Die Päpstin, der Roman von Donna Cross über eine Legende, nach der eine Frau Papst wurde, avancierte zum Bestseller. Nun liegt die Verfilmung des Stoffes vor. Marius Joa war im Kino.
Die Päpstin (Pope Joan)
Historiendrama Deutschland/Italien/Spanien 2009. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 148 Minuten.
Mit: Johanna Wokalek, David Wenham, Iain Glen, John Goodman, Edward Petherbridge, Anatole Taubman, Lotte Flack, Jördis Triebel, Claudia Michelsen, Nicholas Woodeson, Suzanne Bertish u.v.a. Regie: Sönke Wortmann. Drehbuch: Heinrich Hadding und Sönke Wortmann. Nach dem Roman von Donna W. Cross.
Johanna und Faramir
Im 9. Jahrhundert, kurz nach dem Tod von Karl dem Großen, wird im ländlichen Ingelheim ein Mädchen namens Johanna geboren, in einer finsteren Zeit, in der die Frau dem Manne völlig untergeordnet ist. Besonders extrem ist der fanatische Ingelheimer Dorfpriester (Iain Glen), Vater der kleinen Johanna (Tigerlily Hutchinson). Ihre Mutter (Jördis Triebel) wird von ihm wegen ihrer „heidnischen“ Herkunft mit Verachtung und Gewaltanwendung gestraft. Als der griechische Gelehrte Aeskulapius (Edward Petherbridge) das Dorf aufsucht, um Johannas Bruder Johannes (Jan Hendrik-Kiefer) auf die Domschule vorzubereiten, wird klar, dass nicht der Junge, sondern Johanna (Lotte Flack) den wacheren Geist hat, auch weil sie heimlich Lesen und Schreiben gelernt hat. Johannas Vater ist außer sich und so muss das junge Mädchen wieder unvorstellbare Strafen erdulden. Doch sie lässt sich nicht davon abhalten, vom griechischen Lehrmeister zu lernen.
Johanna lernt an der Domschule.
Als Johannes zur Domschule abberufen wird, läuft Johanna von zuhause weg und folgt ihrem Bruder dorthin. Ihre Intelligenz bringt ihr sogleich Sympathiepunkte beim Bischof von Dorstadt. Gemeinsam mit ihrem Bruder darf Johanna die Domschule nun besuchen. Der junge Graf Gerold (David Wenham) nimmt Johanna, sehr zum Missfallen seiner Gattin Richild (Claudia Michelsen) bei sich auf. Zur jungen Frau herangewachsen, kommen sich Johanna (Johanna Wokalek) und Gerold näher. Die Gräfin bemerkt das natürlich und als Gerold in den Krieg ziehen muss, wird Johanna von ihrer „bösen Adoptivmutter“ mit dem Sohn des Dorfschmieds verheiratet. Doch die kirchliche Trauung wird von plündernden Normannen gestürmt, nur Johanna überlebt das Gemetzel. Mit dem Empfehlungsschreiben, das für ihren Bruder bestimmt war, begibt sie sich, als Mann verkleidet, ins Kloster Fulda, wo sie sich als Johannes Anglicus aufgrund ihres Wissensdurstes und ihrer Fachkenntnis der Heilmittel zum stellvertretenden Medicus hocharbeitet. Nach Jahren verlässt Johanna das Kloster, kurz bevor sie droht, entdeckt zu werden. Auch in Rom sorgt ihre wirksame Heilkunst dafür, dass sie sich einen Namen als Arzt macht. Dem schwer kranken Papst Sergius (John Goodman) kann sie helfen, worauf dieser sie zu seinem obersten Sekretär ernennt. Doch Johannas Aufstieg ist noch immer nicht vorbei. Als Sergius stirbt, wird Johannes Anglicus zum Papst gewählt.
Eines sollte man sich klar sein. Die Geschichte der Päpstin Johanna, die im 9. Jahrhundert für kurze Zeit das Oberhaupt der katholischen Kirche gewesen sein soll, ist eine Legende, die zwar in diversen geschichtlichen Texten im 13. Jahrhundert erwähnt wird, aber ansonsten nicht historisch belegt ist. Dieser Legende nahm sich die amerikanische Schriftstellerin Donna W. Cross an und veröffentlichte 1996 auf deren Basis den historischen Roman Die Päpstin. Das Buch wurde vor allem in Deutschland ein Bestseller. Die Verfilmungsrechte sicherte sich die große deutsche Produktionsfirma Constantin Film.
