Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim

23 Jahre nach dem ersten und 21 nach dem letzten Teil der dreiteiligen Verfilmung von Tolkiens Epos Der Herr der Ringe durch Peter Jackson sowie zehn Jahre nach dem Finale der Hobbit-Trilogie kehrt Mittelerde doch tatsächlich auf die große Leinwand zurück, in Form des Animes Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim von Kenji Kamiyama.

Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim
(The Lord of the Rings: The War of the Rohirrim)
Fantasy/Animationsfilm USA/Japan 2024. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Kinostart: 12. Dezember 2024.
Nach Charakteren von J.R.R. Tolkien. Drehbuch: Jeffrey Addiss, Will Matthews, Phoebe Gittins, Arty Papageorgiou. Regie: Kenji Kamiyama.



Ein Anime, die Rechte weiter zu binden

Im Jahre 2758 des Dritten Zeitalters von Mittelerde, etwa 200 Jahre bevor Bilbo Beutlin den Einen Ring findet. Im Königreich Rohan herrscht der kampferprobte Helm Hammerhand. Freca, Fürst der benachbarten Dunländer, möchte seinen Sohn Wulf mit Helms Tochter Héra verheiraten. Helm lehnt dieses Angebot ab. Beim anschließenden Zweikampf wird Freca von Helm mit einem Faustschlag getötet. Wulf schwört Rache für den Tod seines Vaters. Ein paar Jahre später greift Wulf Rohans Hauptstadt Edoras mit der Hilfe der Haradrim aus dem Süden an. Während Helm sowie seine Söhne Haleth und Hama gemeinsam mit den Rohirrim, den Reitersoldaten Rohans, vor den Toren der Stadt kämpfen sieht sich Héra gezwungen mit ihrer Amme Olwyn das Volk in die Hornburg zu evakuieren. Unter schweren Verlusten folgen Helm und die Rohirrim in die Festung. Wulf beginnt mit seinen Truppen die Hornburg zu belagern…

Es ist Dezember und ein neuer Herr der Ringe-Film in den Kinos angelaufen. Nanu, bin ich etwa wieder Anfang 20 wie zu Zeiten der Kinostarts von Peter Jacksons dreiteiliger Verfilmung (2001 bis 2003) des Fantasy-Romanepos von John Ronald Reuel Tolkien? Leider nicht, auch wenn ich auf diese Zeiten, welche gleichzeitig den Beginn meiner „Karriere“ als Hobby-Filmkritiker bedeuteten, gerne zurückblicke. Doch 21 Jahre später hat sich Einiges geändert. Mit Die Ringe der Macht ist das Ringepos im Fernsehen/Streaming präsent. Und der neue Kinofilm ist dann eben kein Live-Action-Abenteuer in Mittelerde, sondern ein Anime. Trotz gewisser Vorfreude war meine Erwartungshaltung nicht besonders hoch. Dennoch konnte mich Die Schlacht der Rohirrim, so der Titel des ersten HdR-Animes, nicht überzeugen.

Héra ist ein Wildfang

Zum 20jährigen Jubiläum von Die Gefährten (2001), den ersten Teil von Peter Jacksons Trilogie-Adaption des Romans von Tolkien eröffnete New Line Cinema, dass man gemeinsam mit der Animationsabteilung von Warner an einem neuen Anime-Prequel arbeite, mit Regisseur Kenji Kamiyama und Produzent Joseph Chou, die beide zusammen an der Anime-Serie Blade Runner: Black Lotus gewirkt hatten. Philippa Boyens, Co-Autorin der Ringtrilogie, fungierte als Beraterin und Produzentin. Sie schlug vor, eine Geschichte aus dem Menschen-Königreich Rohan zu erzählen. Nach einer ersten Drehbuchfassung von Jeffrey Addiss und Will Matthews (Der dunkle Kristall: Ära des Widerstandes) wurden Boyens Tochter Phoebe Gittins und ihr Schreibpartner Arty Papageorgiou mit einer massiven Überarbeitung des Skripts beauftragt. Mehr als 60 Firmen und unzählige Zeichner*innen arbeiteten drei Jahre an den überwiegend handgezeichneten Animationen. Das Produktionsbudget betrug 30 Millionen US-Dollar.

