Ein diskreditierter Journalistin, seine Ehefrau mit Geheimnissen und ihr gemeinsames Smart Home, das und mehr sind die Zutaten des deutschen Genrefilms Das Haus von Rick Ostermann, nach einer Kurzgeschichte von Dirk Kurbjuweit.
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Das Haus
Science-Fiction-Drama Deutschland 2021. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 89 Minuten. Kinostart: 7. Oktober 2021.
Mit: Tobias Moretti, Valery Tscheplanowa, Hans-Jochen Wagner, Lisa Vicari, Max von der Groeben, Samir Fuchs u.a. Nach der Kurzgeschichte von Dirk Kurbjuweit. Drehbuch: Patrick Brunken und Rick Ostermann. Regie: Rick Ostermann.
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Home, Smart Home
September 2021. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl, bei welcher eine rechte Partei zu gewinnen droht, wird Journalist Johann Hellström (Tobias Moretti) wegen eines angeblich fehlerhaft recherchierten Artikels entlassen und ihm zudem vom Innenministerium lebenslanges Berufsverbot erteilt. Mit seiner Frau, der Anwältin Lucia (Valery Tscheplanowa), zieht sich Johann darauhin in sein Smart Home auf einer abgelegenen Insel zurück. Doch schon bald zeigen sich bei dem technologisch hochwertigen Haus erste Fehler. Johann wird bezüglich seiner Frau immer misstrauischer. Wie stark ist Lucias Verbindung zur als Linksterroristin verdächtigen Layla (Lisa Vicari)? Schließlich findet Johann eine Waffe im Haus…
2019 erschien im Suhrkamp-Verlag im Zusammenarbeit mit Futurium, SWR und NDR die Anthologie 2029 – Geschichten von Morgen. Darin wurden Science-Fiction-Kurzgeschichten von elf deutschen Autoren veröffentlicht. Ich bin dein Mensch von Emma Braslavsky, über eine Single-Frau mit einem humanoiden Roboter als Partner, wurde von Maria Schrader verfilmt und feierte auf der Berlinale 2021 Premiere, mit Kinostart im Juli 2021. Als zweite Story aus dem Band wurde Das Haus von Dirk Kurbjuweit adaptiert. Der Film von Regisseur Rick Ostermann (Das Boot [Neuauflage], Freunde [2021]) lief auf dem Filmfest Hamburg und startete am 7. Oktober in den Kinos. Nur zwei Monate später, am 10. Dezember 2021, erfolgte die Fernsehpremiere der Co-Produktion von NDR, RBB und Arte. Die Dreharbeiten in Hamburg und im schwedischen Stavsnäs, in der Nähe von Stockholm, mussten im März 2020 wegen der Corona-Pandemie unterbrochen und konnten erst im Dezember des gleichen Jahres vollendet werden. Auf Basis von Kurbjuweits Vorlage entwickeln Ostermann und sein Co-Autor Patrick Brunken ein minimalistisch-beklemmendes Szenario, dem aber leider die Tiefe abgeht.
Wie der Anthologie-Titel andeutet spielt die Kurzgeschichte im Jahre 2029, die Filmversion dagegen ganz aktuell im September 2021, kurz vor der Bundestagswahl, die in der Realität glücklicherweise nicht die Rechten gewonnen hat, sondern aus welcher eine Ampel-Koalition unter der Führung der Sozialdemokraten hervorging. Doch wie schnell eine faschistische Partei an die Macht kommen kann, haben wir in den letzten Jahren in anderen (europäischen) Ländern erleben müssen. Von daher ist dieser Zustand weit weniger von der Wirklichkeit entfernt, als man es sich wünschen würde. Zusätzlichen Zündstoff erhält die Story durch die Involvierung von Lucia, der Frau des Protagonisten Johann, in eine als linksextreme Terrorgruppe abgestempelte Bewegung. Einst war die Anwältin die Verteidigerin von Aktivistin Layla vor Gericht und hält seitdem immer noch Kontakt zu ihr. Das Haus bietet also zwei interessante Themen. Zum einen das titelgebende smarte Wohngebäude irgendwo im Nirgendwo, zum anderen die sich auf die Ehe von Johann und Lucia auswirkenden politischen Spannungen am Vorabend eines möglichen Rechtsrucks der deutschen Regierung.
Die Handlung spielt sich fast nur im Haus und dem dazugehörigen Grundstück auf der Insel ab, nur selten gibt es Szenen an anderen Schauplätzen. Diese örtliche und personelle Reduzierung (es gibt nur ein halbes Dutzend wirklich erheblicher Figuren) machen Ostermanns Adaption zu einem Scifi-Kammerspiel, welches sich auch als Theaterstück eignet. Die Kamera von Matthias Bolliger und Stefan Ciupek sorgt ohne große Mühe für eine leicht unheimliche Stimmung, wenn immer wieder unten im Bild das Logo des Smart Homes eingeblendet wird und man als Zuschauer daher weiß, dass die Charaktere nun beobachtet werden. Als Hommage an den legendären Supercomputer HAL- 9000 aus Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum (1968) besitzt die KI des Eigenheimes im Kern ein großes rotes „Auge“.
Aber vom inhaltlichen Standpunkt her gestaltet sich Das Haus etwas enttäuschend. Die Zutaten stimmen im Grunde, doch werden diese nicht richtig verrührt. Die ganze Ausarbeitung des Skripts bleibt daher sehr oberflächlich. Nebenfiguren kommen und gehen, mit ihnen auch mögliche spannende Plotentwicklungen. Sowohl das dezent klaustrophobische Setting als auch die fragile gesellschaftspolitische Situation müssen sich der nicht gerade langen Laufzeit unterordnen. Auch wenn der Streifen für kurze Zeit im Kino lief so fühlte ich mich doch eher an einen direkt fürs Fernsehen produzierten Beitrag erinnert. Inwieweit sich die Umsetzung von Kurbjuweits Vorlage werkgetreu gestaltet kann ich mangels Kenntnis der Kurzgeschichte nicht sagen.
Das Haus ist noch bis 15. März 2022 in der ARD-Mediathek abrufbar.
Fazit: Beunruhigend, minimalistisch inszenierter Near-Future-Film, der aus seiner Prämisse allerdings zu wenig macht. 7 von 10 Punkten.
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Lucia und Johann haben Differenzen
Der Pool am Haus
Die Sauna
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Marius Joa, 31. Dezember 2021. Bilder: NDR/RBB/Arte.
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