Beim Aufenthalt auf einem Kongress in den Schweizer Bergen erlebt ein junger Physiker merkwürdige Vorkommnisse und trifft auf eine mysteriöse Pianistin, die ihn zu kennen scheint, in Timm Krögers Retro-Mysterykrimi Die Theorie von Allem.
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Die Theorie von Allem
Mystery-Krimi Deutschland, Österreich, Schweiz 2023. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 118 Minuten. Kinostart: 26. Oktober 2023.
Mit: Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuß, David Bennent, Philippe Graber, Imogen Kogge, Emanuel Waldburg-Zeil, Peter Hottinger u.v.a. Drehbuch: Timm Kröger und Roderick Warich. Regie: Timm Kröger.
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Mysterien unter dem Berg
1962. Physik-Doktorand Johannes Leinert (Jan Bülow) und sein gestrenger Doktorvater Prof. Strathen (Hanns Zischler) reisen zu einem internationalen Kongress, welcher in einem Hotel in den Schweizer Bergen stattfindet. Auf der Veranstaltung kommt es zu Verzögerungen und Absagen. Unterdessen vertreiben sich die Gäste ihre Zeit mit Dinnerparty und Skifahren. Johannes versucht bei seiner Doktor-Arbeit weiterzukommen, doch seine Theorien bezüglich möglicher Multiversen stoßen auf Ablehnung bei Strathen. Da trifft der Doktorand auf die geheimnisvolle Jazz-Pianistin Karin (Olivia Ross), welche ihn aus unerfindlichen Gründen zu kennen scheint. Wenig später kommt es zu mysteriösen Vorfällen und seltsame Wolkenformationen zeigen sich am Himmel. Professor Blumberg (Gottfried Breitfuß), ein alter Weggefährte Strathens, verhält sich plötzlich merkwürdig und verschwindet. Als eine Leiche gefunden wird treten die Kommissare Arnold (David Bennent) und Amrein (Philippe Graber) auf den Plan. Johannes vermutet, dass die seltsamen Vorkommnisse mit möglichen Vorgängen unter dem Berg zusammenhängen, und stellt eigene Nachforschungen an…
Mit Die Theorie von Allem legt Filmemacher Timm Kröger (geboren 1985) seinen zweiten Spielfilm als Regisseur vor, nachdem er bisher auch mehrere Dokus als Kurz- oder Langfilm drehte und außerdem als Kamera-Mann arbeitete. Die Dreharbeiten zur deutsch-österreichisch-schweizerischen Ko-Produktion fanden von Januar bis Februar 2022 in Ost-Tirol, Niederösterreich, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenburg statt. Als Kulisse für das Hotel Esplanade im Film diente das seit Jahrzehnten leerstehende Südbahnhotel auf dem Semmering-Pass. Die Weltpremiere feierte The Universal Theory (so der internationale Titel, nicht zu verwechseln mit The Theory of Everything aka Die Entdeckung der Unendlichkeit) auf dem diesjährigen Filmfestival von Venedig am 3. September 2023.
Auffallend erscheint die Retro-Ästhetik mit den düsteren Schwarzweiß-Bildern von Kameramann Roland Stuprich sowie einem unheilvoll-präsenten Orchester-Score von Diego Ramon Rodriguez und David Schweighart. Alles erinnert dadurch sehr an Hitchcocks Werke und Edgar-Wallace-Verfilmungen aus den 1960ern. Allerdings beileibe nicht die einzigen stilistischen und inhaltlichen Einflüsse bzw. Referenzen. Es geht hier um die mögliche Existenz von Paralleluniversen oder auch eine Weltformel, quasi die titelgebende Theorie von Allem. Letztere Universal-Formel stand auch im Zentrum von Friedrich Dürrenmatts Theaterstück Die Physiker aus dem Jahr 1962 (!). Zudem wird die Handlung in der Zeit des Kalten Krieges verortet, in welcher die Aufarbeitung der NS-Zeit am liebsten unter den Tisch gekehrt wird.
Das Drehbuch von Kröger und seinem Co-Autor Roderick Warich bietet auch diverse Film-Noir-Elemente auf, etwa Johannes als unbedarften Protagonisten, der durch die Begegnung mit einer Femme Fatale (Karin) in geheimnisvolle Machenschaften verstrickt wird. Hier gehen Form und Inhalt perfekt Hand in Hand. Mit der mysteriösen Aura des Gebirges und der „Katakomben“ fühlte ich mich bei Die Theorie von Allem auch ein wenig an die deutsche Science-Fiction-Mystery-Serie Dark (2017-2020) erinnert.
Die Geschichte bleibt trotz der eingestreuten Hinweise und Fährten angenehm vage, hinterlässt so Raum für Interpretationen bei den Zuschauer*innen. Zumindest ich finde es mittlerweile spannender, wenn ein Film nicht alle Details auserzählt und stattdessen lieber Fragen offen lässt. Das von einem Off-Sprecher im Konjunktiv erzählte Meta-Finale lässt Timm Krögers Werk und die Obsession seiner Hauptfigur perfekt ausklingen.
Fazit: Atmosphärischer Neo-Noir-Mystery-Streifen mit diversen Einflüssen und stilsicherer Retro-Ästhetik. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 4. November 2023. Bilder: Neue Visionen.
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