
Fazit: Verstörender Mix aus Psychothriller und Body-Horror, der vor allem auf inszenatorischer Ebene gut funktioniert. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 20. September 2020. Bilder: Ascot Elite.
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