Beim Versuch, ihren Job richtig zu machen und dabei ihre Menschlichkeit nicht zu verlieren, gerät eine junge Lehrerin (Leonie Benesch) an einem Gymnasium ins Kreuzfeuer der Kritik von mehreren Seiten, im preisgekrönten Drama Das Lehrerzimmer von Ilker Çatak.
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Das Lehrerzimmer
Drama Deutschland 2023. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 98 Minuten. Kinostart: 4. Mai 2023.
Mit: Leonie Benesch, Michael Klammer, Rafael Stachowiak, Kathrin Wehlisch, Anne-Kathrin Gummich, Leonard Stettnisch, Eva Löbau u.v.a. Drehbuch: Johannes Duncker und Ilker Çatak. Regie: Ilker Çatak.
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Minenfeld Schulalltag
Carla Nowak (Leonie Benesch) ist eine junge Lehrerin an einem Gymnasium, wo sie vor allem eine siebte Klasse in Mathematik und Sport unterrichtet. Mit ihrem Idealismus kommt Carla allerdings nicht bei allen ihrer Kolleg*innen an. Vor allem da es in der Schule eine bisher ungeklärte Diebstahlserie gibt. Als ihr Kollege Thomas Liebenwerda (Michael Klammer) einzelne Schüler gefragt und sie drängt, andere anzuschwärzen, äußert Carla ihren Unmut über das Verhalten ihres Kollegen. Schließlich stellt sie mit ihrem Laptop selbst eine Falle und kann aufgrund der Kamera-Aufzeichnungen den Dieb identifizieren. Doch die Enthüllung des Täters sorgt für noch mehr Unruhe im Kollegium und unter den Schülern, denn ausgerechnet ein Junge aus Carlas siebter Klasse ist ein Familienmitglied des Täters. Die zerfahrene Situation droht ihr zu entgleiten…
Regisseur Ilker Çatak (Es gilt das gesprochene Wort, Räuberhände) und sein Co-Autor Johannes Duncker (Es gilt das gesprochene Wort) kamen auf die Idee zum Film, indem sich die beiden über ihre eigene Schulzeit unterhielten. Çataks Erlebnisse an einer türkischen Schule und die Erfahrungen von Dunckers Schwester, einer Mathematik-Lehrerin, flossen neben vielen Gesprächen mit Personen aus dem Bildungssektor in das Drehbuch ein. Die Dreharbeiten fanden im Albert-Schweitzer-Gymnasium und in dem alten Standort der Fachhochschule für Architektur und Bauingenieurwesen in Hamburg statt.
Wer für die Diebstähle an der Schule verantwortlich ist scheint schnell geklärt, doch fangen die Probleme in Das Lehrerzimmer jetzt richtig an. Zwar ist der Dieb durch Videoaufzeichnungen eindeutig zu erkennen, doch mit der Identifizierung der Fall nicht abgeschlossen. Nicht nur, dass Carlas heimliches Filmen der Vorgänge im Lehrerzimmer gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen hat, auch bringt die Enthüllung eine Kette von Ereignissen in Gang, welche die Angelegenheit für die junge Lehrerin zunehmend zu einer Zerreißprobe werden lassen. Dabei handelt die Protagonistin eigentlich in guter Absicht.
Es spricht für die Echtheit des Szenarios, dass dieses ohne reißerische Wendungen auskommt. Dass Carla Nowak nur eine Klasse zu unterrichten scheint, lässt sich damit erklären, dass die anderen Unterrichtsstunden der jungen Lehrerin genau wie ihr Privatleben bewusst ausgeblendet werden. Das intensiviert die schwierige Lage umso mehr. Neben der präzisen Inszenierung, auch durch die Bilder im 4:3-Format von Kamerafrau Judith Kaufmann (Der Junge muss an die frische Luft, Corsage), lebt Das Lehrerzimmer von seinem starken Schauspielensemble, angeführt von Leonie Benesch (Das weiße Band, Babylon Berlin) als engagierte Pädagogin auf scheinbar verlorenem Posten im Minenfeld Schule. Stark agieren auch die diversen Kinderdarsteller um Leonard Stettnisch als isolierter Schüler Oskar. Beim Deutschen Filmpreis 2023 wurde Das Lehrerzimmer fünfmal ausgezeichnet, als bester Film sowie für Regie, Drehbuch, Schnitt und Hauptdarstellerin Leonie Benesch.
Fazit: Präzise inszeniertes und stark gespieltes Drama über die Zerreißprobe einer engagierten Lehrerin. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 15. Juni 2023. Bilder: Alamode Film.
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