Als Regisseur war ursprünglich Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff (Die Blechtrommel) vorgesehen. Doch Schlöndorff kritisierte, dass der Film sowohl als Kinofassung als auch als TV-Zweiteiler produziert werde, was eine Schmälerung der Qualität des Filmmaterials zur Folge habe. Die Produzenten kündigten Schlöndorff, mit der Begründung er habe der Constantin Film geschadet. Den vakanten Posten übernahm Sönke Wortmann (Das Wunder von Bern, Deutschland. Ein Sommermärchen). Die eigentlich vorgesehene Hauptdarstellerin Franka Potente (Lola rennt) sprang wenige Wochen vor Drehbeginn aus Termingründen ab, sie wurde durch Johanna Wokalek (Barfuss, Der Baader Meinhoff Komplex) ersetzt. Nach jahrelangen Vorbereitungen fanden von August bis November 2008 in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und im marokkanischen Quarzazate die Dreharbeiten statt. Das Budget des Films wird auf 22 Millionen Euro geschätzt.
Obwohl Regisseur Wortmann eher mit Fußball-Filmen assoziiert wird und die Entlassung Schlöndorffs sicherlich das künstlerische Potenzial des Films reduziert hat, so kann Die Päpstin streckenweise überzeugen. Die Sets und Kulissen wirken authentisch, gleichsam wie die Kostüme. Vergleichbare Hollywoodfilme hätten wohl gut gerne das Vierfache gekostet. Und mit John Goodman in einer Nebenrolle als Papst Sergius war sogar ein echter Hollywoodstar im Budget mit drin. Die große Stärke des Films ist der Teil, in dem Johannas schwere Kindheit als ungeliebte Tochter eines gewalttätigen und tyrannischen Dorfpriesters in aller Härte und Brutalität gezeigt wird. Diese Konsequenz in der Darstellung des grausamen Mittelalters wird im Laufe der Story immer mehr verwässert, so als ob die Geschichte Johannas immer mehr zur Legende wird.
Doch die Verfilmung von Die Päpstin ist vor allem eines: sehr lang. Die Drehbuchautoren begnügten sich nicht damit, nur die grundlegenden Eckpunkte von Johannas Leben und Wirken zu zeigen. Dies hat trotz einer Länge von knapp zweieinhalb Stunden die Folge, dass manche Stationen Johannas sehr kurz kommen. Besonders störend ist hier, dass es Johanna scheinbar vom einfachen Heiler zum obersten Beamten des Papstes und schließlich auch auf den Stuhl Petri schafft, ohne vorher Kardinal geschweige den Bischof gewesen zu sein. Vielleicht bekommt man diese fehlenden Stücke dann doch in der geplanten Fassung als TV-Zweiteiler zu sehen, die wohl voraussichtlich ca. drei Stunden dauern wird. Grundsätzlich bleibt die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, den Film von vorneherein als Mehrteiler fürs Fernsehen aufzuziehen. Denn zwischendurch plätschert Die Päpstin schon ein wenig dahin, ähnlich wie so manche vergleichbare TV-Produktion. Und viele der Charaktere wirken recht eindimensional. Da wäre z.B. der nette Graf Gerold, der einfach nett ist und für den David Wenham einfach seine Figur Faramir aus Der Herr der Ringe recycelt. Die Liebesgeschichte zwischen Gerold und seiner früheren Gasttochter Johanna bleibt so sehr im Verborgenen, dass sie es auch für den Zuschauer ist.
Am Ende entpuppt sich Die Päpstin als zwiespältige Angelegenheit. Gelungen ist der Film eigentlich schon, doch stellt man sich als Kritiker immer wieder die Frage, was ein Volker Schlöndorff aus diesem Stoff hätte machen können. Und so wirkt Sönke Wortmanns Werk dann insgesamt trotz teilweise drastischer Szenen ein wenig zu bieder.
Fazit: Insgesamt ambivalenter Film, der trotz seiner Länge viel ausblendet, aber durch ein stimmungsvolles Setting streckenweise überzeugt. 6 von 10 Punkten.
Johanna und Graf Gerold lieben sich.
Johannes Anglicus und Papst Sergius.
Marius Joa, 26. Oktober 2009. Bilder: Constantin Film.
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