Die Verarbeitung der deutschen Geschichte im Kino geht weiter. Nach dem Nationalsozialismus setzen die Kinomacher verstärkt auf das Thema deutsche Teilung – aber ohne Ostalgie-Gefühl. Johannes Michel hat den neuesten Film, „Das Leben der Anderen“, gesehen, in dem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck ein wahres Starensemble auflaufen lässt.
Drama, Deutschland 2005. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 137 Minuten.
Mit: Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Thomas Thieme, Thomas Arnold, Hans-Uwe Bauer, Herbert Knaup u.a. Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Blick in die DDR ohne Ostalgie
Ost-Berlin, November 1984. Fünf Jahre vor seinem Ende sichert der DDR-Staat seinen Machtanspruch mit einem erbarmungslosen System aus Kontrolle und Überwachung. Als Oberstleutnant Anton Grubitz (Ulrich Tukur) den linientreuen Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) auf den erfolgreichen Dramatiker Georg Dreyman (Sebastian Koch) und seine Lebensgefährtin, den Theaterstar Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck), ansetzt, verspricht er sich davon einen Karriereschub. Immerhin stehen höchste politische Kreise hinter dem „operativen Vorgang“. Womit er nicht gerechnet hat: Das intime Eindringen in die Welt der Observierten verändert auch den Spitzel. Das Eintauchen in „Das Leben der Anderen“ – in Liebe, Literatur, freies Denken und Reden – macht Wiesler die Armseligkeit seines eigenen Daseins bewusst und eröffnet ihm eine nie gekannte Welt, der er sich immer weniger entziehen kann. Doch das System ist nicht mehr zu stoppen – ein gefährliches Spiel beginnt, das die Liebe zwischen Dreyman und Christa-Maria Sieland in den Abgrund reißt und Wieslers bisherige Existenz vernichtet. Bis die Mauer fällt, haben alle einen hohen Preis gezahlt.
Stasi-Überwachung durch Hauptmann Wiesler.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks war die Freude groß: Endlich konnten sich die Bürger der ehemaligen DDR frei bewegen und ihr eigenes Leben führen, ohne ständige Kontrolle durch Behörden fürchten zu müssen. In den vergangenen Jahren allerdings erlebte Deutschland eine wahre Ostalgie-Welle. Da war plötzlich alles toll, was einige Jahre zuvor noch verteufelt wurde. Fernsehshows schürten zudem positive Stimmung in diese Richtung.
Jetzt, mehr als 15 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, gelingt es dem deutschen Film, realistisch und zugleich anklagend auf die etwas mehr als 40 Jahre DDR zurückzublicken. Dieser Prozess begann schon mit „Goodbye Lenin“ und setzt sich in „Das Leben der Anderen“ noch deutlicher und viel intensiver fort.
Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck versammelt um sich ein wahres Starensemble. Diesem gelingt es vorzüglich, die Stimmung der damaligen Zeit ins Heute zu transportieren. Dies geschieht nicht zuletzt dadurch, dass der Fokus nicht nur auf einer einzigen Person liegt, sondern sich auf mehrere Hauptpersonen aufteilt. Im Mittelpunkt stehen der Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler, der mit seinem Überwachungsauftrag nicht glücklich ist, obwohl er ihn mitinszeniert hat, sowie das Schauspielerpaar Georg Dreyman und Christa-Maria Sieland. Aber auch in den „Nebenrollen“ wissen Stars wie Ulrich Mühe und Herbert Knaup zu glänzen.
Mit den üblichen Bewertungskriterien wie Special Effects ist ein Film wie „Das Leben der Anderen“ natürlich nicht zu bewerten. Viel mehr geht es hier um die schauspielerische Leistung sowie die Kulisse, die den Zuschauer nahezu perfekt in die 80er Jahre versetzt. So macht deutsches Kino Spaß.
Fazit: Mehr davon. So kann „Geschichtsunterricht“ auch Spaß machen. Nur schade, dass der Film für eine Kinoproduktion etwas bildschwach daherkommt. 8 von 10 Punkten.
Martina Gedeck und Sebastian Koch als Schauspielerpaar.
Johannes Michel, 30. März 2006. Inhaltszusammenfassung: Buena Vista.
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