Das krumme Haus

Viele der bekannten Romane von Krimi-Legende Agatha Christie wurden schon mehrfach für Fernsehen und/oder Leinwand adaptiert. Das krumme Haus hingegen wurde erst kürzlich verfilmt, natürlich mit illustrer Besetzung.

Das krumme Haus
(Crooked House)
Krimi UK 2017. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 115 Minuten. Kinostart: 29. November 2018.
Mit: Max Irons, Stefanie Martini, Glenn Close, Amanda Abbington, Gillian Anderson, Christina Hendricks, Honor Kneafsey, Christian McKay, Julian Sands, Terence Stamp u.a. Regie: Gilles Paquet-Brenner. Drehbuch: Julian Fellowes, Tim Rose Price, Gilles Paquet-Brenner. Nach dem Roman von Agatha Christie.

 


 

 

Mord im Palast der Eitelkeiten

England, 1957. Der griechischstämmige, schwerreiche Gastronomie-Magnat Aristide Leonides stirbt kurz nach seinem 86. Geburtstag. Während man allgemein von einem Herzinfarkt ausgeht, glaubt Aristides älteste Enkelin Sophia (Stefanie Martini) an Mord. Sie beauftragt daher den jungen Privatdetektiv Charles Hayward (Max Irons), mit welchem sie eine kurze Romanze während der gemeinsamen Zeit in Kairo erlebte. Nachdem sich Charles mit Inspektor Taverner (Terence Stamp), einem früheren Kollegen seines verstorbenen Vaters, über den Fall beraten hat, nimmt der Ex-Diplomatenassistent seine Ermittlungen auf. In „Three Gables“, dem riesigen Domizil der gesamten Leonides-Familie, wird Charles von Lady Edith (Glenn Close), Aristides Schwägerin, die nach dem frühen Tod ihrer Schwester half deren Kinder aufzuziehen, empfangen. Nach und nach befragt er die einzelnen Familienmitgliedern, von denen jeder ein Motiv hatte, den alten Patriarchen umzubringen. Sophias zwölfjährige Schwester, die altkluge Josephine (Honor Kneafsey), möchte den Detektiv bei seiner Arbeit unterstützen, bringt sich dabei allerdings selbst in Gefahr…

 Lady Edith und ihr Großneffe

Agatha Christie (1890-1976), die „Queen of Crime“, schrieb 66 Kriminalromane und 14 Kurzgeschichtenbände, gilt außerdem als die am häufigsten übersetzte Autorin. Wenn man sie zu ihren Lebzeiten fragte, welches der eigenen Werke denn ihr Favorit sei, so nannte Christie neben Tödlicher Irrtum (Ordeal by Innocence, 1958) den Roman Das krumme Haus (Crooked House, 1949). Erstaunlicherweise wurde dieses Buch erst kürzlich verfilmt, während vor allem die Geschichten mit den beliebten Detektiven Miss Marple und Hercule Poirot sich für Kino- und TV-Adaptionen großer Beliebtheit erfreuen. Nachdem ein Versuch von Regisseur Neil LaBute (Bessessen, 2002) zu Beginn des Jahrzehnts nicht zustande kam, übernahm schließlich der Franzose Gilles Paquet-Brenner das Ruder, wobei Julian Fellowes (bekannt für Gosford Park und Downton Abbey) als einer der Drehbuchautoren fungierte. Im Vereinigten Königreich erhielt Das krumme Haus nicht einmal einen Kinostart, sondern wurde im Dezember 2017 direkt bei Channel 5 versendet. Mit Verspätung kam die Verfilmung wenigstens hierzulande auf die große Leinwand. Obwohl für die Produktion nur ein Siebtel des Budgets, welches Kenneth Branagh für seine schön gefilmte, aber inhaltlich völlig überflüssige Neuauflage von Mord im Orientexpress verbrauchte, zur Verfügung stand, sieht man dies dem fertigen Film kaum an. Wenngleich man hier natürlich kein kriminalistisches Meisterstück erwarten darf.

Als klassisches Whodunit-Beitrag wirkt die ganze Angelegenheit im besten Sinne altmodisch oder etwas aus der Zeit gefallen. Eigentlich erstaunlich, dass der Roman noch nicht vor gut 30 bis 40 Jahren adaptiert wurde, in einer Zeit als Agatha Christie im Kino ein Synonym für stargespickte Krimikost war (siehe Mord im Orientexpress von 1974, Tod auf dem Nil und Das Böse unter der Sonne). Vermutlich weil hier keiner der beiden Zugpferde Marple und Poirot ermittelt, sondern mit Charles Hayward ein „herkömmlicher“ Privatdetektiv, der zudem persönlich in den Fall involviert ist, weil er mit der Enkelin des Mordopfers eine Beziehung hatte. Hauptdarsteller Max Irons (Die Frau in Gold) bleibt in seiner Rolle als junger „Sleuth“ zugegebenermaßen eher blaß, was sich jetzt aber nicht wirklich negativ auf das Gesamtpaket auswirkt. Die schauspielerischen Glanzlichter dürfen andere setzen. Zum einen natürlich die sechsfach Oscar-nominierte Glenn Close (Albert Nobbs, Guardians of the Galaxy, Die Frau des Nobelpreisträgers) als zwar nach außen freundliche, aber scharfzüngige Hausherrin Lady Edith, die der Maulwurfplage im eigenen Garten mit der Schrotflinte zu Leibe rückt. Mein persönliches Highlight war allerdings die zwar nicht sehr umfangreiche aber doch eindrucksvolle Performance von Gillian Anderson (Akte X, The Fall) als Sophias exaltierte Mutter Magda, die als erfolglose Provinzschauspielerin mit Starallüren gleichsam eine verkrachte Existenz darstellt wie ihr Ehemann Philip, ein im Grunde bedeutungsloser Historiker. Auch die beiden anderen „Serienstars“ Amanda Abbington (Sherlock) als resolute Gattin des zweiten Leonides-Sohns Roger, und Christina Hendricks (Mad Men) als naive, junge Witwe des Toten, die für alle anderen Familienmitglieder natürlich als Hauptverdächtige feststeht, können überzeugen.

Die Inszenierung profitiert vor allem von Simon Bowles‘ opulent-effektivem Szenenbild, welches jedem Bewohner des titelgebenden Anwesens charakteristische, üppig eingerichtete Räume angedeiht. Mit seinen teilweise schrulligen, aber sicherlich egomanen (und eigentlich traurigen) Figuren erscheint Das krumme Haus über weite Strecken herrlich überzeichnet, als ob der Film gleichzeitig als Parodie für das Genre funktionieren könnte, obgleich ihm der Glamour-Faktor früherer Christie-Adaptionen sicherlich abgeht. Für knapp zwei Stunden gelungene Krimiunterhaltung reicht es aber locker.

Fazit: Das krumme Haus von Regisseur Gilles Paquet-Brenner mag für Christie-Kenner zwar kein großer Wurf sein, gefällt aber als bisweilen herrlich überzeichneter und spannender Whodunit-Streifen. 7 von 10 Punkten.

 

Charles und Sophia
Verdächtig: Die junge Witwe
Köstlich: Gillian Anderson als exaltierte Magda

 

Marius Joa, 18. Dezember 2018. Bilder: Fox.

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