Der Krieg des Charlie Wilson

Ein Film mit drei Oscarpreisträgern unter der Regie eines Oscarpreisträgers, der ein brisantes historisch-politisches Ereignis der jüngeren Vergangenheit behandelt – da können die Erwartungen eigentlich nur enttäuscht werden. Oder? Lena Stadelmann hat sich Der Krieg des Charlie Wilson angesehen.

Der Krieg des Charlie Wilson (Charlie Wilson’s War)
Polit-Satire, USA 2007. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. 97 Minuten. Deutscher Kinostart: 07.02.2008. Mit: Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams u.a. Regie: Mike Nichols.

“…and then we fucked up the endgame.”

Der texanische Kongressabgeordnete Charlie Wilson (Tom Hanks) weiß das Leben zu genießen: mit Whisky, Frauen und vielen Ja-Stimmen, um sich Gefälligkeiten zu sichern. Politisch macht er wenig von sich reden, außer dass er seit Jahren immer wieder gewählt wird. Doch als er wegen einer Fernsehsendung beginnt, sich näher mit dem sowjetisch besetzten Afghanistan zu beschäftigen, erwacht sein politischer Instinkt: warum nicht den Kalten Krieg von den Afghanen führen lassen, geheim finanziert durch die USA? Mit Hilfe der Society-Lady Joanne Herring (Julia Roberts) und dem CIA-Agenten Gust Avrakotos (Philip Seymour Hoffman) startet Charlie den größten Geheimkrieg und trägt so zum Untergang der Sowjetunion bei.

Wenn Filme betonen müssen, auf einer wahren Begebenheit zu beruhen, liegt der Schluss nahe, dass das Drehbuch nicht sehr viel hergibt und damit entschuldigt wird, dass man ja nur die Wahrheit erzähle. Andere Filme hingegen betonen eben diesen Wahrheitsaspekt, um nicht als vollkommen aus der Luft gegriffen zu wirken, und das trifft wohl auch auf Der Krieg des Charlie Wilson zu. Denn welcher Drehbuchautor würde auf die absurde Idee kommen, einen feucht-fröhlichen texanischen Abgeordneten, die fünftreichste Frau von Texas und einen in Ungnade gefallenen Spion auszuschicken, um die Sowjets das Fürchten zu lehren? Und das in Zusammenarbeit mit Pakistan, Ägypten und Israel? Wer würde glauben, dass ein einfacher Kongressabgeordneter es schafft, einen Etat von fünf Millionen Dollar auf 500 Millionen aufzublasen?

Vielleicht ist gerade diese Unglaublichkeit in aller Wahrheit der Grund, weshalb Regisseur Mike Nichols (Die Reifeprüfung, Hautnah) den Film mit viel Ironie und Humor ausstattet, trotz des ernsten Themas. Der Film sprüht nur so vor Dialogwitz und Charlie Wilson scheint mit einem allzeit zwinkernden Auge ausgestattet zu sein. Und doch gibt es auch immer wieder retardierende Momente, in denen Wilson seine Einsamkeit, das furchtbare Schicksal der afghanischen Flüchtlinge und auch die eventuellen Folgen der amerikanischen Einmischung bewusst werden. Tom Hanks (Forrest Gump, Terminal) scheint wie so oft die ideale Besetzung zu sein, man nimmt ihm sowohl den Lebemann ab, der morgens um zehn Uhr schon Whisky trinkt, als auch den einerseits gewieften, andererseits besorgten Politiker. Kongeniale Partner findet er in Julia Roberts (Pretty Woman, Erin Brokovich) und vor allem in Philip Seymour Hoffman (Capote), der wieder einmal brilliert als komischer Kauz, dem trotzdem alle Zuschauer-Sympathien zufliegen.

Eine der besten Szenen des Films verbindet sowohl Wilsons zwei Seiten der öffentlichen Figur und des planenden Politikers mit dem Zusammenspiel von Hanks und Hoffman: Wilson muss sich einerseits mit seinem Presse-Team überlegen, wie er auf einen Koks-Konsum Vorwurf reagiert und will andererseits bei seinem ersten Treffen mit Avrakotos diesem seine Pläne schmackhaft machen – eine Szene, die fast schon Sketch-Charakter hat, allerdings auf sehr hohem, absurd-komischem Niveau, das die ganze Klasse des Drehbuchs einfängt.

Fazit: Sehr gute Polit-Satire mit einem grandiosen Drehbuch und hervorragenden Darstellern. 9 von 10 Punkten.


Charlie Wilson (Tom Hanks) fasst im Flüchtlingslager der Afghanen seinen Entschluss.

Society-Lady Joanne Herring (Julia Roberts) steht Charlie nicht nur politisch nahe.

Charlie und „Gus“ (Philip Seymour Hoffman) bei der Arbeit.

Lena Stadelmann, 14.02.2008. Bilder: Universal.

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