Außerhalb des Fandoms gestalteten sich die ersten Review-Meinungen eher durchwachsen. Leider muss ich mich diesen anschließen. Die Schlacht der Rohirrim bietet zwar eine für Mittelerde-Adaptionen neue Ästhetik und verwendet eine Geschichte aus den Anhängen des Herr der Ringe (siehe Anhang A, II. Das Haus von Eorl), die bisher in Filmen und Serien nicht erzählt wurde, aber weder in optischer noch in narrativer Hinsicht kann der Anime überzeugen. Leider gestaltet sich die Story recht austauschbar und generisch. Eine ähnliche Konstellation mit dem Volk von Rohan und der Belagerung von Helms Klamm (wie die Hornburg später genannt wurde) haben wir schon in viel besserer Form in Die Zwei Türme gesehen, was die ganze Sache auch noch recht vorhersehbar macht.

Herr der Ringe-Fans, die mit Anime als filmischer Präsentationsform wenig anfangen können, wird die Optik nicht wirklich überzeugen können. Gestalten sich die Szenen bei Nacht oder großem Schneegestöber noch recht eindrucksvoll so passen die Figuren und die Hintergründe ansonsten nicht wirklich gut zusammen. Vor allem in den großen Panorama-Einstellungen fällt dies auf. Die Hintergründe wirken zwar teilweise so fotorealistisch, als ob man einfach Landschaftsfotografien aus Neuseeland verwendet hätte, aber die Charaktere im klassischen Anime-Stil scheinen in dieser Umgebung deplatziert. Vermutlich wäre der Streifen besser bei einem Streamingdienst aufgehoben, denn im Kino werden die visuellen Schwächen doch recht deutlich. Der Score von Stephen Gallagher (als music editor bei der Hobbit-Trilogie tätig) verwendet zwar gekonnt das Rohan-Thema von Howard Shore aus der Ring-Trilogie, hat darüber hinaus aber nur recht generische Klänge zu bieten.

Das liest sich jetzt alles recht ernüchternd, aber richtig schlecht ist der erste Mittelerde-Anime nicht geworden. Für die Laufzeit von 134 Minuten wirkt die Geschichte trotz ihrer Schwächen recht kurzweilig. Und mit den Stimmen von Brian Cox (Ring, Troja, Succession) als Helm Hammerhand und Miranda „Éowyn“ Otto als Erzählerin gibt es in der Originalfassung starke Stimmen zu hören. Nur musste ich leider im Kino mit der durchwachsenen deutschen Synchronfassung vorlieb nehmen. Auch wenn der Hype weiterhin bzw. wieder groß scheint, so scheint sich der Erfolg von damals nicht unbedingt wiederholen zu lassen. Zumindest habe ich nach dem Kinobesuch gestern diesen Eindruck. Gab es bei der Originaltrilogie oder den Hobbit-Filmen jedes Jahr ausverkaufte Mitternachts- oder Vorpremieren so bot das hiesige Multiplexkino erst am frühen Donnerstagabend die erste Vorstellung, für nur etwa sieben Leute.

Man muss sich auch einfach klarmachen, dass Die Schlacht der Rohirrim gemacht wurde, damit New Line Cinema und Warner Bros die Filmrechte an Tolkiens Fantasyepos nicht verlieren. Weitere Kino-Produktionen aus Mittelerde sind geplant. Zum einen ein von Gollum-Darsteller Andy Serkis inszenierter Film über die Jagd auf das vom Ring gezeichnete Geschöpf für 2026. Außerdem soll zwei Jahre später ein noch unbetitelter Streifen erscheinen. Der Ausverkauf von Tolkiens Werken geht also parallel zur inhaltlich suboptimalen Amazon-Serie Die Ringe der Macht auch auf der großen Leinwand weiter. Herr der Ringe soll zum großen Mega-Franchise wie die immer austauschbareren Star Wars-Werke und solche aus dem Marvel Cinematic Universe werden. Ein Franchise, sie zu knechten. Das braucht kein Mensch.

Fazit: Der erste Herr der Ringe-Anime entpuppt sich leider als inhaltlich und optisch durchwachsene Angelegenheit. 5 von 10 Punkten.

Wulf will Rache
Ein Mumakil greift an
Helm und sein Neffe Fréalaf



Marius Joa, 13. Dezember 2024. Bilder: New Line Cinema/Warner.

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